Dom zu Speyer Apsis und Osttürme

Dom zu Speyer Chorraum der Krypta

Dom zu Speyer Patrone an der Westseite

Dom zu Speyer Zwerggalerie auf der Südwestseite

Dom zu Speyer Chorraum

Dom zu Speyer nördliches Seitenschiff


Sunday, 25. December 2016

„Weihnachtsbotschaft hält der tödlichen Macht des Bösen stand“

Bischof Wiesemann predigte auch in der Christmette im Speyerer Dom.

Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann ruft in seiner Weihnachtspredigt dazu auf, sich mit allen Opfern sinnloser Gewalt zu solidarisieren – Erinnerung an die mehr als 5000 Flüchtlinge, die in diesem Jahr im Mittelmeer umgekommen sind

Speyer. Zahlreiche Gläubige besuchten die Weihnachtsgottesdienste im Bistum Speyer.
Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann bezeichnete in seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag im Speyerer Dom die Weihnachtsbotschaft als eine Vision, die selbst „den Abgründen und der tödlichen Macht des Bösen“ standhält. Das über viele Jahrzehnte in den westlichen Ländern vorherrschende Grundgefühl, dass sich die Lebensmöglichkeiten immer weiter steigern ließen, habe sich grundlegend verändert. „Ausbeutung, Korruption und jahrzehntelang ungelöste Konflikte haben Menschen ohne Zukunftsperspektive hinterlassen.“ Sie hätten Formen und Organisationen der Gewalt und des Terrors hervorgebracht, die vorsätzlich eine globale Destabilisierung anzielen. „Kein Tabu, keine letzte humane Hemmschwelle hat mehr Geltung“, sagte er im Blick auf die Anschläge auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin und an der koptisch-orthodoxen Kathedrale in Kairo. „Wir solidarisieren uns mit allen Opfern solcher Gewalt, welcher Herkunft oder Religion sie auch sein mögen“, erklärte Wiesemann und gedachte der über 5000 Menschen, die allein bis Ende Oktober auf der Flucht vor Hunger und Gewalt im Mittelmeer umgekommen sind.

Noch nie in der Geschichte sei es so wichtig gewesen, dass Europa sich seiner gemeinsamen Verantwortung in der Welt und für die Welt bewusst wird. „Ein Zerfall in kleinkarierte, angstbesessene Nationalismen kann nicht nur keine Lösung sein, sondern wäre ein weiteres, folgenschweres Versagen – so wie die Welt vor Aleppo und den dortigen Gräuel versagt hat“, betonte der Bischof in Erinnerung an Robert Schumann, der 1950 visionär gefordert hatte, dass das wirtschaftliche Zusammengehen in Europa von einem großen Ziel getragen sein müsse, der Hebung des Lebensstandards in der gesamten Welt und der Förderung des Friedens. „Das ist nie wirklich eingelöst worden“, stellte Wiesemann fest. Vieles von solchen Versäumnissen räche sich jetzt. „Europa war und ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.“

Die Weihnachtsbotschaft sei viel politischer, als es die „Idylle unserer Krippenlandschaften“ vermuten lasse. In dem Kind von Bethlehem bündele sich die „ganze Vision einer erlösten, humanen Welt“. Sie öffne einen Horizont, der nicht an Grenzen halt macht, und habe eine innere Kraft, die „selbst über hoffnungslos erscheinende Abgründe des Hasses hinweg mutig und geduldig auf die Möglichkeit für Versöhnung und Frieden, auf die Teilhabe aller an den Gütern der Erde und die Einheit und Zukunft des Menschengeschlechtes setzt“. Es sei alles andere als sentimental und harmlos, wenn Christen in der Weihnachtsnacht in „die Totenstille dieser Welt“ hineinriefen: „Christ, der Retter ist da!“

„Gemeinschaft mit Christus wichtiger als das eigene Leben“

In seiner Predigt am zweiten Weihnachtsfeiertag knüpfte Weihbischof Otto Georgens eine Verbindung zwischen dem Erzmärtyrer Stephanus und Märtyrern der Gegenwart wie Erzbischof Oscar Romero und dem französischen Priester Jacques Hamel. „Sie haben wie Stephanus ihr Leben hingegeben und stehen für die ungezählten Zeugen für Jesus Christus und für das Schicksal der verfolgten Christen weltweit, auch in unseren Tagen“, so der Weihbischof.

Märtyrer gebe es in der Christenheit von Anfang bis heute. Märtyrer bedeutet Zeuge. Der christliche Märtyrer dränge sich nicht zum Sterben. Er wolle leben. Auch wende er keine Gewalt an. „Doch er verrät Christus nicht, um seine Haut zu retten. Die Gemeinschaft mit Christus ist ihm wichtiger als das eigene Leben“, führte der Weihbischof aus. Das gelte auch für die Märtyrer im 20. und 21. Jahrhundert. Wie Jesus sei auch Oscar Romero mit dem Glauben in den Tod gegangen, dass seine Lebenshingabe nicht umsonst sein würde. Die Kraft, die Menschen noch heute aus seinem Beispiel schöpfen, zeige, dass „Gott in der Geschichte wirkt und ganz bei uns ist.“

Als einen „Stephanus unserer Tage“ bezeichnete Weihbischof Georgens den Priester Jacques Hamel, der im Sommer 2016 von mutmaßlichen islamistischen Terroristen ermordet wurde. Wie ein Vermächtnis des Priesters klängen die Worte, die er den Gemeindemitgliedern von St. Etienne in den Urlaub mitgegeben hatte: „Kümmert euch um die Welt, in der wir leben. Macht sie zu einer warmherzigeren, menschlicheren, brüderlicheren Welt.“

Unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Melchiori und Domkantor Joachim Weller gestalteten das Vokalensemble der Dommusik, der Domchor, der Mädchenchor am Dom, die Speyerer Domsingknaben, die Capella Spirensis und die Dombläser die festlichen Weihnachtsgottesdienste im Dom zu Speyer. Die Orgel spielte Domorganist Markus Eichenlaub.

Die Predigt von Bischof Wiesemann am ersten Weihnachtsfeiertag im Wortlaut

Die Predigt von Weihbischof Georgens am zweiten Weihnachtsfeiertag im Wortlaut


Text: is/Foto: Klaus Landry