Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

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DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 1 LVR – Archäologischer Park/RömerMuseum A. 5. Jh.?

Beschreibung

Grabstein des Batimodus.1) Hochrechteckige, annähernd quadratische Platte aus grauem Sandstein mit geringen Abplatzungen an den Kanten. Gefunden Anfang 1954 von Wilhelm Piepers auf dem Gräberfeld unter Joch E1 im nördlichen Seitenschiff des Domes, aufrecht stehend wiederverwendet in dem merowingischen Steinsarg Nr. 250, der in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts für eine Frauenbestattung angefertigt worden war (Grab P 28).2) Auf der Vorderseite ist ein fünfzeiliger Sterbevermerk mit Grabbezeugung (A) zwischen doppelter Lineatur in Scriptura continua eingehauen. Darunter sind drei Christusmonogramme in lateinischer Kreuzform nebeneinander angeordnet. Das mittlere Monogramm (B) ist mit Alpha und Omega (C) über dem waagerechten Balken in einem Clipeus ausgeführt und deutlich größer als die beiden seitlichen Monogramme (links D, rechts E), die in unterschiedlicher Höhe stehen.

Maße: H. 66 cm; B. 62 cm; T. 16 cm; Bu. 3,2–5,2 cm (A), 26 cm (B), 3–5,4 cm (C), 15,6 cm (D), 15 cm (E).

Schriftart(en): Frühchristliche Kapitalis (A), griechische Buchstaben (B–E).

  1. A

    [I]Na) PACE HIC RE/CEPTVS EST BATI/MODVS QVIb) / VIXIT ANNOSc) / QVINQVAGIN/TAd) ET RECESSIT

  2. B

    XP(ICTOC)

  3. C

    A // ω

  4. D

    XP(ICTOC)

  5. E

    XP(ICTOC)

Übersetzung:

(A) In Frieden wurde hier aufgenommen Batimodus, der 50 Jahre lebte und (dann) verschied.

(B, D, E) Christus.

Kommentar

Die Ansätze zur Datierung des Batimodus-Steins reichen vom Ende des 4. bis in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts.3) Dem archäologischen Befund zufolge wird der Stein dem spätantiken Gräberfeld des 4. bis Anfang des 5. Jahrhunderts zugeordnet.4) Das Fehlen vulgärlateinischer Formen und der paläographische Befund bestätigen die Frühdatierung der Inschrift: Die Schrift lässt zwar die Proportionen und die hochwertige Ausführung der klassisch-antiken Kapitalis-Inschriften vermissen, weist aber andererseits auch noch nicht die eckigen Formen, die ungeschickte Linienführung und die Schaftverlängerungen der merowingischen Inschriften auf. Die Buchstabenhöhe ist schwankend, die Grundlinie wird jedoch weitgehend eingehalten. Schmale Buchstaben wie E stehen breiten Buchstaben mit Schrägbalken (A, M, N, V, X) gegenüber. A ist spitz, aber leicht nach links geneigt und trägt einen geraden Mittelbalken, der beim ersten A in QVINQVAGINTA fehlt. M hat schräge Außenschäfte und einen bis zur Grundlinie reichenden Mittelteil. E hat kurze, nicht immer gleich lange Balken; mehrfach ist der obere Balken links leicht über den Schaft hinaus verlängert. Die Bögen des B berühren sich nicht. Auch das P ist offen, das obere Bogenende ragt – wie auch beim R – leicht über den Schaft hinaus. Die gerade Cauda des R setzt am unteren Ende des Bogens an und ist weit nach rechts gezogen. Das kapitale G hat eine sehr kurze Cauda. Der Bogen des Q ist (fast) geschlossen, das untere Ende läuft in eine gerade nach rechts und leicht nach unten gezogene Cauda aus. Vergleichbare Schriftmerkmale finden sich etwa bei den Inschriften für Martinianus und Artemia im Römisch-Germanischen Museum Köln, die beide aus St. Gereon in Köln stammen und deren Entstehung Binsfeld im späten 4. bis 5. Jahrhundert ansetzt.5)

Das Christusmonogramm ist in der vorliegenden reduzierten Form mit den apokalyptischen Buchstaben seit der Mitte des 4. Jahrhunderts überliefert, die spätesten Belege stammen aus der Mitte des 6. Jahrhunderts.6) Während die gleichzeitige Ausführung des linken und des mittleren Christusmonogramms von derselben Hand nicht in Zweifel steht, könnte das rechte nachträglich bzw. von anderer Hand angebracht worden sein. Ein Indiz dafür ist nicht nur die höhere Position auf dem Stein, die die Symmetrie stört, sondern auch die Gestaltung des (geschlossenen) P, dessen Bogen oben nicht über den Schaft hinausragt und unten, anders als in den anderen Fällen, waagerecht verläuft.7)

In einer eingehenden Untersuchung hat Heinrich Tiefenbach die Deutung des germanischen Namens Batimodus im Sinne von „jemand, der das Herz/den Mut eines Batavers hat“ vorgeschlagen.8) Falls sein Träger, wie anzunehmen ist, den ortsansässigen Hattuariern angehörte, ließe sich der Name aus der unmittelbaren Nachbarschaft zum Gebiet der Bataver erklären.9) Das Vorhandensein des Steins setzt eine christliche Gemeinde voraus, über die sonst keine gesicherten Daten vorliegen. Der Batimodus-Stein ist somit „das einzige unzweifelhafte Beweisstück für die Anwesenheit eines Christen auf dem spätrömischen Friedhof“10).

