Inschriftenkatalog: Landkreis Jena
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 39: Landkreis Jena (1995)
Nr. 264 Frauenprießnitz, Dorfkirche St. Mauritii 1605
Beschreibung
Sarg des (14) Burkhard Schenk zu Tautenburg, in der westlichen Gruftkammer, links; im Jahre 1819 freigelegt. Zinnblech, von rechteckigem Querschnitt, mit flachem Deckel; auf diesem ein Kruzifix in Hochrelief. Die Schmalseiten sind in je zwei, die Längsseiten in je fünf Felder geteilt, in denen sich je ein Löwenkopf mit einem Ring im Maul befindet. Auf dem Deckel reiche Gravuren, die Schriftfelder mit Renaissance-Rahmen verziert. Inschriften auf dem Sargdeckel: (A) Titulus am eingravierten Kreuz; in Rahmen links (B) und rechts (C) über den Kreuzarmen; darunter Schriftband (D) über der Darstellung des Evangelisten Matthäus, der in einem Lehnstuhl auf der Umrahmung des Spruches (E) sitzt; ähnlich rechts unter dem Kreuzarm der Evangelist Johannes (F) auf der Inschrifttafel (G); unter dem Kreuz Inschrifttafel mit dem Spruch (H), darunter Pelikan, der sich das Herz aufreißt, und Wappen; zuunterst Inschrift (I) in einem von Doppellinie gerahmten Feld, rechts unten durch die abgebrochene Ecke gestört. Der Sarg ist beschädigt, der Deckel verbogen und in den Sarg gefallen; die Arme des Kruzifixes sind abgebrochen. Von den Inschriften auf dem Deckel des Sarges konnte nur (I) aufgenommen werden.
(A)–(G) nach Photo (um 1885), (H) nach BuKTh.
Maße: Sarg: H. 55 cm; B. 79 cm; L. 221 cm; Schriftfeld (I): H. 17,5 cm; B. 53 cm; Bu. 1,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis, eingraviert; Initialen zum Teil überhöht.1)
- A2)
∙I∙N∙R∙I∙
- B3)
PHILIP(PER): I / CHRISTVS IST MEIN / LEBEN STERBENN / IST MEIN GEWIEN
- C4)
I∙IOHAN(NIS): I / DAS BLVT IESV CHRISTI / MACHT VNS REIN / VON ALLEN SVNDEN
- D
MATTHIS
- E5)
MATTH(AEI): XI / KOMMET HER ZV MIR / ALLE DIE IHR MVHESELIG / VND BELADEN SEIT, ICH WIL / EVCH ERQVICKEN. NEMET / AVF EVCH MEIN IOCH VND / LERNET VON MIR DANN / ICH BIN SANFTMVTIG VND / VON HERTZEN DEMVTIG / SO WERDET IHR RVHE / FINDEN FVR EVRE / SEELE
- F
IOHANNES
- G6)
IOHAN(NIS): X / MEINE SCHAFE HÖREN / MEINE STIMME VND ICH / KENNE SIE VND ICH GEBE / IHNEN DAS EWIGE LEBEN / VND SIE WERDEN NIMMER/MEHR VMBKOMMEN VND / NIEMAND WIRD SIE / MIR AVS MEINER / HAND REISSEN DER / VATTER DER MIR SIE GEGE/BEN HAT IST GROSSER DAN ALLESa)
- Hb)
– – –
- I
DES WOLGEBORNEN EDLEN HERRN HERN BVRCKHARDT / SCHENCKEN FREYHERN ZV TAVTTENBVRGK VND FRAWPRISNIZ / CHVRF(ÜRSTLICH-) SACHS(ISCHEN) GEHAEVMBTEN RAHTS CAMMERHERNS AVCH / DES AMBTES FREYBVRG VND ECKARTSBERGA OBERHAVBTMANS / CORPER RVHET ALHIR IN DIESEM SARGE DEM GOTT EINE FROLI[CHE] / AVFERSTEHVNG VERLEIHE ES IST ABER WOLGEDACHTER H[ERR] / GEBORN DEN XIX. JVLY ANNO CHR(IST)I 1566 VNDT GESTORBEN DEN [II. SEPT(EM)BR(IS)] / 1605 SEINES ALTERS XXXIX. IAR VND XXXXIIII T[AGE] / DESSEN SEELEN GOTT GNADE.
Schenk zu Tautenburg.7) |
Textkritischer Apparat
- Letzte Zeile außerhalb des Rahmens.
- BuKTh Jena, 50: „eine Umrahmung mit dem Spruch aus Hiob XIX: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt etc.“ [Hiob 19,25 (-27?)].
Anmerkungen
- Im folgenden halbfett gedruckt.
- Joh. 19,19.
- Phil. 1,21.
- 1. Ioh. 1,7.
- Matth. 11,28–29.
- Ioh. 10,27–29.
- PrA 146, Taf. 96 (Schenk zu Tautenburg).
- Schneider 1820, 16–17.
- Holtmeyer 1906, 351–352.
