Die UNESCO* verleiht den Titel Welterbe (Weltkulturerbe und Weltnaturerbe) an Stätten, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit, Authentizität und Integrität weltbedeutend sind. Der Titel beruht auf der Welterbekonvention von 1972, die dem Schutz dieser besonderen Kultur- und Naturdenkmale dienen soll. Im Jahr 1978 wurde die Welterbeliste mit zwölf Welterbestätten eröffnet. Als zweiter Ort in Deutschland wurde der Dom zu Speyer 1981 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.
(Deutsche Übersetzung durch das Auswärtige Amt, das englischsprachige Originaldokument gibt es hier http://whc.unesco.org/en/list/168)
Gut: Speyerer Dom
Vertragsstaat: Deutschland
Ld-Nr.: 168
Datum der Einschreibung: 1981
Kurzzusammenfassung
Der Speyerer Dom im Südwesten Deutschlands, eine Basilika mit vier Türmen und zwei Kuppeln, wurde 1030 von Konrad II. - wahrscheinlich kurz nach seiner Kaiserkrönung - als Basilika mit flacher Decke errichtet. Er wurde von Heinrich IV. nach seiner Aussöhnung mit dem Papst im Jahr 1077 zum ersten und größten durchweg gewölbten Kirchengebäude in Europa umgebaut. Der Dom war fast 300 Jahre lang die Begräbnisstätte der deutschen Herrscher. Der Speyerer Dom ist historisch, künstlerisch und architektonisch eines der bedeutendsten Beispiele romanischer Architektur in Europa. Gemessen an seinen Proportionen ist er der größte und aufgrund der mit ihm verbundenen Geschichte der wichtigste derartige Kirchenbau.
Der Speyerer Dom ist Ausdruck der kaiserlichen Machtfülle zur Zeit der Salier (1024 - 1125) und wurde in bewusstem Gegensatz zur Abtei von Cluny als ein die päpstliche Opposition repräsentierendes Gebäude errichtet.
Der Dom greift in seiner allgemeinen Erscheinung auf das Vorbild von St. Michael in Hildesheim zurück und bringt eine Grundrissgliederung zur Vollendung, die im ganzen Rheinland allgemein übernommen wurde. Dieser Grundriss ist durch die ausgewogene Verteilung der östlichen und westlichen Baumassen sowie die symmetrische und einzigartige Anordnung der Türme gekennzeichnet, die den durch das Langhaus und das Querschiff gebildeten Baukörper rahmen. Unter Heinrich IV. wurden Erneuerungen und Erweiterungen vorgenommen. Der Speyerer Dom ist das erste bekannte Gebäude, das mit einer umlaufenden Galerie errichtet wurde. Ebenfalls neu in der Architekturgeschichte war das während dieser Umbauarbeiten hinzugefügte Arkadensystem.
Aufgrund seiner Größe und seines Reichtums an Bauzier, die zum Teil von italienischen Bildhauern geschaffen wurden, sticht der Speyerer Dom unter allen zeitgenössischen und späteren romanischen Kirchen in Deutschland hervor; er beeinflusste die Grundrissgestaltung und den Gewölbebau tiefgreifend. Heute - nach der Zerstörung der Abtei von Cluny - ist der Speyerer Dom die größte romanische Kirche der Welt und ihre 1041 geweihte Krypta die größte Hallenkrypta der Romanik. Nicht weniger als acht mittelalterliche Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation von Konrad II. bis Albrecht von Habsburg im Jahre 1309 wurden in seiner Gruft zur Ruhe gelegt. Der Dom wurde 1689 durch einen Brand schwer beschädigt. Die Rekonstruktion der westlichen Joche des Langhauses von 1772 bis 1778 als archäologisch fast exakte Kopie des ursprünglichen Baus ist als eine der ersten großen Errungenschaften des Denkmalschutzes in Europa zu betrachten. Der Westbau, den Heinrich Hübsch auf den alten Fundamenten in der Zeit von 1854 bis 1858 errichtete, ist dagegen ein Zeugnis der romantischen Interpretation des Mittelalters und als solche eine eigenständige Errungenschaft des 19. Jahrhunderts. Der Innenraum wurde von 1846 bis 1853 im Auftrag des bayerischen Königs Ludwig I. von Johannes Schraudolph und Josef Schwarzmann und ihrer Werkstatt mit Malereien im Stil der späten Nazarener versehen.
Kriterium (ii): Der Speyerer Dom hat nicht nur die romanische Architektur im 11. und 12. Jahrhundert, sondern auch die Grundsätze der Restaurierung in Deutschland, in Europa und in der Welt vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart maßgeblich beeinflusst.
Integrität
Abgesehen von den sieben westlichen Jochen des Langhauses und dem Westwerk ist der ursprüngliche mittelalterliche Bau erhalten geblieben. Nach einem schweren Brand im Jahr 1689 mussten die sieben westlichen Joche des Langhauses (1772-1778) neu errichtet werden; sie sind eine exakte Kopie des ursprünglichen Baus. Der Westbau, der den mittelalterlichen Bau und die Ergänzungen des späten 18. Jahrhunderts ersetzt, stammt aus der Zeit von 1854 bis 1858. Im Zuge der umfassenden Restaurierungsarbeiten von 1957 bis 1972 wurde der ursprüngliche romanische Innenraum durch Entfernung der Umbauten und Ergänzungen aus der Barockzeit und dem 19. Jahrhundert rekonstruiert.
