Unverändert expandiert das Prostitutionsmilieu in Duisburg zu Lasten von Frauen, Jugendlichen und Kindern. Die Legalität der Prostitution in Deutschland gekoppelt mit dem Zuzug von neuen EU-BürgerInnen steigert kontinuierlich das Prostitutionsangebot in der Region. Dabei sinken die Preise und die Nachfrage - insbesondere nach jungen und minderjährigen Frauen und Mädchen - steigt. Dies ist ein Einfallstor für Schlepper und Schleuser, die Frauen und Mädchen in die Prostitution drängen und den Transfer organisieren.
Menschenhandel, Zwangsprostitution und Jugendhilfe
Fallbeispiel:
Bei einer Razzia in einem Bordell wurde eine junge Frau aufgegriffen. Sie war mit einem gefälschten Ausweis unter gleicher Adresse gemeldet. Bei der Vernehmung gab sie an, erst 14 Jahre alt zu sein. Sie war von einer Verwandten nach Deutschland gebracht worden, um hier im Haushalt zu helfen. Erst als sie schon in Deutschland war, stellte sich heraus, dass sie der Prostitution nachgehen musste. Sie durfte über ein halbes Jahr lang das Haus nicht verlassen. Durchschnittlich hatte sie täglich vier Kunden. Da keine Verwandten außerhalb des Täterkreises vor Ort waren, wurde die Jugendliche nach der polizeilichen Vernehmung von dem örtlichen Jugendamt in Obhut genommen. Anschließend wurde sie auf einen Jugendhilfeplatz in einer SOLWODI-Schutzwohnung aufgenommen. In Kooperation mit Jugendamt, Vormund, Botschaft, Polizei vor Ort und Polizei im Herkunftsland, Jugendamt im Herkunftsland, Rückkehrhilfe-Organisation und zukünftig betreuende Organisation/SOLWODI im Herkunftsland konnte die Rückkehr in die Familie im Herkunftsland nach einem Monat erfolgen.
Die psychische Verfasstheit einer Jugendlichen nach längerer Zeit in der sexuellen Ausbeutung/Zwangsprostitution mit Erfahrungen von Isolation, Einschüchterung, psychologischer Manipulation und suggerierter Freiheit bei fehlenden Sprachkenntnissen erweist sich für die Begleitung als besondere Herausforderung.
Die Begleitung für minderjährige Jugendliche beinhaltet: Intensive Betreuung im Alltag, intensive Begleitung und Krisenintervention, z.B. bei Beziehungsabhängigkeit vom Täter, intensive Planung der Aktivitäten und deren Begleitung, umfangreiche regelmäßige Gespräche und Beziehungsangebote, individuelle und flexible Auswahl und Ausgestaltung der Hilfen, komplexes Schnittstellen-Management und Koordination aller beteiligten Systeme.
"Loverboy-Opfer"
Nicht zuletzt werden als sogenannte "Loverboy-Opfer" auch deutsche junge Mädchen auf den Prostitutionsmarkt gebracht. Durch das Vortäuschen einer Liebesbeziehung entsteht eine Beziehungsabhängigkeit vom Täter, der das Mädchen strategisch in die sexuelle Ausbeutung/Prostitution bringt. Trotz Misshandlungen und dem Zwang, der Prostitution nachzugehen, bleiben die Mädchen häufig über eine längere Zeit bei ihrem Ausbeuter. Das Lösen aus dieser Beziehungsabhängigkeit bedarf der besonderen Aufmerksamkeit. Häufig bleibt die emotionale Bindung zum Täter auch nach der Flucht bestehen. Auch diese Opfer von Menschenhandel wurden 2013 durch SOLWODI als spezialisierte Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel und anderer Gewalt beraten, begleitet und geschützt untergebracht. Hier fehlen spezialisierte Aufklärungs- und Therapieangebote. Die Gefahr der Rückkehr in die Zwangssituation ist insbesondere dann gegeben, wenn keine oder zu wenig Aussicht auf neue Lebensperspektiven gegeben sind.
Die Begleitung von Mädchen und Frauen in der Beziehungsabhängigkeit und betroffen von posttraumatischen Belastungsstörungen bedarf eines erweiterten spezialisierten Hilfeangebotes.
Die Anzahl von Betreuungsanfragen von Frauen, die nach vielen Jahren in der Ausübung der Prostitution psychisch erkrankt sind, ist ebenfalls gestiegen. Bei offensichtlichem Vorliegen von sexueller Ausbeutung durch einen oder mehrere Täter kann mangels Aussagefähigkeit aufgrund psychischer Erkrankung wenig oder kaum Hilfe geleistet werden. Für diese von Spätfolgen betroffenen Frauen nach sexueller Ausbeutung bedarf es spezialisierter Hilfeangebote.
Öffentlichkeitsarbeit
Vielfach fehlt das Bewusstsein, dass und wie Prostitution und Menschenhandel/Zwangsprostitution zusammenhängen. Dazu wurde in Vorträgen NRW-weit über Hintergründe und Folgen von Prostitution informiert. Thema: "Frauen in Not – Mitten unter uns: Menschenhandel und Zwangsprostitution".
Helga Tauch