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5.1 Opfer von Menschenhandel im Ausländerrecht

Frauen aus anderen EU-Ländern halten sich aufgrund der Niederlassungsfreiheit nicht widerrechtlich im Bundesgebiet auf, sofern sie nicht sogar eine Beschäftigungserlaubnis haben. Sie machen sich daher nicht strafbar, wenn sie im Bundesgebiet der Prostitution nachgehen und sie können grundsätzlich auch nicht abgeschoben werden. Insofern war die Osterweiterung der EU ambivalent: Einerseits hat sie den ausländerrechtlichen Status der Frauen verbessert. Andererseits konnte die Polizei bei einer Razzia früher die Frauen wegen des Verdachts einer ausländerrechtlichen Straftat mitnehmen und von den Zuhältern trennen. Auf diese Weise konnten die Frauen im geschützten Rahmen der Polizeidienststelle befragt und gegebenenfalls Erkenntnisse über den Menschenhandel gewonnen werden.

Der ausländerrechtliche Status von Drittstaatsangehörigen ist dagegen problematisch. Frauen aus Nicht-EU-Ländern haben in der Regel keine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis. Schon ihre Einreise ist zumeist illegal. Für eine Schleusung liegt das auf der Hand. Aber auch ein Touristenvisum gilt als von Anfang an unwirksam, wenn die Frau zur Ausübung der Prostitution eingereist ist. Ihr Aufenthalt und ihre Tätigkeit im Inland sind deshalb rechtswidrig und regelmäßig auch strafbar. Wenn sie bei einer Razzia von der Polizei aufgegriffen werden, droht ihnen deswegen die Abschiebung.

Ergeben sich für die Strafverfolgungsbehörden Anhaltspunkte dafür, dass eine Frau Opfer von Menschenhandel sein könnte, wird diese Information an die zuständige Ausländerbehörde weitergegeben. Nach § 59 Abs. 7 AufenthG (http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__59.html) muss der betroffenen Frau eine Frist von drei Monaten für die Ausreise eingeräumt werden, damit sie in dieser Zeit überlegen kann, ob sie bereit ist, gegen die Täter oder Täterinnen vor Gericht auszusagen. Außerdem steht ihr in diesem Zeitraum eine Betreuung durch eine Fachberatungsstelle zu. Beim Ablauf der Bedenkzeit sind folgende Szenarien möglich:

- Wenn die Ermittlungsbehörden die Frau nicht als Zeugin für ein Strafverfahren benötigen – etwa weil ihre Angaben zu unpräzise sind oder weil die Täter nicht verfolgt werden können (z.B. Immunität) – oder wenn die Frau nicht zur Aussage bereit oder fähig ist, dann muss sie ausreisen.

- Wenn die Frau aussagebereit ist, aber in ihr Heimatland zurückkehren möchte, kann sie als Zeugin vernommen werden – am besten durch einen Ermittlungsrichter. Diese Vernehmung ist aber nur dann verwertbar, wenn Tatverdächtige bzw. ihre Verteidiger anwesend sind und ebenfalls Fragen stellen können. In der Regel werden sich die Strafverfolgungsbehörden darum bemühen, dass sie später wieder zur Zeugenaussage in der Hauptverhandlung nach Deutschland einreisen kann.

- § 25 Abs. 4a AufenthG (http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__25.html) enthält einen vorübergehenden Aufenthaltstitel für die Dauer des Strafverfahrens. Allerdings müssen die Staatsanwaltschaft oder das Gericht ihre Aussage als erheblich ansehen. In dieser Zeit wird die Frau weiterhin von der Fachberatungsstelle betreut. Einen Rechtsanspruch auf Aufenthalt hat die betroffene Frau nicht.

- Wenn eine Frau in seltenen Fällen in ein polizeiliches Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird, darf sie nach § 72 Abs. 4 AufenthG (http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__72.html) nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle abgeschoben werden.