Authentizität
Was Form und Gestaltung sowie Gebrauch und Funktion betrifft, so bringt der Speyerer Dom noch immer umfassend das Wesen einer der bedeutendsten romanischen Kirchen Europas zum Ausdruck. Anhand der Geschichte und Methoden seiner Restaurierung lässt sich die Entwicklung der Grundsätze der Restaurierung nachvollziehen.
Erfordernisse hinsichtlich Schutz und Verwaltung
Das Bauwerk ist im Rahmen der Gesetzgebung des Landes und des Bundes geschützt und wird vom Dombauamt unter Aufsicht des Domkapitels verwaltet, die in Abstimmung mit den Denkmalbehörden und einem wissenschaftlichen Beirat handeln.
Der Dom wird vom Dombauamt kontinuierlich instandgehalten. Das Managementsystem besteht aus einer Reihe von Instandhaltungs- und Erhaltungsmaßnahmen, welche die liturgische Funktion berücksichtigen.
Aus der Stellungnahme von ICOMOS** zum Eintragungsvorschlag:
"Der Dom zu Speyer ist, zusammen mit dem zu Worms und dem zu Mainz, das Hauptwerk der romanischen Baukunst in Deutschland. Er ist aufgrund seiner Abmessungen das größte Denkmal dieser Zeit und aufgrund seiner Geschichte zugleich das wichtigste, denn die salischen Kaiser machten den Bau zu ihrer Grablege. Maria und dem hl. Stephan geweiht, wurde der Dom im Wesentlichen zwischen 1030 und 1106 erbaut. Er greift in seiner äußeren Erscheinung auf das Vorbild von St. Michael in Hildesheim zurück und bringt eine Grundrissgliederung zur Vollendung, die in der Folgezeit nicht nur im Rheinland allgemeine Gültigkeit erhielt; ihre Kennzeichen sind die ausgewogene Verteilung der Baumassen im Osten und im Westen und die symmetrische Anordnung von vier Türmen an den Ecken des von Langhaus und Querhaus gebildeten Baukörpers. 1689 wurde der Dom zu Speyer durch Brandstiftung schwer in Mitleidenschaft gezogen. 1722-1778 rekonstruierte Franz Ignaz Michael Neumann die nach diesem Unglück eingestürzten Bauteile und vervollständigte sie durch ein in barocken Formen gehaltenes Westwerk. 1854-1858 wurde dieser Anbau durch einen Westbau ersetzt, der die Vorstellung von Romanik, die man damals hatte, veranschaulicht. Gleichzeitig wurde der ganze Innenraum des Doms von Schraudolph und seiner Werkstatt mit schweren neuromanischen Malereien und mit großformatigen Historienbildern ausgestattet. 1957 begann man, den Zustand des 11. Jahrhunderts in seiner ursprünglichen Stilreinheit wiederherzustellen, indem man Malereien und Tünche des 19. Jahrhunderts entfernte. Trotz dieser wechselvollen Baugeschichte, oder vielleicht gerade deswegen, verdient der Dom zu Speyer es, unter Anwendung von Kriterium II in die Liste des Welterbes aufgenommen zu werden. Er hat in der Tat nicht nur einen beträchtlichen Einfluss auf die Entwicklung der romanischen Architektur des 11. und 12. Jahrhunderts ausgeübt, sondern auch die Entfaltung der Lehrmeinungen der Denkmalpflege in Deutschland, Europa und der Welt vom 18. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart mitbestimmt."
Bei der Entscheidung über die Aufnahme in die Welterbeliste werden die übergreifenden Bedingungen der Authentizität (historische Echtheit, nur für Kulturgüter) und der Integrität (Unversehrtheit, für Kultur- und Naturgüter) angewendet, in Verbindung mit einem oder mehreren der insgesamt zehn Kriterien, nach welchen der außergewöhnliche universelle Wert einer Stätte festgelegt wird. Der Dom zu Speyer erfüllt hierbei das Kriterium (ii), da er ein Kulturgut ist, das "für einen Zeitraum oder in einem Kulturgebiet der Erde einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf Entwicklung der Architektur oder Technik, der Großplastik, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung" aufzeigt;
Weiterführende Links:
Die Deutsche UNESCO-Kommission stellt den Dom zu Speyer und alle anderen Welterbestätten auf Ihrer Seite vor: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/welterbe/welterbe-deutschland
Alle offiziellen Dokumente der UNESCO im Zusammenhang mit dem Speyerer Dom können hier aufgerufen werden: http://whc.unesco.org/en/list/168/http://whc.unesco.org/en/list/168/documents/
Jedes Jahr am ersten Sonntag im Juni findet der UNESCO-Welterbetag statt.
*englisch: United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, deutsch: Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur
** englisch: International Council on Monuments and Sites, deutsch: Internationaler Rat für Denkmalpflege