Freitag, 06. November 2015

Die Stuhlbrüder des Speyerer Domstifts

Ehemalige Stuhlbrüderhäuser in der Stuhlbrudergasse in Speyer.

Ehemalige Stuhlbrüderhäuser in der Stuhlbrudergasse in Speyer.

Vortrag von Dr. Sven Gütermann im Rahmen des 2. Wissenschaftlichen Forums des Dombauvereins Speyer

Speyer. Im Rahmen des 2. Wissenschaftlichen Forums des Dombauvereins Speyer legte Dr. Sven Gütermann die Ergebnisse seiner Dissertation zum Thema „Die Stuhlbrüder des Speyerer Domstifts“ dar und ging auf Entstehung, Charakter und Funktion der Stuhlbrüder in Verbindung zum Speyerer Dom ein. Die Einmaligkeit dieser Bruderschaft ist im Kontext des einzigartigen Ranges des Kaiser- und Mariendomes als herausragendem christlichem Sakral- und Memorialbau des Abendlandes zu sehen.

„Nach der Bestattung Kaiser Konrads II. zunächst zur dynastischen Grabkirche der Salier gewachsen, entwickelte sich der Dom bis in das 14. Jahrhundert mit weiteren Königsbegräbnissen zur Herrschergrablege des Heiligen Römischen Reichs schlechthin. Diese ist zweifellos bis in die Neuzeit hinein ein Ausnahmefall für das Reich geblieben“, erklärte Dr. Gütermann.

Nachweislich seit Anfang des 13. Jahrhunderts habe an diesem herausragenden europäischen Erinnerungsort eine Gemeinschaft von armen Laien, die sogenannten Stuhlbrüder, täglich für das Seelenheil der in der Herrschergruft ruhenden Kaiser und Könige gebetet, und damit wohl eine der prominentesten Memorialleistungen im ganzen Abendland erbracht – und das über nahezu sechs Jahrhunderte.

„Die Verrichtung des täglichen (!) Gebetsgedenkens im Rahmen von täglich 420 Gebeten für Kaiser und Könige lässt die Stuhlbrüder in einem außergewöhnlichen Licht erscheinen, weil nach dem bisherigen Kenntnisstand zur Memoria an königlichen Grabstätten des Abendlands – außer in Bamberg und erst seit Anfang des 16. Jahrhunderts auch in Westminster Abbey – kein Fall bekannt ist, wo solche Memorialhandlungen Korporationen von armen Laien oblagen“, betonte der Historiker. „Über das herrscherliche Gebetsgedenken hinaus waren die in Form einer Almosener- und Pfründnergemeinschaft zusammengeschlossenen Stuhlbrüder auch zu weiteren niederen Kirchendiensten verpflichtet.“

Waren es zu Beginn der Gründung der Stuhlbrüdergemeinschaft über sechs Jahrhunderte hinweg immer zwölf Brüder, reduzierte sich ihre Zahl in den Wirren der französischen Revolution 1802 auf vier verbleibende Brüder. Sie lebten in den damals neu erbauten und heute noch erhaltenen Häusern in der Stuhlbrudergasse (Haus in dem sich heute das AXA Center, die Bäckerei Höchemer und die zwei daran anschließenden Häuser, wie Dr. Gütermann berichtete. Ihre Existenz ist erstmals 1301 urkundlich bestätigt, wenngleich aus einem Pachtvertrag von 1212 zu schließen ist, dass sie bereits vorher als Gemeinschaft existierten.

„So beteten Sie über 600 Jahre für die im Speyerer Dom begrabenen Kaiser und Könige. Sie erhielten ihre Privilegien aus der Hand derselben; die jeweiligen Bischöfe erließen die Regeln an denen sie sich zu orientieren hatten.“


Text/Foto: Wolfgang Hissnauer