Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 36 LVR – Archäologischer Park/RömerMuseum 1414 o. später

Beschreibung

Gedenkkreuz (Mordkreuz?), ursprünglich in der Römerschlucht auf dem Fürstenberg aufgestellt, 1974 ins (mittlerweile aufgelöste) Regionalmuseum, später ins Magazin des RömerMuseums verbracht1), in situ heute eine Kopie. Eifeler Basalt. Auf der Vorderseite ist eine vierzeilige verwitterte Gedenkinschrift in Mittelniederländisch eingehauen, darunter ein Wappen. Eine weitere Inschrift auf der Rückseite ist verwittert und nicht mehr lesbar.

Maße: H. 89 cm (mit Verankerung 130 cm); B. 22–24 cm; T. 16 cm; Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

  1. ano M/cccc xiiii wort / he(n)ricka) bolt hb) / v(er)mor[t]c)

Übersetzung:

Im Jahr 1414 wurde Henrick Bolt … ermordet.

Wappen:
Bolt (?)2)

Kommentar

Nach einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 19363) wurde in Birten durch Generationen hindurch eine Geschichte zur Entstehung dieses Kreuzes mündlich tradiert. Demnach wanderte der Flößer Heinrich Bolt, von Holland kommend, wo er seine Fracht verkauft hatte, auf dem alten Heeres- und Postweg rheinaufwärts und fiel in dem Hohlweg oberhalb Birtens, wegen des im ersten Jahrhundert nahe gelegenen Römerlagers „Römerschlucht“ genannt, einem Raubüberfall zum Opfer. In anderen Erzählungen wechseln die Angaben zum Beruf des Erschlagenen; so ist von einem mit seinem Pferd zurückwandernden Treidler die Rede4) oder von einem Malermeister, der mit seinem Jahreslohn für Arbeiten an der Xantener Stiftskirche unterwegs war.5) Alle Erzählungen haben den Raubmord an einem Wanderer in der Römerschlucht als gemeinsamen Kern. Eine Bestätigung der mündlichen Tradition in schriftlichen Quellen fehlt, doch bot nach der Inschrift tatsächlich ein Mord den Anlass für die Errichtung des Kreuzes. Ob diese Teil einer Sühneleistung des Täters auf der Basis eines Sühnevertrages6) war oder durch die Angehörigen erfolgte, ist offen. Parallelbeispiele für Inschriften auf Sühne- und Totenkreuzen sind seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts überliefert.7) Im Unterschied zu vergleichbaren Kreuzen wird hier allerdings nur das Jahr, nicht aber der Tag des Todes genannt. Möglicherweise deutet das Fehlen des Tagesdatums auf einen gewissen zeitlichen Abstand zum Ereignis hin.

Die Lesbarkeit der Inschrift wird durch das poröse Gestein erschwert, doch ist die Schrift durchaus sorgfältig gestaltet: Am Wortbeginn sind der linke und der mittlere Schaft des w nach oben verlängert, ebenso der erste Schaft des v. Die Oberlänge des h ist gespalten, der senkrechte Teil des gebrochenen Bogens läuft unter der Grundlinie bogenförmig aus. Beim x (mit Mittelbalken) ist der linksschräge Schaft senkrecht gestellt, der Rechtschrägschaft im unteren Abschnitt auf einen Haarstrich reduziert. Als Versal wird ein symmetrisches unziales M verwendet, das durch einen breiten Bogen abgeschlossen ist. Die Schriftmerkmale sprechen für eine Entstehung der Inschrift im 15. Jahrhundert, allerdings deuten die ausgeprägten, gespaltenen Oberlängen und die Gestaltung des x eher auf die Mitte oder gar die zweite Hälfte des Jahrhunderts hin.

Textkritischer Apparat

  1. wort / he(n)rick] Wol Ḍịṛick Wisplinghoff (in Bader, Dom I [1978], S. 152).
  2. Kürzungsstrich über dem h. Beabsichtigt war vermutlich eine Ortsangabe (hier o. ä.), die aus Platzgründen nicht ausgeführt wurde.
  3. Das t aus Platzgründen nicht mehr ausgeführt. Kürzungsstrich über dem v.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. RMX 2014.01.001.
  2. Marke, s. Anhang, Nr. 1.
  3. Bote für Stadt und Land vom 2.11.1936.
  4. Bote für Stadt und Land vom 2.11.1940.
  5. Die beiden Zeitungsartikel wurden freundlicherweise von Herrn Willi Theußen vom Geschichtsverein Birten zur Verfügung gestellt. Von ihm stammt auch der Hinweis auf die Erzählversion von Heinrich Bolt als Malermeister.
  6. Siehe dazu Müller-Veltin, Steinkreuze (1980), S. 112–116. Zur Funktion des Kreuzes als Sühnezeichen siehe Wolfgang Leiser, Art. Steinkreuz, in: HRG, Bd. 4 (1990), Sp. 1948f.
  7. Vgl. etwa DI 51 (Wiesbaden [2000]), Nr. 23 (1382); DI 54 (LK Mergentheim [2002]), Nr. 71 (1488); DI 55 (LK Rügen [2002]), Nr. 57 (1510).

Nachweise

  1. Bote für Stadt und Land vom 2.11.1936 (Foto).
  2. Bader, Dom I (1978), S. 152 (mit fehlerhafter Lesung).

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 36 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0003609.