Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 51 St. Viktor, Kreuzgang 1481

Beschreibung

Epitaph für Hermann Smacht1) im Nordflügel des Kreuzgangs, Joch U15. Baumberger Sandstein. Das Epitaph besteht aus einem Relief und einer darunter angesetzten Schrifttafel. Das mit einem schlichten, profilierten Rahmen versehene, ursprünglich farbig gefasste Relief zeigt den Vorgang der Kreuzigung Christi auf Golgotha: Während ein Scherge Christus ans Kreuz nagelt, legt ein anderer ihm Fußfesseln an. Unten links der Stiftsherr, kniend im Gebet versunken, den Rosenkranz um seine gefalteten Hände geschlungen, von denen aus sich ein leeres Spruchband emporwindet. Der hinter ihm stehende hl. Hieronymus legt seinem Schützling die Hand auf die Schulter. Oben links ist die Stadt Jerusalem angedeutet, oben rechts ein Reiter mit seinem Knappen (?). Eine schlicht gerahmte Tafel unter dem Relief trägt ein fünfzeiliges Grabgedicht mit Bestattungsvermerk und Fürbitte, das erhaben aus dem eingetieften Grund herausgehauen wurde. Das Epitaph wurde beim Neubau der Kellnerei 1534 oder beim Neubau des Kreuzgangs 1543–1546 hier neu eingelassen.2) Es wurde 1945 leicht beschädigt. Eine in der Mitte des Reliefs horizontal verlaufende Fuge ist nicht sicher zuzuordnen.

Siehe Lageplan.

Maße: Relief: H. 105 cm; B. 105 cm. Schrifttafel: H. 52 cm; B. 102 cm3); Bu. 5–5,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

  1. Anno · milleno · quater et c · l semel x ter /I si iu(n)gat(ur) · herma(n)n(us)a) smacht tumulat(ur) · /Festo [ger]manib) que(m) tollat regio celi ·c) /P(res)b(ite)r hic fuerat beneficia nulla tenebat /Pastor egenoru(m) sed maxime clericuloru(m)

Übersetzung:

Im Jahre tausend und viermal hundert, einmal fünfzig, dreimal zehn (und) wenn man eins hinzuzählt (= 1481) wird Hermann Smacht am Fest des Germanus (28. Mai oder 31. Juli?) begraben. Ihn möge der Himmel aufnehmen. Er war hier Priester gewesen, hatte keine Pfründen, sondern war Hirte der Bedürftigen (und) besonders der jungen Geistlichen.

Versmaß: Hexameter, Vers 2 und 5 zweisilbig, 3 und 4 einsilbig leoninisch gereimt.

Kommentar

Das Epitaph für Hermann Smacht stammt aus derselben Werkstatt wie das Epitaph für Gerhard Vaeck (Nr. 50) und vermutlich auch die – schlichter gestalteten – Prosainschriften für Johannes Smeds (Nr. 49) und Arnold Bols und Margareta Saerbruggen (Nr. 56). Form und Stil der hervorragend gearbeiteten gotischen Minuskel mit den auffälligen, sehr ornamental ausgestalteten Versalien stimmen mit der ebenfalls versifizierten Inschrift für Gerhard Vaeck weitgehend überein (zur Schrift s. Nr. 50). Im Detail sind allerdings auch kleine Unterschiede festzustellen. So findet sich am Smacht-Epitaph ein einseitig gezackter Schaft nicht nur beim l, sondern auch bei b, h, i, m und Lang-s; die Schäfte von m und l tragen zwei Zacken. Zum kastenförmigen a mit und ohne Balken kommt das zweistöckige, oben offene a hinzu (etwa bei tenebat). Die Enden der Sporen, Abschlussstriche und einiger Schäfte laufen hier in Rankenwerk aus, das auch die von Schrift freie Fläche unter dem Text füllt. In den beiden ersten Zeilen werden Quadrangel als Worttrenner verwendet. Der auch bei den anderen genannten Epitaphien verwendete große Bogen als Kürzung für us ist hier offenbar missverstanden worden, er ist wie ein n mit einem am unteren Ende des rechten Schafts angefügten und nach rechts eingerollten Zierbogen ausgeführt.

Inhaltliche und formale Übereinstimmungen sprechen dafür, dass der Text von demselben Verfasser stammt wie der des Epitaphs für Gerhard Vaeck: Beide Inschriften sind in Versen abgefasst und beginnen mit der durch Rechenoperationen zu erschließenden Jahresangabe. In beiden Fällen wird das Sterbedatum in Form des Heiligentages angegeben und eine kurze biographische Angabe hinzugefügt, die Fürbitte weicht von dem standardisierten Text (etwa „cuius anima requiescat in pace“) ab. Die Parallelen entsprechen der engen Verbindung zwischen Hermann Smacht, der weder eine eigene Pfründe noch ein Vikariat besaß, und dem Fabrikmeister Gerhard Vaeck, der ihn bezahlte. Wahrscheinlich gehörte der Verstorbene zur Xantener Familie Smacht, die mit dem Stift eng verbunden war. Arm war er nicht, am 5. Februar 1457 kaufte er ein Haus in der Brückstraße, und er gehörte zur Vikarienbruderschaft. Nach der Beschreibung Heymericks zur Viktortracht von 1464 zählte er zu den „chorisocii sacerdotales“, den Chorgenossen. Heymerick nennt ihn einen „gottesfürchtigen Mann und Freund der Lehre“. Seine Lebensführung war schlicht. Seine besondere Sorge galt – der Grabinschrift zufolge – den Armen und den Kanonikerschülern. Als sein Begräbnistag wird in der Grabinschrift der Tag des hl. Germanus genannt, eine mehrdeutige Angabe, da mehrere Heilige (darunter verschiedene Päpste und ein Abt) dieses Namens an verschiedenen Tagen des Jahres verehrt wurden. In Westdeutschland wurde am 28. Mai Germanus von Paris gefeiert, am 31. Juli Bischof Germanus von Auxerre.4) Bader hält aufgrund der Aufnahme des 31. Juli in alle Kalender des Stifts dieses Datum für den wahrscheinlichen Bestattungstag.5)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch us-Haken.
  2. Beschädigung durch Durchschlag, heute restauriert.
  3. Vegetabiles Ornament an Stelle des üblichen Trenners in Form eines Quadrangels.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-52.
  2. Bader, Dom I (1978), S. 224; vgl. ders., Vermischtes (1964), S. 358.
  3. Die rechte Rahmenleiste fehlt.
  4. Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung (142007), S. 60.
  5. Zu Einzelheiten s. Bader, Dom I (1978), S. 293f.

Nachweise

  1. Archiv der Dombauhütte, Abrieb Cuno, Nr. 16690 (1857/1868).
  2. Rein, Gedenktafel (1869), S. 134.
  3. Beissel, Bauführung III (1889), S. 77, Anm. 1 (fehlerhaft).
  4. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 149, Nr. 28.
  5. Hölker, Inventar (1925), H-52.
  6. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 34f., Nr. 34.
  7. Bader, Dom I (1978), S. 224, 293f. mit weiteren Quellenangaben.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 51 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0005100.