Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 43 Marienbaum, St. Mariä Himmelfahrt 2. H. 14.–1. H. 15. Jh.?
Beschreibung
Skulptur: Muttergottes mit Kind, sog. Gnadenbild von Marienbaum, in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert.1) Baumberger Sandstein. Nach der Ursprungslegende der Marienbaumer Wallfahrt um 1430 in einer treppenartig gewachsenen Eiche (dem sog. „Trappenboom“) aufgefunden. Die Madonna mit dem Zepter in der Rechten und dem Jesusknaben auf dem Arm wendet ihr Antlitz dem Kind zu. Der Knabe hält in den Händen ein Spruchband mit seinem aufgemalten Namen in gekürzter Form. Wann die älteste Farbfassung aufgetragen wurde, zu der auch das Jesusmonogramm gehört, ist nicht bekannt. Nach der alten Fassung war das blonde Haar der Marienfigur von einem weißen Schleier bedeckt, sie trug einen blauen Mantel über einem roten Untergewand, das Kleidchen des Kindes war grün.2) Nach 1894 wurde die alte Fassung entfernt, die schwarz aufgemalte Inschrift könnte dem äußeren Anschein nach allerdings im Originalzustand erhalten sein. Die Köpfe der beiden Figuren wurden im Spanisch-Niederländischen Krieg 1568 abgetrennt und später restauriert. Der Untersatz ist barock, auch die beiden Metallkronen sind spätere Zutaten.
Maße: H. 39 cm; Bu. 0,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Buchminuskel.
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Textkritischer Apparat
- Über dem h eine Tilde, vermutlich als Kürzungszeichen.
Anmerkungen
- Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 36.
- Scholten, Marienbaum (1909), S. 5, der auch auf zwei Zeichnungen aus dem Jahr 1648 hinweist. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 36, spricht auch von „alter Polychromierung“, nennt als Material aber irrtümlich „Eichenholz“. Er datiert die Skulptur in die zweite Hälfte des 14. Jh.
- Zur Auflösung s. Kap. 1 der Einleitung.
- Geyer, Marienbaum (1930), S. 23 mit Berufung auf den damaligen Museumsdirektor Max Creutz. Das nach Hüftneigung der Madonna und Faltenwurf ihres Gewandes hochgotische Werk zeigt in der Gestaltung des Antlitzes holländischen Einfluss.
- Nach Buscher, Marienbaum (1956), S. 142f.
- Scholten, Marienbaum (1909), S. 41; vgl. S. 8 und 12.
- Geyer, Marienbaum (1930), S. 23f.; van Loock, Birgittenkloster (1978), S. 291f. mit weiteren Details und Verweis auf die älteste „Historie van Marienboom“ des Klostergeistlichen Pater van Gherwen, 1711.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 43 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0004300.
Kommentar
Die aus nur drei Buchstaben bestehende Inschrift ist eher der gotischen Buchminuskel als der gotischen Minuskel im Sinne einer epigraphischen Schrift zuzuordnen. Aufgrund ihrer Kürze bietet sie kaum genug Material für eine paläographische Datierung und kann nur grob in die zweite Hälfte des 14. oder die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts eingeordnet werden.
Das Gnadenbild, das der niederrheinischen Plastik zugeordnet wird,4) soll um 1430 von einem kranken Schäfer infolge einer Traumvision in einem als Schafstrift genutzten Bruchgebiet, genannt Broechem oder Bruchem, aufgefunden worden sein. Nachdem der Schäfer durch die wundertätige Wirkung des Bildes gesund geworden war, kam es zu ersten Wallfahrten. Am Fundort ließ der Vynener Pfarrer mit Erlaubnis des Grafen Adolf I. von Kleve eine Kapelle bauen, die am 23. August 1441 geweiht wurde und das Gnadenbild aufnahm. Kurz nach der Gründung des Birgitten-Doppelklosters Marienbaum im Jahr 1460 und dem Ausbau der Kapelle zu einer Wallfahrtskirche auf Initiative der Witwe Graf Adolfs I., der Klever Herzogin Maria von Burgund,5) wurde das Gnadenbild in eine kleine, 1462/63 an der Landstraße auf dem Buitenhof für Wallfahrer errichtete Kapelle verbracht.
Im Spanisch-Niederländischen Krieg wurde das Gnadenbild 1568 durch spanische Truppen geschändet und beschädigt. Nach seiner Wiederherstellung bekam es seinen alten Platz wieder.6) Das Birgittenkloster wurde 1801 im Zuge der Säkularisation aufgehoben. Das Gnadenbild gelangte auf dem Umweg über Rees 1804 wieder nach Marienbaum, wird heute auf einem Seitenaltar ganzjährig ausgestellt und einmal, am Fest Mariä Himmelfahrt, in feierlicher Prozession mitgeführt.7)