Inschriftenkatalog: Landkreis Jena
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 39: Landkreis Jena (1995)
Nr. 17 Nennsdorf, Dorfkirche E. 14. Jh.?
Beschreibung
Kryptogramm auf der Glocke im Turm. Die einzeilige Inschrift verläuft um den Glockenhals zwischen zwei gedrehten Schnurstegen; auf der Flanke fünf Medaillons (alle Dm. 3,2 cm) und ein Wappenschild: 1. Engel?1) (Matthäus); 2. Wappenschild (H. 3 cm); 3. Stier (Lucas) mit Spruchband (die Inschrift ist nicht zu erkennen); 4. Pelikan, der sich die Brust aufreißt; 5. Adler (Johannes) mit Spruchband (die Inschrift ist nicht zu erkennen); 6. Löwe(?)2) (Marcus) mit Spruchband. Am Wolm zwei Stege.
Maße: Dm. 60 cm; H. 50 cm; Bu. 3 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel, erhaben.
+ A H C D E Ha) V R I M + P M O X Ga) R
Wappenschild: zwei zur Teilung gekehrte Sicheln mit Griff, die eine sechsblättrige Blüte (Traube?) einfassen (Tümpling?). |
Textkritischer Apparat
- Buchstaben um 180º gedreht.
Anmerkungen
- Bergner interpretiert es: „Christus als Weltenrichter“, wohl weil es sich um eine sitzende Gestalt zu handeln scheint; doch liegt es zunächst erst einmal nahe, an die vollständige Sequenz der Evangelistensymbole zu denken (so auch Tümpling).
- Alle Tiere sind geflügelt und nimbiert.
- Das unziale H wird hierbei als halbunziales b (mit nur dem unteren Bogen) aufgefaßt (Bergner).
- Durch Bergners Autorität zählt die Nennsdorfer Glocke unter die Alphabet-Glocken (so auch noch Köster 1979, 383 Nr. 7, ohne Autopsie, nach Bergners Zeichnung); die anderen Thüringer Alphabet-Glocken – von Marisfeld üb. Suhl (2. H. 13. Jh.; Köster 383 Nr. 6: Buchstaben A – G), Rödelwitz b. Rudolstadt (um 1400; Köster 402 Nr. 39: Buchstaben a – q) und Melborn üb. Eisenach (vgl. G. Kühn, Kirchen im Wartburgland, Berlin 1989, 74 [fehlt bei Köster]: Buchstaben A – Q) zeigen demgegenüber deutlich eine alphabetische Folge.
- Abweichende Formen: kapitales A mit parallelen Hasten; unziales D; beim Kryptogrammisten nicht vorkommendes X.
- Hier die Hasten flankierende Dreiecke (mitunter verrutscht oder ganz fehlend), beim Kryptogrammisten Punkte.
- DI 9 (Krs. Naumburg), Nr. 367; mit vortrefflicher Genauigkeit nachgezeichnet von Bergner, BuKPrSa XXVI (Naumburg-Land), 1905, 53; hiernach fanden sich auf der Glocke übereinstimmend mit Nennsdorf: Medaillons mit Engel, Adler (zweimal), Löwe, Stier, Wappen und Pelikan; zusätzlich „eine Taube im Sechspaß“.
- Im Lkrs. Jena Nr. 20. Bergner 1896, 181–182, findet dieselben Medaillons noch auf einer Glocke ohne Inschrift und Wappen in Löberschütz (wohl kaum zutreffend).
- Sa 51, Taf. 59 (Tümpling); zwischen den Sicheln ist auf früheren Siegeln des Geschlechtes ein Frauenkopf. Tümpling 1888, 90, erklärt daher das traubenähnliche Gebilde auf dem Wappenschild der Glocke als „verzeichnet“; aber die Glocken lassen definitiv erkennen, daß es sich nicht um einen Kopf handelt.
- DI 33 (Jena), Nr. 7.
- Bergner dagegen orientiert sich an der Form des (angeblichen) halbunzialen b (vgl. Nr. 3, Anm. 2) und geht mit der Datierung zurück auf A. 14. Jh.; darin folgt ihm Mühlmann. DI 9, Nr. 367 wird für die Glocke von Obermöllern M. 14. Jh. (?) erwogen.
- Tümpling 1888, 92–93; vgl. DI 33, Nr. 121.
- Oßmaritz besaß bereits in Nr. 13 eine Glocke.
- Vgl. Bergner 1896, 223.
