Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 103(†) St. Viktor, Kreuzgang 1529
Beschreibung
Epitaph für Wessel (Hynus genannt) Hotmann,1) vor 1945 an der Ostwand des Kreuzgangs, Joch U1, zwischen den Epitaphien Keup/Speet (Nr. 165) und Kloken (Nr. 175).2) Baumberger Sandstein. 1945 weitgehend zerstört. Das Bildrelief und die Schrifttafel wurden 2010/11 durch den Bildhauer Hilmar Müller unter Verwendung originaler Fragmente nach historischen Fotos aus der Zeit vor 1945 rekonstruiert3) und am ursprünglichen Platz aufgehängt. Das Relief ist in einen gotischen Stabwerkrahmen eingespannt, dessen auf Bündelpfeilern aufruhender Karniesbogen mit Krabben besetzt ist. Auf dem Scheitelpunkt des Bogens ein Sockel, der bereits auf Vorkriegsfotos leer abgebildet ist. Das Relieffeld zeigt die Himmelfahrt Christi.4) Unter dem Auferstandenen, der zum Himmel entschwebt, kennzeichnen Felsen und Bäume den Ölberg als Ort des Geschehens. In einem abgegrenzten, mit niedrigen Pflanzen bewachsenen Raum im Zentrum des Reliefs stehen zwei Engel, die gemeinsam ein Schriftband mit einem Schriftzitat halten (B). Sie wenden sich den Aposteln und der Gottesmutter Maria zu, die am Fuße des Ölbergs im Gebet knien und gebannt den zum Himmel auffahrenden Christus mit ihren Blicken verfolgen. Im Vordergrund Johannes der Evangelist gegenüber der Gottesmutter, hinter ihm der Stiftsherr als kniender Adorant. Unter dem schmalen, profilierten Sockelgesims ist eine querrechteckige, einfach gerahmte Inschrifttafel mit Setzungs- und Sterbevermerk (A) angesetzt. In ihrer unteren linken Ecke das in Relief gearbeitete Wappen des Verstorbenen.
Inschriften nach Foto.
Siehe Lageplan.
Maße: H. 175 cm; B. 96 cm; Bu. 3 cm.
Schriftart(en): Kapitalis (A), gotische Minuskel (B).
- A†
WESSELO HOTMAN · PREPOS(ITO)a) RESEN(SI)a) CAN(ONIC)Ob) · XANTEN(SI)a) / MORVM AC INGENII SVAVITATE OMNIBVS CHARO ET / REVERITO VIX(IT)a) AN(NOS)c) LXXX · OB(IIT)c) ID(IBVS)c) MART(IIS)c) M · D · XXVIIII / EXEC(VTORES)d) TEST(AMENTI)c) · B(ENE)c) · M(ERENTI)c) · POS(VERVNT)e)
- B†
galilei q(ui)d statis aspicie(n)tes i(n) [celum]f)5)
Übersetzung:
(A) Für Wessel Hotmann, Propst in Rees, Kanoniker in Xanten, von allen wegen seines liebenswürdigen Charakters und Sinnes geliebt und verehrt. Er lebte 80 Jahre. Er starb an den Iden des März 1529. Die Testamentsvollstrecker haben (dieses Epitaph) dem wohlverdienten Mann errichtet.
(B) Galiläer, was steht ihr hier und schaut zum Himmel empor?
Datum: 15. März.
Hotmann6) |
Textkritischer Apparat
- Doppelpunkt als Kürzungszeichen.
- Kürzungszeichen und Wortabstand fehlen.
- Kürzungszeichen fehlt.
- Anfangsbuchstabe vergrößert, Kürzungszeichen fehlt.
- Doppelpunkt als Kürzungszeichen. Beiderseits der letzten Zeile sind auf dem historischen Foto moderne Graffiti erkennbar, links [..]E[.]KENT[……], darunter unkenntliche Schriftreste; rechts ist lediglich ein W sicher zu erkennen.
- Das letzte Wort ist auf dem Foto nicht mehr lesbar. Erkennbar ist, dass es Kürzungen enthielt, vermutlich geschrieben celū.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-24.
- Zur Übernahme des Epitaphs in den neu gebauten Kreuzgang 1543–1546 (Bader, Vermischtes [1964], S. 358) siehe die Einleitung, Kap. 4.1.3.
