Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 32 Stiftsmuseum E. 14.–A. 15.Jh.
Beschreibung
Reliquiar, sog. Embriachikästchen.1) Bronze (Sockel und Kruzifix in der Krönung), Elfenbein, Bein, Holz (Aufbauten), Goldemail und Edelsteine (Kreuzanhänger). Sechsseitiges Kästchen mit 20 Reliquien im Inneren und weiteren Reliquien im Deckel.2) Der bronzene Sockel wird von sechs sitzenden Löwen an den Ecken getragen. Die sechsseitige Wandung des Kästchens besteht aus zinnenbekrönten, von braunen Beinstreifen gerahmten Beinplatten mit Reliefdarstellungen der zwölf Apostel, die jeweils im Gespräch einander zugewandt sind; an den Ecken sind alternierend schmalere Platten mit je einer Figur eines hl. Bischofs (darunter Nikolaus) oder Mönchs eingefügt, eine Platte mit der Darstellung eines Kriegers ist später ergänzt. Der Deckel ist geschmückt mit Wellen- und Flechtbändern in Marketerie-Arbeit aus weißen und grünen Beinplättchen, braunen und schwarzen Holz- und Hornstückchen. Der bekrönende, aus Bronze gegossene Kruzifixus wurde nachträglich hinzugefügt, der Titulus ist graviert (A). Die aus den Kreuzenden sprießenden Zweige und Blätter weisen auf die Bedeutung des Kreuzes Jesu als Baum des Lebens hin.3) Der besonders kostbare Kreuzanhänger im Deckelinneren wird einer Pariser Werkstatt zugeschrieben. Er ist aus Gold gegossen und an den Balkenenden mit edelsteingeschmückten Vierpässen versehen, der Corpus ist zusätzlich emailliert und wird von Perlen an Kreuzstielen gerahmt. Der Kreuztitulus (B) ist graviert und schwarz ausgemalt. Eine am unteren Ende des Kreuzes angenietete Platte in Ankerform symbolisiert das Kreuz als Zeichen der Hoffnung, eine Aussage, die durch die Farbe der Steine (Rot für Passion, Blau für Himmel) und das Weiß des Corpus (Reinheit) unterstrichen wird.
Maße: H. 23,5 cm; B. 15 cm; T. 15 cm (Gesamtmaße). H. 7,4 cm; B. 5,2 cm; Bu. 0,4 cm (Goldemailkreuz). H. 8,2 cm; B. 6 cm; Bu. 0,3 cm (Bronzekreuz).
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
- A
inri4)
- B
inri4)
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker (1925): B-8.
- Alle sind mit Stoffstreifen umwickelt und mit Authentiken versehen.
- Vgl. Johanna Flemming, Art. Baum, Bäume, in: LCI, Bd. 1 (1968), S. 262f.
- Nach Io 19,19.
- Nähere Einzelheiten zur Beschreibung, zur kunsthistorischen Einordnung, zur Künstlerfamilie der Embriachi und zur weiterführenden Literatur siehe Grote, Schatz von St. Viktor (1998), S. 102–106; vgl. Kat. Stiftsmuseum Xanten (2010), S. 70f.
Nachweise
- Grote, Schatz von St. Viktor (1998), Abb. S. 102f. und 105.
- Kat. Stiftsmuseum Xanten (2010), Nr. III/04, Abb. S. 71.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 32 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0003203.
Kommentar
Das Kästchen ist eine Arbeit aus der venezianischen Werkstatt der Familie Embriachi, die Ende des 14. und im 15. Jahrhundert für (Elfen)Beinarbeiten mit Holzeinlagen bekannt war. Das bekrönende Bronzekreuz hingegen ist niederrheinischer Provenienz und wird ins Ende des 14. Jahrhunderts datiert.5) Der Kreuzanhänger im Deckel wurde in Paris um 1400 gefertigt und wird den bedeutendsten Kleinodien der französisch-burgundischen Hofkunst dieser Zeit zugerechnet. Die gotische Minuskel weist keine Besonderheiten auf und steht der kunsthistorischen Datierung nicht entgegen.