Liturgisches Jahrbuch 4/2020
Inhalt der Ausgabe 4/2020
Editorial
ZU DIESEM HEFT
Alexander Zerfaß
Gottesdienst in Zeiten der Pandemie. Die deutschsprachige Liturgiewissenschaft im Studienjahr 2019/20
Monika Unzeitig
Reiseberichte als liturgiegeschichtliche Quellen. Sigismund von Herbersteins Russlandreisebericht und sein Blick auf die russisch-orthodoxe Religion
Alexander Deeg
Hermeneutica prima. Eine evangelische Wahrnehmung von Marco Beninis »Liturgische Bibelhermeneutik. Die Heilige Schrift im Horizont des Gottesdienstes«
Albert Gerhards
Tisch und Altar, Versammlungsraum und Tempel. Über die Vereinbarkeit der Gegensätze im christlichen Gottesdienst
Tobias Weyler
»Wie forschst du eigentlich?« – Aufgaben und Methoden der Liturgiewissenschaft. Bericht von der Jahrestagung der AKL-Junior vom 5. bis 8. März 2020 in der Abtei Münsterschwarzach
Inhalt 2020
Editorial 4/2020: ZU DIESEM HEFT
Das gottesdienstliche Leben sieht sich in diesen Wochen und Monaten vor großen Herausforderungen. Da sind einerseits die unmittelbaren Auswirkungen der Covid 19-Pandemie, die massiv in die liturgische Praxis eingreifen. Eng begrenzte Teilnehmerzahl, Abstand, Maskenpflicht bestimmen das Bild. Kommunikative Formen der Feier sind drastisch reduziert oder ganz untersagt. Das Brotbrechen und der Friedensgruß werden stilisiert, die Kommunion unter beiden Gestalten ist faktisch verboten. Die Vielfalt der liturgischen Dienste tritt zurück, Gemeindegesang ist nur in sehr begrenztem Umfang erlaubt, soll aber am besten unterbleiben. Nicht weniger virulent spiegelt sich das Leben mit dem Virus in der liturgiewissenschaftlichen Debatte. Einzelzelebration und Stiftungsauftrag oder digital vermittelte Teilnahme und neue gottesdienstliche Formate sind nur Beispiele der gegenwärtig diskutierten Themen. Wenn der Eindruck nicht täuscht, treten durch die Pandemie Fragen, Probleme und Herausforderungen wie in einem Brennglas deutlich in Erscheinung. Auch über die Corona-Krise hinaus stehen damit Aufgaben an, denen sich die Liturgiewissenschaft annehmen muss und die hinsichtlich der gottesdienstlichen Praxis kritisch zu reflektieren sind.
Verschärfend kommt andererseits die Auseinandersetzung mit dem Klerikalismus in der Liturgie hinzu. Auch dies wird keineswegs mit einigen äußeren Korrekturen in den liturgischen Normen zu erledigen sein. Tiefgreifende Fragen stehen hier an, wie die digitale Tagung der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz, »Gottesdienst und Macht. Klerikalismus in der Liturgie«, Ende Oktober 2020 gezeigt hat. Sie war allerdings ein sehr positives Beispiel dafür, wie bei allen theologischen Differenzen im Einzelnen eine in die Zukunft gerichtete, die verschiedenen Seiten wertschätzende Diskussion aussehen kann.
Von diesen »Großthemen« ist die deutschsprachige Liturgiewissenschaft gegenwärtig beherrscht, wie Alexander Zerfaß (Salzburg) als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft katholischer Liturgiewissenschaftlerinnen und Liturgiewissenschaftler (AKL) in der Einleitung zum diesjährigen Bericht hervorhebt. Er gibt Einblicke in die Aktivitäten der Sektionen und der einzelnen Lehrstühle und vermittelt einen Eindruck vom Bemühen, auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren.
Neben den jährlichen Bericht der AKL tritt ein liturgiehistorischer Beitrag aus germanistischer Perspektive. Monika Unzeitig, Inhaberin des Lehrstuhls für Ältere deutsche Sprache und Literatur an der Universität Greifswald, stellt einen Bericht über eine Russlandreise im 16. Jahrhundert vor, der gottesdienstliche Phänomene schildert. Mithilfe dieses Beispiels fragt sie nach der Rolle von Reiseberichten für die Liturgiegeschichtsforschung und gibt Hinweise zu einer sachgemäßen Interpretation dieser Literaturgattung. Entstanden ist der Beitrag aus einem Impulsvortrag, den die Autorin im Rahmen des Erfurter Fachgesprächs zu »Zeugnissen liturgischer Praxis im 18. und 19. Jahrhundert« gehalten hat.1
Weitere Beiträge blicken auf Forschungsliteratur und Tagungen. Alexander Deeg (Leipzig) würdigt die monographische Studie von Marco Benini zur »Liturgischen Bibelhermeneutik« und plädiert dafür, die gottesdienstliche Feier als »hermeneutica prima« der Schrift wahrzunehmen. Schließlich berichten Albert Gerhards (Bonn) von der – wie nun bekannt wurde – letztmaligen Kirchenbau-Tagung 2019 im piemontesischen Kloster Bose, die über neue Fragen zum Altar handelte, und Tobias Weyler (Würzburg) von der (noch kurz vor dem ersten Lockdown stattgefundenen) Tagung der AKL-Junior in der Abtei Münsterschwarzach im März 2020, bei der über die Methodenvielfalt liturgiewissenschaftlicher Forschung diskutiert wurde.
1 Vgl. die Dokumentation in Heft 1/2020.