»Der Herr wird dich mit seiner Güte segnen« (GL 452)
Worte von Helmut Schlegel; Melodie von Thomas Gabriel
Liedportrait von Meinrad Walter
Segen – das ist eine biblische Grundmelodie. Und dieses Lied, das zum 25-jährigen Jubiläum des Amts für Kirchenmusik der Erzdiözese Freiburg entstanden ist, variiert das Segensthema in sieben Strophen. So können wir uns den Segen gegenseitig zusingen oder uns am Ende eines Gottesdienstes auf den Segen singend einstimmen. Der Textautor Pater Helmut Schlegel (geb. 1943) leitet als Priester und Franziskaner seit 2007 das „Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität Heilig Kreuz“ des Bistums Limburg in Frankfurt-Bornheim. Thomas Gabriel (geb. 1957) wirkt als Kirchenmusiker des Bistums Mainz in Seligenstadt. Er tritt mit dem Thomas-Gabriel-Trio auf und hat zahlreiche Lieder und Oratorien komponiert.
Die spirituelle Tonart dieses Liedes ist biblisch. Im alttestamentlichen Buch Numeri steht der „Aaronitische Segen“. Er heißt so, weil Aaron, der Bruder des Mose, das Volk mit diesen Worten segnen soll: „Der Herr sprach zu Mose: Sag zu Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr die Israeliten segnen; sprecht zu ihnen: Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil. So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen und ich werde sie segnen.“ (Numeri 6,22–27)
Diese Worte bilden den Kehrvers des Segensliedes. Die Strophen sind nichts anderes als Variationen dazu. Mit der Schöpfung (Genesis) und der persönlichen Namensgebung beginnt es. Das Lied erinnert an Gottes Zusage gemäß Jesaja 14,16: „Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände.“ Deshalb stehen wir geschrieben in Gottes Hand (Strophe 1). Die Erhaltung ist Thema der zweiten Strophe, wiederum ausgehend von einem biblisch-liturgischen Zitat, das in der Formulierung „Vollenden möge er, was du begonnen“ aufklingt. In der Liturgie der Priesterweihe und beim Begräbnis heißt es: „Gott selbst vollende das gute Werk, das er in dir begonnen hat.“ Der biblische Bezug findet sich im Philipperbrief des Apostels Paulus: „Ich vertraue darauf, dass er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu.“ (Philipper 1,6)
Leben, Wachstum, Schutz, Licht, Atem, Geist und Frieden – das sind die Segensthemen der sieben Strophen. Die ersten drei Verse beschreiben Gottes segnendes Handeln, indem sie es dem Menschen zusprechen. Ab der vierten Strophe tritt zum Handeln Gottes jeweils ein Impuls für das eigene Tun. Segen empfangen ist das Eine. Hinzu kommt das Weitergeben, ohne das der Segen unfruchtbar bliebe. Der Gesegnete wird zum „Werkzeug für Gott in dieser Zeit“. Hier steht poetisch nicht die Bibel Pate, sondern das Zweite Vatikanische Konzil, das die Kirche „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ nennt (Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“).
Strophe 5 ergänzt die Zuwendung des Segens mit der Abwendung des Unheilvollen: „und lösche aus, was dich von ihm entzweit“. Wenn diese Last genommen ist, kann der Mensch neu aufatmen. Die vorletzte Strophe bringt eine weitere wichtige Ergänzung. „Der Herr wird dich mit seiner Güte segnen“ könnte individualistisch missverstanden werden: Gott und ich, sonst nichts! Das aber wäre falsch, weil das Ich ja in der Gemeinschaft des Wir steht – was beim Singen immer besonders deutlich wird. Im Hintergrund wieder eine biblische Einsicht: Der Geist stiftet Gemeinschaft, was der Apostel Paulus „Koinonia“ nennt. Im Wort „Friede“ (Strophe 7) sind alle Aspekte versammelt. Segen empfangen heißt: mit Friede erfüllt sein, so dass das Empfangen zum Weiterschenken wird: „… dass selber du zum Frieden bist bereit.“