Aktuelle Zeitungsberichte:
Braunschweiger Zeitung vom 12.04.2013
Das Jahr 2014 war das 15. Jahr, in dem sich SOLWODI in Braunschweig engagiert. Auf Initiative und mit Unterstützung der Schwesterngemeinschaft der Hildesheimer Vinzentinerinnen konnte diese Stelle im Land Niedersachsen gegründet werden.
Seit 1999 gibt es dieses Braunschweiger Hilfsangebot für Frauen und Kinder, die von Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsverheiratung, Flucht und Verfolgung und vielen anderen Problematiken betroffen sind.
1338 Frauen aus 136 Ländern unserer Erde konnten wir seitdem begleiten.
130 Frauen und Kinder lebten in unseren Schutzwohnungen.
Schauen wir zurück in die vergangenen Jahre und auf die große „Schar“ unserer Klientinnen, empfinden wir vor allem Dank.
Dank dafür
Danke sagen wir
Stellvertretend für alle Menschen und Organisationen, die unsere 15-jährige Tätigkeit in Braunschweig durch ihren Einsatz mitgetragen haben, sollen an dieser Stelle einmal mit einem Dank aus ganzem Herzen diejenigen benannt sein, die uns all die Jahre kontinuierlich finanziell oder mit herausragendem persönlichem Einsatz unterstützten:
Neben diesem positiven Erleben von Hilfe und Unterstützung nehmen wir aus den vergangenen Jahren auch Erfahrungen anderer Art mit. Wir erlebten Begrenzungen und Ungerechtigkeiten durch unmenschlich scheinende Gesetze und Strukturen. Gegenüber den Klientinnen beobachteten wir manche Ablehnung und Vorurteile.
Vor allem die große Akzeptanz von Prostitution in unserem Land, die dadurch existierende Basis für eine „erlaubte“ Ausbeutung und Missachtung von elementaren Menschenrechten von Frauen, das „In Kauf nehmen“ ständiger Gewalt gegen Frauen, macht uns zunehmend fassungslos.
Im Berichtsjahr 2014 verzeichneten wir 82 Erstkontakte.
19 Frauen lebten im Jahr 2014 in den unserer Braunschweiger Beratungsstelle zugeordneten Schutzwohnungen.
Drei Kinder belebten das Miteinander in den Wohnungen und sorgten für spürbares Leben und manche Freude.
Fast 50 Frauen begleiten wir schon mehrere Jahre.
Mehrere Jahre dauern oft der Integrationsprozess und das Ringen um einen gesicherten Aufenthalt in unserem Land. Immer wieder erleben wir, dass es gerade für psychisch schwer belastete Frauen erst auf der Basis des „Gesichert-Seins“ möglich wird, therapeutische Schritte zu wagen.
Eine dieser Klientinnen ist Frau D., die bereits vor sieben Jahren das erste Mal zu uns in die Beratungsstelle kam. Damals befand sie sich in einer ausweglos scheinenden Situation:
Frau D. war mit zwei Söhnen nach Deutschland gezogen, nachdem sie in ihrer Heimat einen deutschen Mann kennengelernt und geheiratet hatte. Schnell prägte Gewalt das Zusammenleben. Vor allem ihre Kinder wollte Frau D. schützen. In der ukrainischen Heimat hatte sie alle Verbindungen abgebrochen, besaß dort keine Wohnung, keine Arbeit, kein Geld. Mit zwei Kindern sah sie keine Chance, sich dort ein neues, eigenständiges Leben aufzubauen. Außerdem fürchtete sie, wieder in den Einflussbereich des Kindesvaters zu kommen, der ebenfalls Frau und Kindern gegenüber gewalttätig gewesen war. Frau D. und ihre Söhnen hatten in ihrer Heimat keinen Schutz finden können.
Verzweifelt hatte sie in Deutschland versucht, ihre Ehe zu retten. Doch vor allem die ständigen Demütigungen und Beleidigungen durch ihren Ehemann konnte sie nicht mehr ertragen. Sie hatte gehofft, wenigstens die Kinder vor Gewalt schützen zu können. Allmählich erkannte sie jedoch, dass auch die Söhne unter den Übergriffen litten, die ihre Mutter ertrug. Für ihre Kinder hatte Frau D. gehofft, sie würden in Deutschland eine gute Zukunft haben können. Beide Jungen hatten sich gut integriert, waren lernbegierig und hatten Freunde gefunden.
