Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 6† † Dionysiuskapelle um 1080

Beschreibung

Wandmalerei in einer Nische auf der Südwand der Dionysiuskapelle1): Darstellung der Entrückung der Propheten Enoch und Elias.2) Die Malerei füllte die obere Hälfte der Rundbogennische aus. Zwischen 1472 und 1478 mit der Nische vermauert, 1923 von Kaplan K. Arden wiederentdeckt, 1945 mit der Kapelle zerstört. Vor einem einfarbig grünen Hintergrund oben ein schwebender Engel, der ein Spruchband mit einer Aufforderung an die darunter dargestellten Propheten in der Hand hält (Bildinschrift A). Enoch (mit Namensbeischrift B) ist auf den Spruch des Engels hin in die Knie gesunken, Elias (C) ist stehen geblieben, beide mit den Gebärden der Überraschung und Furcht, über ihnen eine Bildbeischrift (D). Ihnen gegenüber, durch einen Baum getrennt, steht eine Gruppe von zwei Männern und einer Frau (vermutlich die in der Apokalypse erwähnten Feinde der Propheten) mit den Gebärden des Schreckens und der Furcht, auch über ihnen befindet sich eine Bildbeischrift (E). Das ausdrucksstarke Gemälde war vor seiner Zerstörung noch recht gut erhalten, nur die Frauengestalt rechts war bereits 1925 weitgehend zerstört. Inschriften in schwarzer (A, C–E) und weißer Farbe (B) aufgemalt.

Inschriften nach Foto (um 1933/34).3)

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    ASCENDITEa) HVC4)

  2. B

    ENOCH

  3. C

    [ELI]AS5)

  4. D

    [VOCE VOC]ANTE PIA TRANS/[IERVNT] MORTIS [AMARA]b)

  5. E

    HOS TIMORc) AVDITA CO(M)MOVIT VOCE SVP(ER)NA

Übersetzung:

(A) Kommt herauf!

(D) Bei dem Ruf der heiligen Stimme überschritten sie die Bitternis des Todes.

(E) Diese ergriff Furcht, als sie die überirdische Stimme hörten.

Versmaß: Hexameter, einsilbig leoninisch gereimt (D, E).

Kommentar

Die sorgfältig ausgeführte Kapitalis lässt in den ausgewogenen Proportionen und in gestalterischen Details den Einfluss des klassisch-karolingischen Vorbilds erkennen. So tragen die Bogen- bzw. Balkenenden des C und des T Serifen, die allerdings an den Schaftenden des H, N und V fehlen. Dem T mit breitem Balken und dem kreisrunden unzialen E (in Inschrift A und B) stehen eher schmale A, S und V sowie ovales O gegenüber. Neben dem unzialen E wird einmal die kapitale Form verwendet (ebenfalls in A). M hat parallele Außenschäfte und einen kurzen Mittelteil.

Die Ausführung der Wandmalerei setzt den Bau der Tordoppelkapelle der heiligen Dionysius und Michael voraus, den Bader aufgrund von Grabungsbefunden um 1080 ansetzt.6) Über dem südöstlichen Zugang zur Immunität gelegen, blieb die Kapelle vom Brand der Kirche 1083 verschont. Bauhistorisch steht demnach einer Datierung der Malerei im Zuge der Erstausstattung des Kapellenraumes um 1080 nichts entgegen, Selbiges gilt für den paläographischen Befund.

Textkritischer Apparat

  1. Erstes E in den Bogen des C eingestellt, zweites E mit dem Schaft des T verschränkt.
  2. Ergänzungen nach Hölker (1925), der die Schrift vermutlich noch besser lesen konnte und dem auch Bader mit seinen Übersetzungen folgt.
  3. I kleiner unter den Balken des T gestellt.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): E-1. Zur Dionysiuskapelle s. die Einleitung, Kap. 2.1. und 4.5.2.
  2. Biblische Grundlagen: Gn 5,24; IV Rg 2,1–18; Apc 11,11f.
  3. Farbfoto bei Bader, Vermischtes (1964), S. 329, Abb. 33, und Bader, Dom I (1978), Farbtafel 2, S. 119, nach einem 1933/34 im Auftrag von Bader hergestellten verschollenen Dia. Zur Lage der Wandmalerei s. ebd., Tf. 38, oben rechts.
  4. Apc 11,12.
  5. Nach Günter, Fragment (1967), Abb. 10, S. 18. Zur Datierung siehe ebd., S. 17.
  6. Bader, Dom I (1978), S. 121f. Anders (trotz Verweis auf Bader) Runde, Xanten (2003), S. 400: „vermutlich um die Mitte oder in der zweiten Hälfte des 11. Jhs.“.

Nachweise

  1. Bader, Vermischtes (1964) S. 329, Abb. 33.
  2. Arden, Kunstschatz (1925), S. 105.
  3. Hölker, Inventar (1925), E-1. –Günter, Fragment (1967), S. 18, Abb. 10 u. 11.
  4. Bloch/Schnitzler, Kölner Malerschule (1970), Abb. 467.
  5. Bader, Dom I (1978), S. 119, Farbtafel 2.
  6. Wesenberg, Bildwerke (1972), Tf. 452.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 6† (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0000605.