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Maria Wachendorf war eine der führenden Vertreterinnen der Montessori-Pädagogik in Deutschland nach 1945. Es war ihr Mitverdienst, dass die Pädagogik von Maria Montessori (1870-1952) vor allem in den katholischen Kindergärten breiten Eingang gefunden hat. Sie war die erste Fachberaterin für katholische Kindergärten und baute vor allem in den Diözesen Aachen und Köln das katholische Kindergartenwesen zielstrebig aus und sorgte für dessen pädagogische (montessorianische) Qualifizierung. Heute ist sie ungeachtet ihrer Verdienste fast unbekannt.
Gertrud Helene Maria wurde am 18.12.1913 als fünftes von sechs Kindern des Groß- und Einzelhandelskaufmanns Wilhelm Hubert Wachendorf und dessen Ehefrau Maria Gertrud, geborene Heiliger, in Düsseldorf geboren. Unmittelbar nach ihrer Geburt übersiedelte die Familie nach Aachen, wo der Vater ein Eisenwarengeschäft übernahm. Als Maria drei Jahre alt war, fiel der Vater im Ersten Weltkrieg in Nordfrankreich. Die Mutter, die den Betrieb mit Hilfe ihrer Schwester und von Angestellten bis Anfang der 1930er Jahren weiterführte, achtete auf eine katholische Erziehung und Bildung ihrer Kinder. Schon ab dem Alter von etwa zehn Jahren kümmerte sich Tochter Maria mit bemerkenswertem Eifer um das Wohlergehen anderer, meist jüngerer Kinder. Nach Abschluss der Bürgerschule absolvierte sie das Lyzeum St. Leonhard (heute St. Leonhard Gymnasium) und anschließend 1930-1932 am Fröbelseminar (Sozialpädagogisches Seminar) unter der Leitung von Helene Helming (1888-1977) die Ausbildung zur Kindergärtnerin und Hortnerin. Die Schulleiterin war eine überzeugte Montessorianerin, weshalb Maria Wachendorf für Montessori-Pädagogik zuerst durch ihre Ausbildung am Aachener Fröbelseminar und nicht zuletzt durch ihre Freundschaft zu Helene Helming, die bis zu deren Tod 1977 währte, geprägt. Nach Abschluss ihrer Ausbildung arbeitete die junge Kindergärtnerin in vorschulischen Einrichtungen und Horten in Aachen.
Nach drei Jahren praktischer Erfahrung entschied sich Maria Wachendorf für die Jugendleiterinnenausbildung, die sie ebenfalls am Sozialpädagogischen Seminar in Aachen absolvierte. Dort erlebte sie, wie ihre geliebte Lehrerin Helene Helming am 3. 12.1935, erst 47 Jahre alt, zwangsweise in den Ruhestand geschickt wurde. Im Anschluss an ihre Ausbildung begann Maria Wachendorf ihre berufliche Tätigkeit in Köln als Fachberaterin beim „Zentralverband Katholischer Kinderhorte und Kleinkinderanstalten Deutschlands e.V.“, dem heutigen "Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e.V." Dort war sie bis zur Zerstörung der Dienststelle durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg tätig. Während der Jahre 1933-1945 setzte sie sich mutig für die Vertiefung und Verfestigung katholischen Gedankenguts und Lebens im Kindergarten ein.
Nach dem Ende des „Dritten Reiches“ half Maria Wachendorf beim Wiederaufbau des Zentralverbandes und arbeitete wieder als Fachberaterin für die katholischen Tageseinrichtungen in Köln und in der Diözese Aachen. Das ermöglichte es ihr, sich verstärkt für die Einführung der Montessori-Pädagogik in den Kindergärten der beiden Bistümer einzusetzen. Um dafür professioneller agieren zu können, absolvierte sie den ersten Internationalen Montessori-Kurs nach 1945, der vom 24. 4.-15.8.1954 in Frankfurt am Main stattfand. In dieser Zeit wurde in Anwesenheit von Mario Montessori (1898-1982), Sohn von Maria Montessori, die „Katholische Arbeitsgemeinschaft für Montessori-Pädagogik“ ins Leben gerufen, um die katholisch-christlichen Elemente in der Pädagogik Montessoris voller und tiefer zu erfassen und zu praktizieren. Daraus ging die „Montessori-Vereinigung e.V. Sitz Aachen“ hervor. Die Aachener Vereinigung schloss sich mit Unterstützung von Maria Wachendorf dem „Montessori-Verein Berlin“ und der „Deutschen Montessori-Gesellschaft“ in Frankfurt am Main zur „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Montessori-Vereinigungen“ zusammen, die sich später zur „Aktionsgemeinschaft Deutscher Montessori-Vereine e.V.“ mit vielen Elternvereinen erweiterte. Maria Wachendorf gehörte dem Vorstand dieser Vereinigungen seit dem Gründungsjahr 1954 an und war bis 1980 deren Geschäftsführerin.
1954 wurde sie beauftragt, im katholischen Kindergarten St. Agnes in Köln den Aufbau und die Leitung einer Montessori-Gruppe zu übernehmen und schuf sie damit das erste entsprechende Modell im rheinischen Raum. Acht Jahre später wechselte Maria Wachendorf auf Wunsch von Caritasdirektor Prälat Peter Firmenich (1905-1977) von Köln nach Aachen, wo sie ihre Tätigkeit als Fachberaterin für Tageseinrichtungen im Caritas-Verband weiterführte und das katholische Kindergartenwesen zielstrebig ausbaute und pädagogisch qualifizierte. Dazu erweiterte sie als eine der ersten Diözesanreferentinnen das zuständige Fachreferat im Diözesanverband, lange bevor die Gemeinsame Synode der Bistümer Deutschlands den systematischen Ausbau eines Fachberatungssystems für alle katholischen Tageseinrichtungen für Kinder forderte.
