Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 80 Stiftsmuseum 1505, 1549
Beschreibung
Kelch1), Silber vergoldet, getrieben und graviert, von kunsthistorischer Seite Ende 15. bis Anfang 16. Jahrhundert datiert.2) Sechspassfuß mit profilierter Zarge. Auf einem Pass ein gravierter Kreis mit Malteserkreuz, dessen Zwickel mit gotischem Maßwerk verziert sind. Emailliertes Nomen sacrum auf den Roteln des Nodus (A). Die Schaftteile und Noduszwickel sind mit gravierten, einbahnigen Maßwerkformen verziert. Schlichte, breit ausladende Kuppa. Eine Stifterinscrift (B) und ein Renovierungsvermerk (C) wurden in die Unterseite des Fußrandes graviert, beide sind stellenweise abgerieben und nur teilweise lesbar.
Maße: H. 18,6 cm; Dm. 16 cm (Fuß); Bu. 0,8 cm (A), 0,3–0,4 cm (B, C).
Schriftart(en): Majuskel in Anlehnung an die gotische Majuskel (A), gotische Minuskel (B, C).
- A
I//H//E//S//V//S
- B
anno xv[c]a) qui(n)to Joh[a]ṇṇ[es.....]b) / rectorc) altaris b(ea)te mar(i)e v(ir)ginisd) / hu(n)c fieri fecit c̣ạḷịc̣ẹme)
- C
[………] maessf) successor / fecit reformerig) et deaurari / anno 1549
Übersetzung:
(B) Im Jahre 1505 hat Johannes …, Rektor des Altars der seligen Jungfrau Maria, diesen (Kelch) anfertigen lassen.
(C) (Sein) Nachfolger (Everhard) Maess ließ ihn im Jahr 1549 restaurieren und vergolden.
Textkritischer Apparat
- Stelle abgerieben. Von den ersten beiden Ziffern ist nur der untere Abschluss erkennbar.
- Stelle abgerieben. Zu erkennen sind noch Reste von vier Schäften.
- Beim ersten r führt vom senkrechten Schaft aus ein gerader Schrägschaft bis zur Grundlinie. Ob der Majuskelbuchstabe beabsichtigt war oder es sich um ein Versehen handelt, ist unklar.
- Kürzung durch halbmondförmiges Zeichen hinter v.
- Stelle abgerieben und zerkratzt. Noch zu erkennen zehn vorwiegend senkrechte Striche unterschiedlicher Länge.
- Stelle abgerieben und zerkratzt. Der Name ist vermutlich zu Everhard Maess zu ergänzen.
- Richtig: reformari.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker (1925): B-20.
- Grote, Schatz von St. Viktor (1998), S. 108; Schiffler, Inventar (1981), Mp. 3, Nr. 1. Aufgrund einer neuen Lesung der Stifterinschrift B konnte die Datierung des Kelches präzisiert werden. Eine Umstellung des Katalogartikels war nicht mehr möglich, so dass die Einordnung des Kelches von der üblichen chronologischen Reihenfolge leicht abweicht. Dr. Harald Drös (Heidelberg) danken wir für sein scharfes Auge und seine unermüdliche Hilfsbereitschaft.
- Zu Parallelen vgl. z. B. DI 81 (Essen [2011]), Nr. 90 (Schwertscheide, 2. Hälfte 15. Jh.), und DI 46 (Minden [1997]), Nr. 59 (Chormantelschließe, 1487).
- Beissel, Bauführung II (1889), S. 4f., III, S. 104–108.
- In seiner Amtszeit erhielt der Marienaltar ein neues Retabel (Beissel, Bauführung III [1889], S. 84f.).
Nachweise
- Schiffler, Inventar (1981), Mp. 3, Nr. 1.
- Grote, Schatz von St. Viktor (1998), S. 108 mit weiteren Literaturangaben.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 80 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0008005.
Kommentar
Die für das Nomen sacrum (A) verwendete Schrift orientiert sich zwar an der (um 1500 veralteten) gotischen Majuskel, doch sind die Buchstaben (etwa das unziale E) weder geschlossen, noch zeigen sie die durch Variation der Strichstärke und den Einsatz flächiger Sporen erreichte Spannung. Andererseits ist eine Entwicklung zu modernen Majuskelformen wie der sogenannten frühhumanistischen Kapitalis mit Ausnahme einer kleinen Einbuchtung beim Balken des H noch nicht feststellbar. Die Schaft- und Bogenenden sind gespalten. Die Stifterinschrift (B) ist in einer eckigen gotischen Minuskel ausgeführt. Die Buchstaben haben kurze Oberlängen, die Umbrüche an den Schaftenden sind zu Quadrangeln reduziert. Die Bögen sind annähernd im rechten Winkel gebrochen und waagerecht an die Schäfte angesetzt, letztendlich also zu kurzen Balken umgeformt, die in der Mitte mit dornenartigen Spitzen besetzt sind.3) Der Balken des e ist zu einem Schrägstrich reduziert, der aber deutlich über den (abgeknickten) Bogen hinausragt. Die Schrift des Renovierungsvermerks (C) greift diese 1549 nicht mehr zeitgemäßen Formen auf, doch wirkt der Duktus unbeholfener, eckiger und breiter. Beim Familiennamen maess wird zweimal das Schaft-s verwendet.
Der Kelch wurde offenbar für den Marienaltar gestiftet. Die Identität des Vikars Johannes ist bislang ungeklärt, Auftraggeber für die Renovierung des Kelches dürfte Everhard Maess gewesen sein, der von 1535 bis 1558 als Fabrikmeister4) und als Rektor des Marienaltars bezeugt ist (Nr. 162).5)