Inschriftenkatalog: Landkreis Jena

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 39: Landkreis Jena (1995)

Nr. 8 Orlamünde, Stadtkirche St. Mariae nach M. 14. Jh.?

Beschreibung

Inschrift auf der kleineren der beiden Glocken1) in der oberen Glockenstube. Die einzeilige Inschrift verläuft zwischen zwei gedrehten Schnurstegen um den Glockenhals; die Flanke ohne Zier;2) am Wolm zwei Stege.

Maße: Dm. 48 cm; H. 41 cm; Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel, erhaben.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Luise u. Klaus Hallof) [1/1]

  1. A V Ea) M A R I A3)

Kommentar

Die Buchstaben der Inschrift weisen die für den sog. „Jenaer Kryptogrammisten“ (vgl. Nr. 11) typischen perlartigen Abschlüsse auf und zeigen auch sonst Ähnlichkeit mit dem von jenem verwendeten Alphabet (besonders das gerundete A mit schrägrechtem Balken am Beginn der Inschrift). Dennoch überwiegen die Unterschiede. Die Lettern der Glocke von Orlamünde sind insgesamt kleiner und zierlicher,4) es treten Formen auf, die der Kryptogrammist nicht hat.5) Die Abstände zwischen den Buchstaben (bis zu 10 cm) sind entschieden größer als die regelmäßigen Spatien auf dessen Glocken. Und nicht zuletzt handelt es sich bei der Inschrift in Orlamünde gerade nicht um ein Kryptogramm.6) Das Ave-Maria ist auf Glocken weit verbreitet, auch schon im 14. Jh.7) Die Glocke soll aus dem Wilhelmitenkloster8) stammen, das im Jahre 1521 größtenteils abbrannte. Wohl schon 1279 gestiftet, ist es erst nach 1331 mit Mönchen besetzt worden. Diesem Datum stehen die Buchstabenformen nicht entgegen.

Auf die Unsicherheit dieser Datierung verweist aber nachdrücklich eine Glocke aus Arnshaugk,9) die demselben Gießer zugeschrieben werden kann.10) Die Glocke mit einer deutschen Inschrift11) zeigt dessen typische Buchstabenformen12) neben solchen des „Kryptogrammisten“.13) Auf der Flanke sind drei Pilgerzeichen abgedrückt: Maria mit Kind wie auf der Glocke des „Kryptogrammisten“ in Großkröbitz (Nr. 12); ein weiterer Abdruck des Pilgerzeichens 14) auf der Minuskel(!)glocke von Schorba (Nr. 78); und das Relief eines Bischofs auf einem Drachen, die Linke mit dem Stab in den Rachen des Untiers stoßend, die Rechte segnend erhoben. Dieses ist aber nicht identisch mit dem für den „Kryptogrammisten“ typischen Abdruck desselben Motivs.

Textkritischer Apparat

  1. E liegend, V kopfstehend.

Anmerkungen

  1. Die andere Glocke: Nr. 202. Die beiden Glocken in der unteren Glockenstube stammen aus den Jahren 1697 (Johann Rose in Volkstädt; s. Nr. 318, Anm. 5) und 1822.
  2. Anders Lehfeldt (BuKTh), der hier Medaillons gesehen haben will; auch Bergner spricht von „zwei Rosen“.
  3. Der Beginn des englischen Grußes, Lc. 1,28.
  4. Auf der Glocke in Oßmaritz (Nr. 14) zeigt der Kryptogrammist aber auch, daß er von seinen Typen neben der üblichen (H. 3 cm) auch eine kleinere Version besitzt, die mit einer Höhe von 2,5 cm den Lettern in Orlamünde entspricht.
  5. Vor allem die beiden gerundeten A im Wort MARIA mit Querbalken und einem Sporn auf der linken Schulter.
  6. Vgl. aber Nr. 11, Anm. 19.
  7. Vgl. Nr. 22; aus Thüringen nennt Bergner eine Glocke in Gröben üb. Stadtroda (Bergner 1896, 195 Nr. 1) und eine weitere mit dem vollständigen Zitat Lc. 1,28 aus Rudolstadt (a. O. 198 Nr. 2); ferner DI 9 (Krs. Naumburg), Nr. 368.
  8. Vgl. Patze 1968, 330–331; W. Rein, Das Wilhelmiterkloster zu Orlamünde, in: Mitt.Osterl. 6, 1863–1866, 143–155.
  9. Jetzt in Neustadt a.d. Orla eingemeindet.
  10. Sie galt seit Liebeskind 1904, 54 als Werk des „Kryptogrammisten“; das hat sich als unrichtig herausgestellt. Die Glocke (Dm. 38 cm) befindet sich gegenwärtig als Leihgabe in Auma. Wir danken Herrn Opf. Dr. Krause, Auma, für freundlich gewährte Unterstützung bei der Aufnahme der Inschrift.
  11. ACH GOT WIE SERE GIT + GVT VOR ERE; vgl. BuKTh XXIV (Neustadt a.d. Orla), 1897, 6 Nr. 2.
  12. Gerundetes A; I mit drei Perlen an jeder Seite des Schaftes; E hat eine Perle auf dem Mittelbalken und drei am rechten Abschlußstrich. Neu ist W, aus zwei verschränkten V mit oberem Abschluß gebildet. Aber auch diese Form ist für eine Spätdatierung wenig geeignet; vgl. Nr. 6.
  13. Nebeneinander kommen vor eingerolltes G neben solchem mit gegabeltem Bogenende, dessen unterer Sporn bis zur Grundlinie herabgezogen ist (so für den „Kryptogrammisten“ typisch, s. Nr. 11 mit Anm. 16).
  14. Vgl. Nr. 78, Anm. 2.

Nachweise

  1. Löbe 1869, 185.
  2. BuKTh III (Kahla), 1888, 141.
  3. Bergner 1896, 191 Nr. 4.
  4. Weinhold 1986, 48.

Zitierhinweis:
DI 39, Landkreis Jena, Nr. 8 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di039b006k0000802.