Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 31 Stiftsarchiv E. 14.–A. 15. Jh.

Beschreibung

Ave-Maria-Glocke mit Gebet (Engelsgruß). Bronze. Konstruktion: Oktavglocke, sehr schwere Rippe, Gewicht 180 kg. Schlagton: as´´± 0. Die Umschrift verläuft zwischen zwei Rundstegen und endet vor einem Medaillon, das einen Löwen mit Beutetier zeigt. Die Glocke ist vermutlich mit der 1455 genannten Glocke, mit der das Ave Maria geläutet wurde, identisch.1) Bei Pels wird sie für das Jahr 1734 als sechste Glocke des Hauptgeläuts im Südturm erwähnt.2) Die Krone war schon vor dem letzten Weltkrieg beschädigt. Während des Krieges musste die Glocke zum Einschmelzen abgeliefert werden, kam aber ohne weitere Beschädigungen wieder zurück.3) Sie wurde 1962 bei der Firma Lachenmeyer in Nördlingen repariert und danach wieder in den Südturm hochgezogen. Heute steht sie ungenutzt und ohne Klöppel im Magazin des Stiftsarchivs.

Maße: H. 47 cm; Dm. 58,5 cm; Bu. 2,6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. +a) ave · maria · gracia · plena · dominus · tecum · benedicta · tu · m ·b)4)

Übersetzung:

Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit …

Kommentar

Die gotische Minuskel weist das doppelstöckige a mit einem sehr kräftigen senkrechten Teil des gebrochenen unteren Bogens und g mit einer Unterlänge in Form eines mit dem Bogen unverbundenen Balkens auf. Der Textbeginn ist durch ein Malteserkreuz gekennzeichnet, die Worttrennung erfolgt durch Rauten.

Als Gießer der Glocke wurde Heinrich von Gerresheim vorgeschlagen, der von 1397 bis 1409 im Erzbistum Köln nachweisbar ist.5) Für seine signierten Glocken verwendete er ebenfalls eine 2,6 cm hohe gotische Minuskel und Rauten als Worttrenner. Allerdings tragen die Buchstaben seiner Minuskel mehr Zierelemente (Zierstriche und -bögen mit umgebogenen Enden) als die Schrift auf der Xantener Glocke.6) Da ihr weitere typische Merkmale der Glocken Heinrich von Gerresheims fehlen (flache Haube, Relief mit Darstellung des hl. Georg, Gießersiegel als Signatur)7), kommt er kaum für den Guss dieser Glocke in Frage.

Die Inschrift enthält den Anfang des Ave Maria, das bereits im 6. Jahrhundert den Engelsgruß an Maria (Lc 1,28) mit der Begrüßung durch Elisabeth (Lc 1,42) verband und seit dem hohen Mittelalter zu den christlichen Grundgebeten gehört. Der Text ist bereits im 13. Jahrhundert, vor allem aber seit dem Ende des 14. Jahrhunderts vielfach auf Glocken belegt.8)

Textkritischer Apparat

  1. Malteserkreuz.
  2. Pels gibt den Text nur bis tecum wieder, Bader liest statt m das vom Text des Gebets geforderte in. Der Gießer verwendet (versehentlich?) an dieser Stelle aber ohne jeden Zweifel nur ein einziges Model mit dem Buchstaben m, während er für in bei dominus zwei Model verwendet.

Anmerkungen

  1. Lück, Bursenrechnungen (1993), Sp. 556: „campana(m), cum qua pulsatur Ave Maria“. In den Stiftsurkunden wird sie zum ersten Mal am 27. September 1467 erwähnt (Kastner, Urkunden II [2006], Nr. 1951).
  2. Pels II, Deliciae (1734), p. 60c.
  3. Ein Schreiben der Firma Monasterium/Münster aus dem Jahr 1961 enthält eine Notiz von der „Glocke as´´, die früher in dem Feld der jetzigen kleinen Viktorglocke untergebracht war“ (Stiftsarchiv Xanten, ohne Reg.-Nr.).
  4. Beginn des Ave Maria (nach Lc 1,28).
  5. Bader, Dom I (1978), S. 286 mit Fragezeichen. Zu Heinrich von Gerresheim siehe Poettgen, 700 Jahre Glockenguß (2005), S. 88f. Poettgen erwähnt die Glocke für Xanten nicht. Vgl. auch Renard, Von alten rheinischen Glocken (1918), S. 25 und S. 65, sowie Schaeben, Glocken (1977), S. 137, 189, 196 und S. 175, Fig. 45 zu Arbeiten des Gießers an anderen Orten.
  6. Vgl. die Abwicklung der Ringsheimer Glocke von 1397 bei Schaeben, Glocken (1977), S. 175, Fig. 45.
  7. Diese Auskunft verdanken wir Jörg Poettgen (†), Overath.
  8. Vgl. die zahlreichen Belege bei Walter, Glockenkunde (1913), S. 174f.

Nachweise

  1. Pels II, Deliciae (1734), p. 60c.
  2. Bader, Dom I (1978), S. 286 (nach Pels).
  3. Cuno in: Heckes, Restaurations-Bau (1989), Art. Glocken, S. 5f.
  4. Ley/Kernder, „Mit heiterer Stimme“ (2005), S. 49f. (mit Abb.).

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 31 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0003104.