Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 72(†) Stiftsmuseum 15. Jh.

Beschreibung

Kasel und Dalmatik der (nach 1925 verschollenen) sog. Grünen Kapelle, grüner florentinischer Samt mit Granatapfelornament.1) Auf den Vorder- und Rückseiten appliziert sind Kölner Borten als Stäbe, auf der Dalmatik auch als Querriegel, gewebt und gestickt. Die Borte der bassgeigenförmigen Kasel trug in Ornamentranken Standfiguren von biblischen Personen und Heiligen mit Namensbeischriften unter den Darstellungen. Erhalten ist lediglich ein durch Wasserschaden stark beschädigtes Fragment des Kaselstabes, aufgenäht auf einem Stück der Kaselvorderseite2). Es zeigt auf Goldgrund eine zur Hälfte erhaltene Figur des heiligen Antonius Eremita3) (Beischrift C verloren) zwischen sich kreuzenden Ranken; darüber die Beischrift zu einer verlorenen Darstellung der hl. Margareta (B), von der nur noch ein Gewandsaum auf einem Rasenstück zu erkennen ist. Darüber befand sich zudem der Name des hl. Paulus (A), allerdings ohne die zugehörige Darstellung. Auf der Rückseite waren die Madonna mit Kind und dem Anfang des Regina caeli (D), der hl. Petrus und die hl. Katharina (E–F) dargestellt, darunter ein weiterer Heiliger mit Fahnenlanze, wohl der hl. Viktor, abgeschnitten und ohne Beischrift. Die unvollständigen Darstellungen am unteren Ende der Rückseite und am oberen Ende der Vorderseite belegen, dass die Applikation auf die grüne Samtkasel als Sekundärverwendung zu beurteilen ist. Das wird durch den Umstand gestützt, dass die Kaselrückseite nicht, wie sonst üblich, ein Kreuz trug. Auf den Stäben der Dalmatik4) die wiederkehrenden Nomina sacra Mariens (G) und Jesu (H) im Wechsel mit Blütenbäumen und Schmuckrosetten auf Goldgrund, sowie rechts und links jeweils das Marienmonogramm im Blattkranz (I)5), auf dem Querriegel zwischen Bäumchen Halbfiguren von St. Petrus und St. Viktor.6)

Inschriften nach Foto.

Maße: Kasel: L. 109 cm; B. 65 cm, 14 cm (Stab); Bu. ca. 2,2 cm. Dalmatik: L. 96 cm; B. 68 cm, 6,5 cm (Stäbe), 13,5 cm (Riegel); Bu. ca. 2,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. A†

    s(anctus) paulus

  2. B

    s(ancta)a) ma(r)garetaa)

  3. C†

    s(anctus) anthoni(us)

  4. D†

    regi(n)a celi let(a)re7)

  5. E†

    s(anctus) petrus

  6. F†

    s(ancta)a) katheri(n)a

  7. G†

    maria

  8. H†

    ihesus

  9. I†

    m

Übersetzung:

(D) Freu dich, du Himmelskönigin.

Kommentar

Für einen paläographischen Kommentar steht nur die Beischrift zur hl. Margaretha zur Verfügung (B). Sie ist in einer schmalen gotischen Minuskel mit doppelstöckigem a ausgeführt, das s ist als Bandminuskel gestaltet. Bemerkenswert sind die als Kürzungszeichen verwendeten Punkte mit oben und unten angesetzten Zierhäkchen.

Das Regina caeli (Inschrift D) ist eine alte marianische Antiphon, die in den Horen nach der Komplet oder der Vesper gesungen wird. Das Lied an die Himmelskönigin ist der Osterzeit zugeordnet, in der es auch an die Stelle des Angelus treten kann. Text und gregorianische Melodie sind seit dem 12. Jahrhundert überliefert.8) Der Beginn der Antiphon ist mehrfach auf Kölner Borten inschriftlich ausgeführt worden, unter anderem auf einer von dem Xantener Kanoniker Johannes Muelre (gestorben 1484) gestifteten Kasel, die heute in der Schatzkammer der Propsteikirche Essen-Werden aufbewahrt wird.9)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch Punkte mit Zierhäkchen oben und unten.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker/Jaques, Inventar (1925/75): I-4; vgl. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 135, Nr. 2–4. Eine zugehörige Stola und zwei Manipel sind ebenfalls verschollen.
  2. Heitmeyer-Löns, Inventar Paramente (2008), Bd. 2, Nr. 108. Vgl. RBA 53392.
  3. Schiffler verweist unter Bezug auf Scheyer, Kölner Bortenweberei (1932), auf eine ähnliche Darstellung des hl. Antonius im Westfälischen Landesmuseum Münster.
  4. RBA 53393; vgl. Brandt, St. Viktors-Dom (1991), S. 122.
  5. Zur Gestaltung der Stäbe vgl. die Dalmatiken der sog. Roten Kapelle (Nr. 79).
  6. Nach einer typographischen Beilage zu Abzügen der drei RBA-Aufnahmen im Nachlass Jaques. Die Beschreibung der Kasel auf demselben Blatt ist fehlerhaft.
  7. Marianische Antiphon, siehe u. a. Analecta Hymnica 15 (1893), Nr. 93f.; CAO II (1965), Nr. 95c, S. 439; III (1968), Nr. 4597, S. 440.
  8. Wolfgang Breitschneider, Art. Marianische Antiphonen, in: LThK, Bd. 6 (2009), Sp. 1357–1359.
  9. DI 81 (Stadt Essen, [2011]), Nr. 77, dort auch zu weiteren Ausführungen des Textes als Inschrift.

Nachweise

  1. Fotos: RBA 53392 (A, C), RBA 53391 (D, E), RBA 53393 (G–I) (alle vor 1945).
  2. Hölker/Jaques, Inventar (1925/75), I-4.
  3. Schiffler, Inventar (1981), Mp. V, 1, Nr. 4.
  4. Heitmeyer-Löns, Inventar Paramente (2008), Bd. 2, Nr. 107/08.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 72(†) (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0007205.