Title: SOLWODI Bad Kissingen
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SOLWODI-Fachberatungsstelle und Schutzwohnung in Bad Kissingen

Statistik Erstkontakte

Kontakte und Beratung
Erstkontakte 2013: 76 Frauen    
Weiterbetreuung aus den Vorjahren:28 Frauen mit insgesamt 21 Kindern 
Frauen in der Schutzwohnung: 9 Frauen und 2 Kinder (davon 3 Frauen und 1 Kind aus 2012)
Wie in den vergangenen Jahren haben sich im Jahr 2013 Migrantinnen mit ganz unterschiedlichen Fragen und Problemen an uns gewandt. Die Schwerpunkte unserer Arbeit sind unverändert. Es handelt sich dabei um:

In den Beratungsgesprächen geht es dabei häufig auch um

Aus dem Bereich Menschenhandel haben sich 18 Klientinnen erstmals an unsere Fachberatungsstelle gewandt. Bei 16 Frauen ging es dabei um sexuelle Ausbeutung und Zwangsprostitution, bei zwei Frauen um Arbeitsausbeutung im Prostitutionsmilieu. Darüber hinaus waren neun Frauen aus den Vorjahren weiterhin in regelmäßigem Beratungsprozess mit uns. Vier Opferzeuginnen, davon eine Schwangere und eine Frau mit Kleinkind, die bereits im Vorjahr als Schwangere zu uns gebracht wurde, erhielten eine sichere Unterkunft in unserer Schutzwohnung, wurden stabilisiert und psychosozial begleitet.
Wie im vorhergehenden Jahr sind die überwiegende Mehrheit der Frauen Staatsangehörige aus den neuen EU-Ländern, vor allem aus Rumänien, Polen, Ungarn und Bulgarien. Daneben hatten wir erneut mehrere Frauen, die aus Nigeria kommen und z.T. über andere EU-Staaten nach Deutschland gebracht wurden.
Es zeigt sich weiterhin die Problematik, dass für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution aus den neuen EU-Ländern, eine längerfristige Beratung und Betreuung eher keine Option ist. Wenn überhaupt, machen sie bei der Polizei eine Aussage über die Gewalt- und Ausbeutungssituation durch Zuhälter, Bordellbetreiber und deren Helfershelfer, wollen dann aber möglichst schnell in ihr Heimatland zurückkehren. Der Wunsch der Frauen erneut mit Hilfe von Anderen eine Arbeit in einem westeuropäischen Land zu erhalten, ist groß. Dabei wird teilweise das Risiko in Kauf genommen, erneut in die Hände von Menschenhändlern zu geraten. Der Druck der Familie, der auf den jungen Frauen lastet, ist enorm. Sie sollen das Überleben oder einen gewissen materiellen Standard des Familienverbandes sichern. Dabei scheint es keine Bedeutung zu haben, unter welchen Bedingungen die Frauen leben, arbeiten und wie sehr sie gegebenenfalls darunter leiden.
Frauen aus Nigeria oder anderen sogenannten Drittstaaten sind dagegen auf die Unterstützung einer Fachberatungsstelle und der Ermittlungsbehörden angewiesen. Sie haben häufig massive Angst, in ihr Heimatland abgeschoben zu werden und wissen, dass sie dort keine reale Überlebenschance hätten. Obwohl sie das Trauma der Zwangsprostitution gerne hinter sich lassen würden, sind sie zu einer Kooperation mit den Ermittlungsbehörden bereit und werden dadurch wichtige (Opfer-)Zeuginnen in Menschenhandelsverfahren. Leider ist der Status einer Opferzeugin noch immer wenig geklärt und wird v.a. von ihrem "Wert" für das Gerichtsverfahren bestimmt. Die Frauen gefährden sich, ihre Kinder und ihre Herkunftsfamilien durch die Aussagen vor Gericht zusätzlich, ohne dass ihnen entscheidend Schutz gewährt wird. So wurde bei einem Gerichtsverfahren durch den Rechtsanwalt plötzlich die Geburtsanzeige des neugeborenen Kindes der Opferzeugin in das Verfahren eingeführt. Diese enthielt neben dem Ort der Geburtsklinik auch den tatsächlichen Aufenthaltsort der Zeugin und ihres Babys, obwohl die Adresse der Frau eigentlich geschützt werden sollte. Eine Rückfrage beim zuständigen Ausländeramt ergab, dass die Behörde die komplette Ausländerakte an das Gericht übersenden musste, da es sich bei der Frau ja nicht um einen Zeugenschutzfall handelt, sondern "nur um eine Opferzeugin"!