- Das Datum überliefert auch ein bislang unbeachtetes Chronodistichon, das bei der Renovierung des Pfarrhauses vor einigen Jahren im Eingangsraum an der Ostwand zum Vorschein kam; die Inschrift ist mit schwarzer Farbe auf den Putz gemalt (die überhöhten Zahlbuchstaben im folgenden halbfett gedruckt):
- EN ∙ QVAECVNQVE ∙ FEROX ∙ QVONDAM ∙ VIS ∙ IGNEA ∙ FREGIT.
- MAVRITII ∙ PIETAS ∙ SIC ∙ REPARAT ∙ LAPIDE.
- „Wohlan, was einst die wilde Feuersbrunst zerstörte, hat die Frömmigkeit des Moritz solcherart in Stein wiedererrichtet“. Der Hexameter überliefert das Jahr 1638, in dem die Schweden den Ort Frauenprießnitz in Brand steckten (vgl. auch Nr. 326) und auch das offenbar noch weitgehend in Holz erbaute Pfarrhaus nicht verschonten. Der Pentameter gibt das Jahr 1661; Mauritius ist der Hz. Moritz von Sachsen-Zeitz (1619–1681), dem Frauenprießnitz seit 1656 gehörte, als u. a. aus dem thüringischen Besitz der Albertiner vier Sekundogenitur-Fürstentümer für die Söhne Kfst. Johann Georgs I. gebildet wurden.
- Vgl. DI 33 (Jena), Nr. 258.
- Schneider 1820, 19–10.
- BuKTh Jena, 50–51.
- DI 5 (München), Nr. 259; vgl. S. XV–XVII.
- DI 12 (Heidelberg), Nr. 339.
- H. Magirius, Der Dom zu Freiberg, Leipzig 1985, 225–227.
- W. Hentschel, Die Zinnsärge der Wettiner im Freiberger Dom, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 53, 1932, 51–72.
- Hentschel 57.
- Vgl. E. Hintze, Sächsische Zinngießer, Leipzig 1921, Nr. 278.
- Hintze, Nr. 280.
Nachweise
- BuKTh I (Jena), 1888, 48, a) und Photo auf Taf. nach S. 50.
- Vgl. Schneider 1820, 16–17.
- Holtmeyer 1906, 352 Fig. 136.
Zitierhinweis:
DI 39, Landkreis Jena, Nr. 264 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di039b006k0026401.
Kommentar
Die Gruft der Schenken zu Tautenburg wurde im Jahre 1819 unter reger Anteilnahme des Großhz. von Sachsen-Weimar geöffnet. Schneider, der hiervon als Augenzeuge berichtet, merkt an, daß diese „dem Verschütten nahe“ gewesen sei, als am 10. November 1819 der Eingang gefunden werden konnte.8) Die beiden Gruftgewölbe liegen unter einer Halle, die sich nördlich an das einschiffige Langhaus anschließt. Diese besteht aus drei Kreuzgewölben; nach Ansicht von Holtmeyer9) entsprächen dem drei unterirdische Gruftgewölbe, von denen nur die zwei östlichen durch einen modernen Schacht zugänglich sind. Ob sich in einer dritten, westlichen, Kammer die ältesten Begräbnisse der Schenken befinden, muß dahingestellt bleiben, da sie unzugänglich ist. Für diese Annahme spricht allerdings der Umstand, daß das Erbbegräbnis der Schenken nach den erhaltenen Grabplatten (vgl. zu Nr. 112) bereits um 1512 angelegt worden ist, so daß es ältere Särge – wenn auch nicht aus Metall – durchaus gegeben haben wird. Dagegen spricht, daß nach Schneiders Aussage im Jahre 1819 die Grabplatten der Schenken, die jetzt alle über jener angenommenen dritten Gruftkammer im Fußboden liegen, gehoben worden sind, ohne daß man einen weiteren Eingang entdeckt hat. Schließlich hängt vieles von der Frage ab, wann der Erweiterungsbau im Norden an das bisherige Langhaus, dessen Außenpfeiler mit den entsprechenden Vorlagen man stehenließ, angesetzt worden ist. Nach Holtmeyer geschah dies erst, als die 1547 erfolgte Säkularisierung die Nonnenempore entbehrlich machte. Allerdings sind wir über die Lage der Klostergebäude und das Verhältnis der Kirche zu diesen nicht unterrichtet. Auch mag dieser Zustand schon 1525 eingetreten sein, als im Bauernkrieg das Kloster weitgehend zerstört wurde. In jedem Fall liegen mehrere Dezennien bis zu dem Jahr 1605, aus welchem der früheste der erhaltenen Särge (Nr. 264) datiert.