Als Frucht ihrer langjährige Erfahrung in der Kleinkindpädagogik veröffentlichte Maria Wachendorf 1963 zusammen mit Helene Helming das seinerzeit hochgeschätzte Buch „Der religionspädagogische Auftrag der Kindergärtnerin“. Die Autorinnen hoben hervor, dass die Kindergärtnerin für die religiöse Erziehung des Kindes stärker mitverantwortlich sei als früher und darum das Niveau des Kindergartens gehoben, die Bildung der Kindergärtnerin erweitert und ihre Religiosität vertieft werden müsse. Nach 46 Dienstjahren ging Maria Wachendorf in den Ruhestand (1978). Auch danach setzte sie sich weiter aktiv für die Montessori- und Kleinkindpädagogik ein. So gehörte sie bis 1996 dem Redaktionskreis der Zeitschrift „Montessori“ an. Die verdienstvolle Pädagogin starb am 30.4.1998 in Aachen.
Schriften
Erwägungen beim Einkauf von Weihnachtsspielzeug, in: Kinderheim 1938/H. 6, S. 163-166.
Sprüche und Lieder zu nationalen Feiern, in: Kinderheim 1939b/H. 2, S. 36-41.
Dürers Mutter, ein Bildbetrachtung mit Hortkindern zum Muttertag, in: Kinderheim 1939/H. 2, S. 34-36.
Pfingstfeierstunde mit Hortkindern als Vorbereitung auf die heilige Firmung, in: Kinderheim 1939/H. 3, S. 72-75.
Spielzeug im Frühling und Sommer, in: Kinderheim 1939/H. 3, S. 75-78.
Heut ist ein freudenreicher Tag, daß man den Sommer gewinnen mag, in: Kinderheim 1939/H. 4, S. 96-100.
Zur Verehrung der Engel und Heiligen in Kindergarten, Hort und Heim, in: Kinderheim 1939a/H. 5, S. 115-120.
Auch wir Kinder helfen sparen. Erziehung zur Sparsamkeit und Materialverwertung in Kindergarten und Hort, in: Kinderheim 1940a/H. 1, S. 17-19.
Der allgemeine deutsche Kindergarten. Zum 18. Juni 1940, in: Kinderheim1940b/H. 1, S. 21-26.
Die Mutter führt ihr Kind zur Maria, in: Kinderheim 1948/H. 5, S. 127-135.
Fröbeljahr 1952, in: Kinderheim 1952/H. 1, S. 6-12.
Bilderbücher für unsere Kinder, in: Kinderheim 1954/H. 6, S. 238-239.
Bericht über die Montessori-Gruppe im Kindergarten St. Agnes, Köln, Stromstraße, in: Kinderheim 1956/H. 2, S. 90-93.
Die Pflege der tätigen Beziehung zur Natur, in: Kinderheim 1962/H. 2, S. 88-92.
[zusammen mit] Helming, Helene, Der religionspädagogische Auftrag der Kindergärtnerin. Ein Handbuch für die religionspädagogische Arbeit der Kindergärtnerin. Mit Vorschlag eines Lehrplanes für Fachschulen, Düsseldorf 1963.
Religiöse Erziehung, in Montessori-Werkbrief 1963/Nr. 1, S. 6-8.
Kinder erforschen die Welt, in: Montessori-Werkbrief 1963/Nr. 1, S. 11-16.
Eine Ausstellung mit besonderem Charakter, in: Montessori-Werkbrief 1971/Nr. 8, S. 14-17.
Fröbelseminar Aachen, in: Montessori-Werkbrief 1972/Nr. 9, S. 12-13.
Zum 70. Geburtstag von Luise Raskin, in: Montessori-Werkbrief 1979/Nr. 16, S. 30.
Über die Anfänge unserer „Montessori-Vereinigung“, in: Montessori-Werkbrief 1985/Nr. 23, S. 111-113.
Literatur (Auswahl)
Berger, Manfred, Der Kindergarten im Nationalsozialismus.„Drum beten wir deutschen Kinder: Den Führer erhalte uns Gott“. Ein Beitrag zur Geschichte der öffentlichen Kleinkinder-/Kindergartenpädagogik in den Jahren 1933 bis 1945, Göttingen 2019.
Berger, Manfred, Wachendorf, Gertrud Maria Helene, in: Bautz, Traugott (Hg.), Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 22, Nordhausen 2003, Sp. 1483-1490.
Raskin, Luise, Maria Wachendorf – eine Würdigung zum 70. Geburtstag (1983), in: Ludwig, Harald/Fischer, Christian/Fischer, Reinhard (Hg.), Montessori-Pädagogik in Deutschland. Rückblick – Aktualität – Zukunftsperspektiven: 40 Jahre Montessori.-Vereinigung e.V., Münster [u.a.] 2002, S. 145-146.
wdk: Dank an Maria Wachendorf, in: Welt des Kindes 1979/H. 2, S. 95-96.
Online
Berger, Manfred, Frauen in der Geschichte des Kindergartens: Maria Wachendorf https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/geschichte-der-kinderbetreuung/manfred-berger-frauen-in-der-geschichte-des-kindergartens/148 [zuletzt abgerufen am 29.08.2022]. [Online]
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Berger, Manfred, Maria Wachendorf, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/maria-wachendorf/DE-2086/lido/630cced32c2c68.57092485 (abgerufen am 19.08.2024)