Während die frühchristlichen Grabinschriften üblicherweise mit der Formel „hic quiescit“, „hic pausat“ oder „hic iacet“ beginnen, ist die Formulierung IN PACE HIC RECEPTVS EST ungewöhnlich. Das Grab wird für den Verstorbenen zum bergenden „receptaculum“ im Vertrauen auf den Frieden spendenden Gott der Christen. Dementsprechend dürfte im Verb „recessit“ = ‚er ging zurück’11) der Gedanke an eine „Heimkehr“ des Verstorbenen aus der „peregrinatio in hoc mundo“12) mitschwingen. Für die Verwendung von „recessit“ gibt es eine ganze Anzahl von Parallelbeispielen, im Kölner Raum meist in Form der Wendung „in pace recessit“.13)

Die Inschrift dokumentiert eine Zeitenwende: Die römische Antike geht zu Ende, ihr Erbe tritt das christliche Mittelalter an.

Textkritischer Apparat

  1. Nur der untere Schaftteil des I ist erhalten.
  2. Beschädigung der Steinoberfläche und des Buchstaben I durch zwei Ausbrüche.
  3. Der rechte Schaft des zweiten N und das O sind kleiner ausgeführt, um die schadhafte Stelle der darüber liegenden Zeile zu umgehen.
  4. Vom zweiten N sind nur der linke Schaft und der obere Teil des Schrägschafts erhalten.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. RMX XBa 238. Das Original befindet sich im LVR – Archäologischer Park/RömerMuseum, eine Kopie im Stiftsmuseum Xanten.
  2. Borger, Ausgrabungen (1964), S. 68; Runde, Xanten (2003), S. 113; Ristow, Der heilige Viktor (2015), S. 16.
  3. Schillinger-Häfele, Nachtrag (1977), S. 554: „wohl nicht vor dem fünften Jahrhundert n. Chr.“; Bader, Dom I (1978): E. 4., eher 5. Jh.; ders. in Bader/Wieland, Sanctos (1985): E. 4. Jh.–A. 5. Jh.; Siegmund, Xanten (1989), beruft sich auf Bader; Bridger, Märtyrergrab (1998), S. 234 und Runde, Xanten (2003): um 400; Otten, Märtyrergrab (2002), S. 31: 2. H. 5. Jh.; Otten/Ristow, Xanten in der Spätantike (2008), weisen auf die mangelnde Zuverlässigkeit der Datierungen hin, datieren die Batimodus-Inschrift aber „noch in die ausgehende römische Epoche“. Tiefenbach, Batimodus-Stein (1986), S. 25.
  4. Tiefenbach, Batimodus-Stein (1986), S. 25.
  5. Binsfeld, Steininschriften (1965), Nr. 7f. mit Tf. 2f.; Galsterer/Galsterer, Röm. Steininschriften (2010), Nr. 497 mit Tf. 102.
  6. Hans Feldbusch, Art. Christusmonogramm, in: RDK 3 (1953), Sp. 707–720 (708).
  7. Die leicht unscharf wirkende Ausführung kann nicht als Argument herangezogen werden, da sie sich ebenso am Ende der letzten Zeilen des Sterbevermerks findet und offenbar auf die Oberflächenstruktur zurückzuführen ist.
  8. Tiefenbach, Batimodus-Stein (1986), S. 30–47.
  9. Ebd., S. 44. Im Kat. Stiftsmuseum Xanten (2010), S. 35, wird die Bedeutung des Namens mit „Gutmut“ angegeben.
  10. Bridger, Gräber (2008), S. 591. Er formuliert damit einen Minimalkonsens, der weit hinter der Annahme Baders zurückbleibt, der das Gräberfeld als ein christliches und das von ihm ausgegrabene Doppelgrab als das christlicher Märtyrer betrachtet. Siehe Einleitung, Kap. 2.1.
  11. Die Verwendung des Verbs in einer frühchristlichen Trierer Grabinschrift vermutet Kraus (Christl. Inschriften I [1890], S. 62, Nr. 59; das Wort ist dort allerdings ergänzt).
  12. Blaise, Dictionnaire (1954), S. 609 (mit zahlreichen Nachweisen u. a. bei Augustinus).
  13. Vgl. Spätantike und frühes Mittelalter (1991), S. 133; Binsfeld, Steininschriften (1965), S. 59, Nr. 2; 61, Nr. 10; 62, Nr. 14; 63, Nr. 19. Binsfeld datiert die entsprechenden Steine ins 4. bis 6. Jh. Siehe auch CIL XIII (1907), Nr. 299, 2362, 2406, 2432, 3787, 3893, 3894.

Nachweise

  1. Borger, Ausgrabungen (1964), S. 68 und Tf. 7.
  2. Schillinger-Häfele, Nachtrag (1977), S. 554, Nr. 210.
  3. Bader, Dom I (1978), Tf. 27.
  4. Bader/Wieland, Sanctos (1985), S. 481f.
  5. Tiefenbach, Batimodus-Stein (1986), S. 26, Abb. S. 24.
  6. Siegmund, Xanten (1989), S. 196.
  7. Spätantike und frühes Mittelalter (1991), S. 133 und S. 131, Abb. 78.
  8. Angenendt, Merowinger- und Karolingerzeit (1998), S. 41f.
  9. Runde, Xanten (2003), S. 113.
  10. Bridger, Gräber (2008), S. 591.
  11. Otten/Ristow, Xanten in der Spätantike (2008), S. 575f. mit Abb. 411.
  12. Kat. Stiftsmuseum Xanten (2010), S. 35, Nr. I/19 mit Abb. der Kopie.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 1 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0000100.