Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 20 St. Viktor, Hochchor vor 1311
Beschreibung
Glasgemälde: zwei Scheiben mit Darstellungen der Geburt Christi und der Anbetung der Könige in einem zweibahnigen Fenster, Joch A4.1) Sie gehören zu den Resten eines Bibelfensters mit Szenen aus dem Neuen Testament. 1963, beim Einbau der Fenster mit Szenen aus der Apokalypse des Johannes, wurden die beiden Scheiben aus technischen und ästhetischen Gründen nebeneinander eingesetzt.2) Diese Anordnung ist auch bei der jüngsten Restaurierung durch Gerlinde Möhrle (2010) nicht geändert worden.3) Auf rotgrundigen Feldern wird die zentrale Darstellung jeweils von einer grünen, nach unten durchgehenden Blattranke umrahmt. In den Ecken bildet dieselbe Ranke jeweils vier Medaillons mit Prophetenbüsten und Schriftbändern aus, deren Texte, aneinander gereiht, Beischriften zu den Darstellungen der Geburt Christi (A) und der Anbetung (B) ergeben. Die Inschriften beginnen jeweils in der linken oberen Ecke und sind im Uhrzeigersinn zu lesen. Schrift gelb auf dunklem Grund.
Siehe Lageplan.
Maße: H. 690 cm; B. 150 cm; Bu. 1,7–1,9 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
- A
HIC · NATUS // EST NOBISa) // SALVATOR // MUNDI4) ·
- B
MAGI · OFFERU(N)Tb) // AURUM / REGI // THUS DEO // MYRRAM / HOMINI
Übersetzung:
(A) Hier ist uns der Heiland der Welt geboren.
(B) Die Magier bringen Gold dem König, Weihrauch Gott, Myrrhe dem Menschen dar.
Textkritischer Apparat
- BI teilweise durch Bleirute verdeckt, S um 90° gedreht.
- E durch Bleirute teilweise verdeckt.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker (1925): D-1.
- Darunter sind zu einem zweiten Hochchorfenster gehörende, inschriftlose Szenen aus der Passion Jesu (Geißelung, Kreuztragung und Kreuzigung) sowie eine moderne Kreuzabnahme eingesetzt.
- Zum ursprünglichen Zustand s. die Aufnahme von 1961 bei Bader, 1600 Jahre (1964), Farbtafel 16. Über Originalteile und die Restaurierungen 1892 und 1961 s. Derix, Restaurierung (1964), S. 223–236.
- Vgl. Lc 2,11.
- Vgl. u. a. Sancti Hilarii in Evangelium Matthæi commentarius, cap. 1,5 (Migne, PL 9 [1844], Sp. 923A): „in auro regem, in thure Deum, in myrrha hominem confitendo“.
- Legenda aurea (1998) XIV, 140–161.
- Hilger u. a., Dom zu Xanten (2007), S. 17 (wieder abgedruckt in: Janssen/Grote, Zwei Jahrtausende [2001], S. 152f.).
Nachweise
- Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 124, Abb. 45 (A).
- Derix, Restaurierung (1964), S. 232 und Farbtafel 16.
- Hilger u. a., Dom zu Xanten (2007), S. 78 (Abb.) (B).
- Karrenbrock/Kempkens, St. Viktor (2002), S. 47.
- Lieven, Vitrea dedicata (2005), Abb. S. 155.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 20 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0002007.
Kommentar
Die symbolische Deutung der Geschenke als Hinweis auf Jesus als König (Gold), Gott (Weihrauch) und sterblichen Menschen (Myrrhe) geht auf die Kirchenväter zurück5) und fand seit dem Ende des 13. Jahrhunderts über die Legenda aurea weite Verbreitung6).
Die fast durchgängige Verwendung runder Formen, die Flächigkeit der Buchstaben, der Wechsel zwischen Haar- und Schattenstrichen sowie die Abschlussstriche bei E, M, U und (kapitalem) F kennzeichnen die voll ausgeprägte Form der gotischen Majuskel, in der die Beischriften ausgeführt sind. Die Entstehung der Scheiben im Zuge der Errichtung des Hochchores ist anzunehmen; dessen Weihe 1311 wird deshalb in der neueren kunsthistorischen Literatur als Terminus ante quem angesetzt.7)