Auch nach einer Verurteilung der Angeklagten haben die Frauen, die durch ihre Aussage einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben, noch immer keinen Anspruch auf ein Bleiberecht. Sie können höchstens auf einen befristeten humanitären Aufenthaltstitel hoffen. Dies bedeutet allerdings weiterhin nur Asylbewerberleistungen zur Lebenssicherung und kein Recht auf berufliche Integrationsmaßnahmen. Damit werden die tatsächlichen Unterstützungsmöglichkeiten drastisch eingeschränkt und den Fachberatungsstellen aufgebürdet, ohne ihnen den nötigen rechtlichen und finanziellen Rahmen zur Verfügung zu stellen.
Im Jahr 2013 haben zwei Frauen als (Opfer-)Zeugin an drei Strafverfahren mitgewirkt, davon ein Verfahren mit sechs Angeklagten. Es kam dabei zu folgenden Verurteilung: fünf Jahre sechs Monate, vier Bewährungsstrafen und eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen; drei Jahre acht Monate (bei drei Opferzeuginnen und über 10-monatiger Verfahrensdauer!); hier wurde inzwischen Revision durch die Staatsanwaltschaft eingelegt; ein Verfahren wird noch verhandelt und ist bereits bis September 2014 terminiert.
Bei drei Ermittlungsverfahren kam es aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Anklageerhebung bzw. wurde der Strafprozess ausgesetzt. Bei diesem Verfahren wurde der Angeklagte, der aus der deutschen Untersuchungshaft entlassen wurde, wenige Monate später wegen Menschenhandel in einem anderen EU-Land angeklagt und inzwischen dort inhaftiert. In zwei weiteren Verfahren sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.
Die Gerichtsverfahren werden teilweise über einen langen Zeitraum verhandelt, ohne dass das Ergebnis (Strafmaß) wirklich tatangemessen erscheint. Die Opfer der Zwangsprostitution dagegen leiden lebenslang an den Folgen der an ihnen begangenen Straftat(en).
18 Frauen nahmen erstmals Kontakt zu uns auf, die von Zwangsverheiratung oder Ehrverbrechen bedroht oder betroffen waren. Fünf dieser Frauen konnten wir in unsere Schutzwohnung aufnehmen; aus den Vorjahren wurden vier Klientinnen von uns weiter begleitet.
Wir hatten es dabei hauptsächlich mit zwei Gruppen von jungen Frauen zu tun: Zum einen junge Frauen, die seit vielen Jahren – manche seit ihrer Geburt – hier in Deutschland leben, hier sozialisiert sind, gut Deutsch sprechen, und meist auch einen Schul- und Berufsabschluss besitzen. Zum anderen Frauen, die keine oder nur sehr wenige Deutschkenntnisse haben, häufig über keinen eigenständigen und auf Dauer angelegten Aufenthaltstitel verfügen und sich bisher nur im familiären Umfeld frei bewegen durften.
Entsprechend dieser Konstellationen sind auch die Herangehensweise, die Hilfsangebote sowie Dauer der Unterstützung sehr unterschiedlich.
Bei der ersten Gruppe geht es v.a. darum, die Frauen in ihrer Eigenständigkeit und ihren Zielvorstellungen zu stärken, sie dabei zu begleiten und ihnen konkrete Hilfe bei Arbeits- und Wohnungssuche, sowie beim Aufbau von neuen sozialen Kontakten zu geben.