Das Erbbegräbnis wurde bei der Zerstörung des Ortes und der Kirche Frauenprießnitz durch die Schweden am 12. Mai 1638 verwüstet,10) so daß die Särge der beiden später verstorbenen Glieder des Geschlechtes der Schenken (Nrr. 304 und 328) erst 1647 nach Frauenprießnitz überführt werden konnten;11) sie kamen in die östliche Gruftkammer. In der westlichen Gruftkammer befanden sich ursprünglich vier Särge aus den Jahren 1605 bis 1636; hiervon wurde Nr. 289 im Jahre 1819 in den Ostteil gebracht.12) Leider sind die Inschriften weder bei der Freilegung 1819 noch bei der Inventarisierung aufgenommen worden; Lehfeldt schreibt im Gegenteil die dürftigen Angaben bei Schneider einfach ab.13) Eine Vorstellung von der Qualität der Bemalung und der Verzierungen sowie einige Texte vermitteln die dem Kunstdenkmäler-Inventar beigegebenen Photographien, zu deren Anfertigung die Särge, wie es scheint, aus der Gruft emporgeholt worden sind.
Die Aufstellung prunkvoller Särge aus Metall in einer repräsentativen Gruft wurde bei den regierenden Häusern des Deutschen Reiches in der 2. H. 16. Jh. eingeführt; in München datiert die älteste Sarginschrift von 1579,14) in Heidelberg von 1576.15) Da Burkhard Schenk am kursächsischen Hof in Dresden verstarb, liegt es nahe, nach Verbindungen zu den Särgen der albertinischen Wettiner zu suchen, die sich in der Gruft im Dom zu Freiberg befinden.16) Hz. Heinrich der Fromme (gest. 1541) war der erste Wettiner, der sich in Freiberg bestatten ließ; der erste Prunksarg ist der für Kurfürstin Anna (gest. 1585). Nach den Untersuchungen von W. Hentschel lassen sich die 14 zugänglichen Särge in drei Gruppen unterscheiden: ein älterer, kastenförmiger Typus mit geradem Deckel (darauf Kruzifix in Hochrelief und Gravuren: oben Sprüche, unten die Grabschrift), die Seiten in vier bis sechs Felder unterteilt und mit einem Löwenkopf versehen, ohne Inschriften (sechs Särge von 1585 bis 1622); ein mittlerer Typus von sechseckigem Querschnitt mit durch Zierleisten hervorgehobenen Kanten, vollplastischem Kruzifix, eingravierten Sprüchen und Wappen (drei Särge von 1641 bis 1659); und schließlich ein später Typus von ebenfalls sechseckigem Querschnitt, bei dem Fuß- und Kopfseite eine durchgehende Fläche bilden und nicht mehr aus Zinn gegossener, sondern in Kupfer getriebener plastischer Schmuck dominiert (fünf Särge von 1680 bis 1696).17)
Die Särge in der Gruft von Frauenprießnitz haben eine etwas andere Entwicklung genommen. Der älteste Sarg des Burkhard Schenk (Nr. 264) von 1605 ist kastenförmig mit fast rechteckigem Querschnitt; der Deckel liegt flach auf, und nur dieser trägt die eingeritzten Inschriften; er entspricht dem ältesten Freiberger Typus. Schon bei dem folgenden Sarg von 1613 (Nr. 276) ist die „moderne“ Form mit abgeschrägtem Deckel eingeführt, und plastischen Schmuckes entbehren die späteren Särge der Schenken (Nrr. 289, 304, 316, 328) fast gänzlich, die – bis auf Nr. 276 – aus Kupferblech gefertigt und ausschließlich durch Bemalung (Ornamente, Engelsköpfe, Wappen und Inschriften) auf allen Seiten des Deckels und auf Kopf- und Fußseite ausgezeichnet sind.
Von diesen hebt sich der älteste Sarg des Burkhard Schenk sichtlich ab. Schon Hentschel stellte fest, daß das Kruzifix auf dessen Sarg der in Freiberg auf den Särgen bis 1611 verwendeten Form entspricht, die ihrerseits das Kruzifix auf den ältesten, nicht zugänglichen Särgen von Kurfürstin Anna (gest. 1585) und Kfst. August (gest. 1586) wiederholt.18) Als Schöpfer des Modelles machte Hentschel den Leipziger Bildhauer Valentin Silbermann namhaft. Als Gießer der Särge von Kfst. Christian I. (gest. 1591), Sibylle Elisabeth (gest. 1606) und Kfst. Christian II. (gest. 1611) ist in den Rechnungen der Dresdner Gottschalk Specht19) überliefert. Bei den Gravuren wirkten verschiedene Künstler mit: an dem zeitlich dem Sarg des Schenken nächsten der Sybille Elisabeth waren das Paul Lincke d.J.20) und der sonst unbekannte Georg Frauenstein.
Der gegenwärtige Zustand der Särge ist hoffnungslos. Die Inschriften und Bemalungen sind verblaßt, zwei der Särge sind gänzlich zerfallen, so daß die Gebeine offen zu Tage liegen. Da die Särge eng nebeneinander und mit der Kopfseite an der Wand stehen, waren nur die Inschriften an der Fußseite sowie auf dem untersten Drittel des Deckels zugänglich und konnten aufgenommen werden. Zu Burkhard Schenk zu Tautenburg, vgl. Nr. 262.