Mit großer Angst vor der ungesicherten Zukunft traf Frau D. nun die Entscheidung, sich von ihrem gewalttätigen Ehemann zu trennen. Nach bestehender Gesetzeslage musste die Frau mit den zwei Kindern nach der Ehescheidung ausreisen, sollte es ihr nicht gelingen Arbeit zu finden, um sich und die zwei Kinder zu finanzieren.
Unterstützt durch muttersprachliche Beratung und zeitintensive Begleitung unserer Kollegin Katharina Geck, fand Frau D. eine kleine Wohnung und zwei Teilzeit-Arbeitsstellen. Wir vermittelten ihr eine Rechtsanwältin für Familienrecht und führten gemeinsam mit der Klientin viele Gespräche und Telefonate mit behördlichen Stellen und halfen ihr beim Ausfüllen von Anträgen. Das Wesentliche, so sagt Frau D. heute, war, dass sie wusste: „Du bist nicht allein. Da ist jemand, der mit dir kämpft, nach Lösungen sucht. Da ist jemand, wenn du nicht mehr weiter kannst.“
Heute, nach sieben Jahren kann sie stolz zurückblicken. Sie hat einen sicheren Arbeitsplatz und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht für sich und die Kinder. Der älteste Sohn ist im zweiten Berufsausbildungsjahr, der jüngste Sohn hat die Zusage für einen Ausbildungsplatz bekommen. Vor Kurzem sagte sie uns: „Ich bin sehr glücklich. Was hätte ich wohl gemacht, wenn ich nicht zu SOLWODI gefunden hätte. Ich war plötzlich nicht mehr allein.“ Wir freuen uns sehr, dass Frau D. und ihre Söhne sich nun sicher fühlen dürfen. Sie haben viel Kraft und Mut investiert.
Die Situation von zwei jungen Frauen (24 und 21 Jahre alt), die nach Jahren zu uns „zurückkamen“, bewegte uns ebenfalls sehr:
Beide suchten wieder näheren Kontakt zu uns. Ihre Mütter hatten mit ihnen vor Jahren, als Elka* und Lilien* noch Kinder waren, bei uns gewohnt. Beide Mütter leiden an schwerer psychischer Belastung und Erkrankung. Bei Elka haben wir in all den Jahren erlebt, dass sie manches Mal verzweifelt um ein besseres Verhältnis zu ihrer Mutter kämpfte, die nicht fähig war, auf die Tochter und deren Ängste und Bedürfnisse einzugehen.
Im Februar und März 2014 standen beide junge Frauen vor unserer Tür und baten um Unterstützung beim Aufbau eines von den Eltern unabhängigen Lebens. Etwa ein halbes Jahr wohnten Elka und Lilien in einer unserer Wohnungen. Nun sind sie wieder ausgezogen: Elka, die immer wieder durch große Ängste vor dem Alleinsein belastet ist, in eine WG, Lilien in eine eigene kleine Wohnung.
Nach fünfzehn Jahren zeigt sich uns sehr deutlich: Die Folgen von erlebter Gewalt reichen in die nächste Generation. Kinder, deren Mütter Opfer von Gewalt geworden sind, bedürfen einer besonderen Beachtung und benötigen viel Unterstützung in ihrer Entwicklung und Verselbständigung.
2014 absolvierten fünf Studentinnen des Fachbereichs Soziale Arbeit der Fachhochschule Ostfalia Praktika bei SOLWODI in Braunschweig. Begleitet wurden die Praktika durch unsere Kollegin Luca Lehmann. Am Anfang jeder Praktikumszeit steht eine intensive theoretische Einarbeitung, die vielseitigen Themenbereiche betreffend, mit denen wir uns in der praktischen Arbeit befassen.
Dabei kristallisieren sich jeweils Schwerpunkte und Projektarbeiten für die Einsatzzeit heraus. Schwerpunkte innerhalb der Praktika waren z.B. Begleitung einzelner Frauen während der Schwangerschaft, Unterstützung in Integrationsprozessen und Erarbeitung von Workshop-Materialien.
Praktikantin Laura Veigel mit der kleinen Sofie*, 10 Stunden alt. Sofies Mutter kam im siebten Monat ihrer Schwangerschaft zu uns. Bis zu diesem Zeitpunkt musste sich Maja* prostituieren. Maja war weder gemeldet noch hatte sie eine Krankenversicherung. Laura übernahm Begleitungen zu Ärzten und Behörden. Durch die rechtliche Klärung ihrer Situation und durch den intensiven Kontakt gelang Maja der Ausstieg.
*Namen geändert