Eine gute Zusammenarbeit von Fachberatungsstellen und Polizei ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass Opfer als solche identifiziert werden. Denn oftmals haben die Frauen aufgrund schlechter Erfahrungen mit Polizei und Justiz in ihren Heimatländern großes Misstrauen gegenüber den deutschen Behörden. Es ist daher wichtig, dass Mitarbeiterinnen von nichtstaatlichen Fachberatungsstellen frühzeitig von der Polizei hinzugezogen werden, um die Frauen zu stabilisieren und ihnen während der Phase des Vertrauensaufbaus Schutz und Beratung anzubieten. In fast allen Bundesländern gibt es mittlerweile Kooperationskonzepte zwischen Fachberatungsstellen und Polizei, die die Zusammenarbeit regeln sollen. Trotz aller Schwierigkeiten bei der konkreten Umsetzung haben sich die Kooperationskonzepte auch schon positiv auf die Beratung und den Schutz von Menschenhandelsopfer ausgewirkt. werden.

Kooperationskonzept Deutschland   Kooperationskonzept Rheinland-Pfalz

Gleichwohl bleibt ein großes Defizit bestehen: Der Aufenthalt ist an die Strafverfolgung geknüpft und lässt die Interessen der Opfer völlig außer Acht. Wenn das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, müssen sie in aller Regel wieder ausreisen (s. § 52 Abs. 5 AufenthG ) – zurück in die desolaten Bedingungen in ihrer Heimat, die sie erst in die Fänge der Menschenhändler geraten ließen. Zwar sieht § 25 Abs. 3 AufenthG ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen vor, wenn der betroffenen Frau in ihrem Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit droht. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus. Es ist aber für die Betroffenen kaum möglich, diese Voraussetzungen nachzuweisen. Nach § 25 Abs. 4 AufenthG  kann ein vorübergehender Aufenthalt aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen gewährt und verlängert werden, solange eine Ausreise eine außergewöhnliche Härte wäre. Diese Vorschrift betrifft aber nur Personen, die nicht vollziehbar ausreisepflichtig sind, ist also nicht anwendbar bei der großen Masse der Menschenhandelsopfer, die entweder illegal eingereist sind oder deren Aufenthalt aufgrund der nichtgenehmigten Ausübung der Prostitution illegal geworden ist.

Ein Vorbild für ein "humanitäres Aufenthaltsrecht" für Opfer von Frauenhandel unabhängig von einem Strafverfahren gegen die Täter ist das "T-Visum" nach dem italienischen Modell (s.  Petrini  in: On the road (Hrsg.), Article 18: Protection of victims of trafficking and fight against crime, research report, 2002, S. 190 ff.;  www.ontheroadonlus.it.: Voraussetzung ist, dass die Polizei den Opferstatus festgestellt hat. Nach der Teilnahme an einem staatlich kontrollierten Integrationsprogramm, die von den Fachberatungsstellen organisiert wird, kann eine Frau sogar einen unbefristeten Aufenthaltstitel erhalten, wenn sie eine Beschäftigung nachweist.

Ein derartiges humanitäres Aufenthaltsrecht nach italienischem Vorbild wird nicht nur schon lange von den Fachberatungsstellen gefordert, sondern entspräche auch internationalen Standards des Menschenrechtsschutzes. Nach Art. 12 Abs. 6 der Europaratskonvention Nr. 197 (Convention on action against trafficking in human beings vom 16. 5. 2005) http://conventions.coe.int/Treaty/EN/Treaties/Html/197.htm  soll die Unterstützung der Opfer gerade nicht von ihrer Bereitschaft abhängen soll, mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren. Deshalb fordert Art. 14 Abs. 1 lit. a einen weiteren Aufenthalt des Opfers über das Strafverfahren hinaus, der sich allein an seiner Lage orientiert. Diese Festschreibung eigenständiger Opferrechte unabhängig von irgendwelchen Bezügen zu staatlichen Strafverfolgungsmaßnahmen entspricht der grundlegenden Bedeutung von Menschenrechten, die nicht etwa als Prämien für ein bestimmtes Verhalten gewährt werden, sondern einer Person gerade und ausschließlich deshalb zukommen, weil sie Mensch ist. Daher kann der menschenrechtliche Anspruch eines Opfers von Menschenhandel auf Hilfe und Unterstützung nicht von seiner illegalen Einreise oder seiner Kooperationsbereitschaft mit den staatlichen Behörden abhängen.

 



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