- Auch der Kryptogrammist wechselt zwischen Spruch und Kryptogramm, vgl. Nr. 11 mit Anm. 19.
Nachweise
- BuKTh I (Jena), 1888, 190 (Nachzeichnung).
- Tümpling 1888, 89–90 und Nachzeichnung vor S. 87.
- Bergner 1896, 182 Nr. 8 mit Nachzeichnung der Inschrift Taf. I, Abb. 3, und der Medaillons und des Wappens Taf. V, Abb. 32–37.
- Bergner 1897, 327.
- Schlippe 1975, 345–347 und Abb. 3.
- Köster 1979, 383–384 Nr. 3.
- Vgl. Walter 1913, 193.
- Schilling 1953, 65.
- Mühlmann 1967, 59.
Zitierhinweis:
DI 39, Landkreis Jena, Nr. 17 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di039b006k0001708.
Kommentar
Die Inschrift auf der Nennsdorfer Glocke besteht aus einer willkürlichen Folge von einzelnen Lettern; ob das Alphabet beabsichtigt war (A, b3), C, D, E am Beginn der Inschrift), scheint sehr zweifelhaft.4) Die Buchstaben unterscheiden sich aber in Form5) und in der Gestaltung der Hastenenden6) von denen des sog. „Jenaer Kryptogrammisten“ (vgl. Nr. 11), der auch keine Kreuze zur Interpunktion verwendet, so daß von einer Zuschreibung an ihn Abstand zu nehmen ist. Als Besonderheit erscheint dagegen der Wappenschild, den die Nennsdorfer Glocke mit drei weiteren gemeinsam hat. Davon weist Nr. 18 Einzelbuchstaben zwischen plastischen Zeichen, Nr. 19 aber einen Spruch auf, denselben wie die „Tümpling“-Glocke in Obermöllern.7) Als weitere Gemeinsamkeit begegnen die Medaillons mit den Evangelisten-Symbolen, die aber noch auf weiteren Glocken, nicht in Kombination mit dem Wappenschild, auftreten.8)
Das Wappen wird als das der Herren von Tümpling angenommen;9) es erscheint auch auf den Glocken von Wenigenjena und Jenalöbnitz sowie auf der abgegangenen Glocke von Obermöllern und kann als solches nur eine Stiftung bezeichnen. Als Stifter kommt in Frage der Jenaer Ratsmann Albrecht Tümpling, urkundlich erwähnt zwischen 1382 und 1411, inschriftlich im Jahre 1400 als Stifter(?) einer Kapelle beim Jenaer Nikolaihospital (Brüderspittel) bekannt.10) Er ist der früheste des Geschlechtes der Tümpling, der in Jena und Umgebung nachweisbar ist. Die Zeit korrespondiert mit den Inschriften auf den Glocken, die in jedem Fall in die Wende von der gotischen Majuskel zur Minuskel (E. 14. Jh.) gehören;11) denn in Nr. 18 weisen die eingegossenen Schildchen bereits Minuskeln auf.
Nach den Urkunden kamen dem von Tümpling errichteten Brüderspittel in Jena die Einnahmen aus den sog. Ratsdörfern Jenalöbnitz und Oßmaritz zu.12) Das bringt die Tümpling'sche Familiengeschichte mit dem Vorhandensein des Wappens ihres Ahnen auf den Glocken in Verbindung. Für Jenalöbnitz mag das gelten; die Nennsdorfer Glocke müßte aber dem benachbarten Oßmaritz zugewiesen werden – eine nicht beweisbare und durchaus unwahrscheinliche Annahme.13) Eine Beziehung zwischen Tümpling bzw. Jena und dem ca. 20 km. entfernten Obermöllern ist dagegen nicht bekannt, so daß die angeführte Erklärung für die Stiftung gerade dieser drei Glocken in diese drei Dörfer nicht richtig sein kann.
Es bleiben – auch schon angesichts der Unstimmigkeiten zwischen dem Wappenschild auf der Glocke und auf den zeitgenössischen Siegeln der Tümplings – Bedenken, und man wird nicht ausschließen können, daß es sich bei dem Wappenschild um ein Gießerwappen handeln könnte – ähnlich der von dem Erfurter Glockengießer Ciegeler später benutzten Sichel.14) Die drei Glocken gehörten dann einem Gießer. Die Verwendung verschiedener Inschrifttypen auf ihnen15) darf dabei nicht überraschen.