- Als unzuverlässig ist hingegen ein Abrieb Carl Cunos von 1857/68 zu beurteilen, der vermutlich von seinen Mitarbeitern hergestellt wurde (Archiv der Dombauhütte, Nachlass Bader).
- Nach Act 1,9–11.
- Act 1,11: „Viri galilaei …“.
- Quadriert: 1/4. Vogel, 2/3. fünfblättrige Blüte.
- Die schriftgeschichtliche Beurteilung bezieht sich auf den Vorkriegszustand und beruht auf den historischen Fotos.
- Successio, fol. 26r.
- Lieven, Memoria (2017), S. 17–19.
- Kastner, Urkunden II (2006), Nr. 2103 von 1476 Aug. 20.
- Pels II, Deliciae (1734), p. 85; Classen, Archidiakonat (1938), S. 137.
- Lieven, Memoria (2017), S. 19; Classen, Archidiakonat (1938), S. 272; vgl. Pels II, Deliciae (1734), p. 154, 275, und Successio, fol. 26r.
- Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2575 von 1517 März 27.
- Pels II, Deliciae (1734), p. 85 und 428, wo Portar und Kapitel diesen Vorgang beurkunden; Beissel, Bauführung III (1889), S. 70f.
- Siehe u. a. Pels II, Deliciae (1734), p. 154.
- Ebd. und Successio, fol. 26r.
- Zählung nach Wilkes, Studien (1952), S. 57.
- Ebd., S. 60.
Nachweise
- Fotos: RBA 25157 (B), 25158 (A) (beide vor 1945).
- Archiv der Dombauhütte, Nachlass Bader, Abrieb Cuno, Nr. 16687 (1857/68).
- LAV NRW R, HS N III Nr. 2 (von Dorth, Notizen [1659–1674]), fol. 60r.
- Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 145, Nr. 3.
- Hölker, Inventar (1925), H-24.
- Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 23f., Nr. 3.
- Bambauer/Kleinholz, Inschriften, Teil 2 (1980), S. 219.
- Schirmer, Plastik (1991), S. 230.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 103(†) (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0010305.
Kommentar
Die Kapitalis7) ist sorgfältig und gleichmäßig gehauen, weist aber nicht die Merkmale einer hochwertigen Renaissancekapitalis auf. Die Schaftenden tragen kurze Sporen. Zwischen Haar- und Schattenstrichen wird kaum unterschieden. Einigen breit ausgeführten Buchstaben (M, O) stehen schmale Buchstaben gegenüber (A, E, S). Die leicht gebogene Cauda des R setzt am Schaft an. Auffällig ist der fast senkrecht stehende rechte Schaft des A, der eine Schrägstellung des Buchstabens bedingt. Das M hat schräge Außenschäfte und einen kurzen Mittelteil, die Bögen des B sind gleich groß. Misslungen ist das W im Vornamen, dessen verschränkte V ungleichmäßig hoch geraten sind (bei der Neuausführung korrigiert). Doppelpunkte dienen als Kürzungszeichen, mehrfach wurde aber auf ein Kürzungszeichen verzichtet. Die späte gotische Minuskel der Inschrift B scheint – soweit anhand des Fotos erkennbar – keine Auffälligkeiten zu zeigen und routiniert ausgeführt worden zu sein.
Die Eltern Wessel Hotmanns aus Xanten8) sind nicht bekannt, möglicherweise gehörte er einer Emmericher Ministerialenfamilie an.9) 1476 ist er als Familiar Papst Sixtus‘ IV. urkundlich bezeugt.10) Seit 1478 war er Kanoniker (später Senior-Kanoniker) des Viktorstifts11) und wurde 1482 von Sixtus IV. zum Propst an St. Marien in Rees providiert.12) Darüber hinaus wird er als „loci archidiaconus, in oppido Xanctensi residens“ aufgeführt.13) 1526 stiftete er den Märtyreraltar (vgl. Nr. 99).14) Sein Tod am 15. März 1529 wird durch andere Quellen bestätigt.15) Pels und Successio schildern ihn als leidenschaftlichen Menschen („vir suis moribus longe animosus“)16). Nach den Präsenzrechnungen wohnte Wessel Hotmann 1489–1495 in der Kurie Kapitel 1117) (vormals die Bäckerei), ab 1495 bis zu seinem Tode in der angrenzenden Kurie Kapitel 12.18)