Für die zweite Gruppe ist die ausländer- und sozialrechtliche Problematik zunächst im Vordergrund und bleibt häufig für einen langen Zeitraum relevant. Erst wenn grundsätzlich der (befristete) weitere Aufenthalt in Deutschland genehmigt wird, können Deutschkurse und Integrationsmaßnahmen angegangen werden. Diese Frauen haben meist bereits jahrelang sehr viel Gewalt erleiden müssen, von der auch die Kinder betroffen waren. Sie verfügen über ein eher geringes Selbstbewusstsein und sind es nicht gewöhnt, alleine Entscheidungen treffen zu dürfen und diese auch durch zu tragen.
Beiden Gruppen gemeinsam sind Sicherheitsfragen und Schutzmaßnahmen, damit sich die Frauen (und ihre Kinder) in ihrem neuen Umfeld frei bewegen lernen und durch eigene Unvorsichtigkeit oder ihre Sehnsucht nach familiären Kontakten ihr neues Leben nicht gefährden.
Der Anteil der Frauen, die von unterschiedlichen Formen der Gewalt durch ihren Partner, ihre Familie oder durch Dritte betroffen ist oder war, ist weiterhin hoch: 22 Frauen haben sich im Jahr 2013 erstmals an uns gewandt, um sich aus Gewaltbeziehungen zu befreien. Zwei Frauen aus dem Vorjahr wurden weiter betreut.
Zum Teil informierten wir die Frauen über die Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes und begleiteten sie für die Anzeige zur Polizei. Mehrere Frauen wurden mit ihren Kindern in ein Frauenhaus vermittelt. Dieser Schritt ist für viele Frauen zunächst mit viel Angst und Ablehnung verbunden, da sie falsche Informationen oder auch Vorurteile über das Leben im Frauenhaus und die Unterstützungsformen dort haben.
Bei Frauen mit Kindern und gemeinsamen Sorge- bzw. Umgangsrecht bleibt es häufig schwierig, diese Kontakte so zu gestalten, dass sie wirklich dem Kindeswohl entsprechen und nicht zu neuen Streitigkeiten zwischen den Eltern führen.
Unserer Erfahrung nach wäre es für alle Beteiligten hilfreich, wenn zumindest für eine gewisse Zeit, Mutter und Kind(er) zur Ruhe kommen könnten, die Erwachsenen sich um eine (therapeutische) Unterstützung bemühen müssten und erst nach Klärung ihrer eigenen Probleme der Umgang mit dem Kind/den Kindern gemeinsam geregelt würde.

Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung und Kooperation
Noch immer besteht ein hoher Bedarf sowie der Wunsch nach Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu den Themen Menschenhandel/Zwangsprostitution, Zwangsverheiratung/Ehrverbrechen sowie den besonderen Schwierigkeiten von Migrantinnen in Deutschland.
Wir versuchen dabei sowohl die Situation der (jungen) Frauen möglichst konkret zu beschreiben als auch unsere gesellschaftliche Verantwortung aufzuzeigen. Nur gemeinsam ist es möglich, Verbrechen und Gewalttaten an Frauen und Kindern zu verringern und ihnen Recht zu verschaffen.
Als besondere Aktionen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung und Kooperation möchten wir folgende Veranstaltungen kurz erwähnen:

Im Bereich Vernetzung und Kooperation haben wir regelmäßig mitgearbeitet:

Dank
Ganz herzlich danken wir allen Einzelpersonen, Organisationen, kirchlichen und politischen Gruppierungen, die uns und unseren Klientinnen durch vielfältige Zeichen der Solidarität und Unterstützung – sowohl finanzieller als auch sonstiger Art – Vertrauen und neue Hoffnung geschenkt haben.

Renate Hofmann

 


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