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von Karthika Iyengar
"Ich schreibe für die Frauen, die nicht sprechen können; für all diejenigen, die keine Stimme haben, weil sie Angst haben; weil wir gelehrt wurden, Furcht mehr zu respektieren als uns selbst. Wir wurden gelehrt, dass das Schweigen uns rettet, doch das tut es nicht." Audre Lorde, Schriftstellerin
Für Frauen in Indien ist Angst ein ständiger Begleiter. Kleine Mädchen haben Angst allein auf die Straße zu gehen, junge Frauen haben Angst vor sexuellen Übergriffen. Die Angst ist ständig präsent und sie wird begleitet von erdrückendem Schweigen. Schon kleinen Mädchen wird beigebracht, dass sie als Frau nicht ihre Stimme erheben dürfen – auch dann nicht, wenn ihnen Unrecht getan wurde.
Ich erinnere mich daran, wie ich als kleines Mädchen nach Sonnenuntergang nicht mehr allein auf die Straße gehen oder figurbetonte Kleidung tragen durfte. Als ich im College studierte, musste ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln pendeln. Das war eine erschütternde Erfahrung für mich. Immer wieder gab es sexistische Witze, Grabschereien, Belästigungen, Beleidigungen von vielen Männern. Das Schlimmste war, dass sie auch nicht aufhörten, wenn ich schrie. Viele Leute sahen all das mit an, doch sie halfen nicht. Um den Belästigungen zu entgehen, begann ich mit meinem eigenen Auto zum College zu fahren. Ich hatte so viel Glück, dass ich mir einen eigenen Wagen leisten konnte. Viele andere können das nicht.
Täglich lese ich in den Zeitungen über die Vergewaltigungen, die sexuelle Ausbeutung von Mädchen, körperlichen und emotionalen Missbrauch, Mitgiftmorde. Darüber bin ich fassungslos und oft den Tränen nahe. Ich frage mich: "Was ist das für eine Welt?". Ich habe eine achtjährige Tochter. Jeden Tag habe ich Angst, wenn sie in die Schule geht und bin erleichtert, wenn sie wieder zu Hause ist. Die Angst der Frauen in Indien ist aber nicht nur Angst vor Gewalt, sondern auch Zukunftsangst. Die Geschlechterrollen sind in Indien sehr klar definiert: Von Jungen wird erwartet, dass sie tapfer und mit Kampfgeist gewappnet sind, während Mädchen gehorsam und folgsam sein sollen. Diese Erwartung an die Frau erschwert ihre Teilhabe am sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben enorm. Eine Frau, die Karriere machen möchte, wird demotiviert. Und so bleibt bei vielen Inderinnen die Angst vor einer ungewissen Zukunft. Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Erwerbsleben sind groß: An vielen Orten fehlt es weitgehend an Chefinnen und in der Welt der Technik sind Frauen ebenfalls unterrepräsentiert. In vielen Fällen werden Frauen nach der Hochzeit gezwungen, zu Hause zu bleiben und sich um die Familie und den Ehemann zu kümmern. Meine Großmutter war eine Hausfrau und meine Mutter auch, obwohl beide gut gebildet sind. Es war einfach das Verständnis der indischen Gesellschaft, dass die Frau zu Hause bleibt.
Diese Situation hat sich jedoch über die Zeit ein wenig verändert. In meinem Fall war meine Ausbildung genauso gut wie die meines Bruders und ich hatte ebenfalls die Gelegenheit, einen Beruf auszuüben. Ich bin verheiratet und mein Mann ist einer der wenigen Männer, die denken, dass auch eine Frau Karriere machen sollte. Deswegen bin ich heute als deutsche Übersetzerin in einer IT-Firma tätig. Mein Mann ist ein Fels in der Brandung für mich. Doch nicht alle Frauen genießen so viel Freiheit wie ich.
Meines Erachtens hat die neue Generation der gebildeten Frauen trotzdem bessere Chancen. Sie können beispielsweise freier ihre Meinungen äußern als die Generationen ihrer Mütter und Großmütter. Das ist ein ermutigendes Zeichen. Auch ich habe mehr Freiheiten als meine Mutter oder meine Großmutter hatten. Ich bin jetzt in der Lage, alle wichtige Entscheidungen (z.B. welches Haus ich kaufe oder wie und wo ich Geld spare) zu treffen. Meine Mutter und Großmutter hatten solche Freiheit nicht. In allen großen Städten in Indien kann man heute sehen, dass die Frauen unabhängiger geworden sind. Sie schrecken nicht davor zurück, mit einem Mann auszugehen oder allein in der Kneipe ein Bier zu genießen. Auch akzeptieren es heute einige Männer, wenn Frauen karriereorientiert sind und sind auch bereit, sie zu unterstützen. Allerdings ist der Anteil der Männer, die diese veränderte Rollenverteilung akzeptieren sehr gering.
Ist es schön eine Frau in Indien zu sein? Die Antwort lautet: Obwohl die Frauen in Indien in diesem Jahrhundert einen langen Weg zurückgelegt haben, ist die wirkliche Freiheit – Freiheit eigene Entscheidungen zu treffen, Freiheit einen Lebenspartner selbst zu wählen oder Karriere zu machen – für die meisten Frauen und Mädchen in Indien immer noch ein Traum. Ich träume von einer Zukunft, in der die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht nur gepredigt, sondern auch gelebt wird. Die Befreiung der Frau ist in Indien noch in weiter Ferne. Trotzdem blicke ich hoffnungsvoll in die Zukunft und bin zuversichtlich, dass Indien ein besserer Ort wird – auch für Frauen. Ein besserer Ort für meine Tochter, die in nicht allzu ferner Zukunft eine Frau in Indien sein wird.
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