Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 115 Evangelische Kirche 1537
Beschreibung
Glocke, sog. Betglöcklein. Bronze. Die Glocke stammt vielleicht aus dem Kloster Marienthal (Kreis Wesel) und wurde 1649, im Jahr der Eröffnung der evangelischen Kirche, nach Xanten geholt.1) Oktavglocke. Vierhenklige Krone mit Mittelzapfen, die Haube ist durch drei Grate gegliedert. Eine Stegkombination auf dem Wolm im Verhältnis 2:1:2, auf dem Schlagrand drei weitere Stege. Am Hals verläuft eine einzeilige Inschrift zwischen zwei Stegen, beginnend hinter einem Relief des in Fesseln geschlagenen hl. Sebastian, auf den ein Armbrustschütze angelegt hat. Der Text enthält eine Funktionsangabe in Form einer Glockenrede (A) und eine Anrufung des hl. Sebastian (B). Das Schriftband ist von Perlstäben gerahmt, ober- und unterhalb davon läuft ein Fries aus Kreuzblüten um. Auf der Glockenplatte befindet sich eine Meisterinschrift mit Datum (C). Seit 1662 hängt die Glocke im angebauten Turm.2)
Maße: H. 60,5 cm (ohne Krone); Dm. 68,5 cm; Bu. 1,5–6 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
- A
Conuoco mortales ad mystica dogmata semp(er)Hos inter palma(m) pater Augustin(us) habebit
- B
Sa(n)cte sebastiane tuu(m) venerabile nomen3)
- C
segeuin(us)a) hatiseren me fecit anno sesquimillesimo 374)
Übersetzung:
(A) Stets rufe ich die sterblichen Menschen zu den Geheimnissen des Glaubens. Unter diesen (Menschen) wird Vater Augustinus die Palme innehaben. (B) Hl. Sebastian, dein verehrungswürdiger Name sei gepriesen. (C) Segevin Hatiseren machte mich im Jahr anderthalbtausend 37.
Versmaß: Hexameter (A).
Textkritischer Apparat
- Kürzung durch us-Haken.
Anmerkungen
- 350 Jahre (1999), S. 49.
- Ebd.
- Umgekehrte Reihenfolge von A und B bei Thomas. Der Schriftbeginn ist jedoch durch das Figurenrelief markiert. Ferner gehört zu den vier Versalien, die nach Art von reich geschmückten Initialen gestaltet sind, auch der Anfangsbuchstabe des auf die Figurengruppe folgenden Wortes Convoco.
- Vgl. auch Bösken, Geschichte, H. 2 (1900), S. 67.
- Handbuch der Historischen Stätten (2006), S. 425.
- Renard, Von alten rheinischen Glocken (1918), S. 66; de Werd, Mörser (1986), S. 47, mit Berufung auf Fehrmann, Klokgieters (1967), S. 126–129.
Nachweise
- Bösken, Geschichte, H. 2 (1900), S. 67.
- Thomas, Anfänge (1987), S. 44 und 48.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 115 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0011501.
Kommentar
Während die gotische Minuskel keine besonderen Merkmale aufweist, sind die aus der gotischen Majuskel entwickelten Versalien von hervorragender Qualität und in dieser Form an Glocken selten zu finden. Sie sind mit Schleifen, Kontra-Schleifen und geometrischen Formen wie Gitterornament höchst dekorativ gestaltet und lassen eine Nähe zur Buchinitiale erkennen. Auffällig ist auch ihre Größe, die beim H das Vierfache der Gemeinen erreicht.
Der Text lässt vermuten, dass die Glocke früher zu einem Augustinerkloster gehörte, vielleicht zum ehemaligen Augustiner-Eremitenkloster Marienthal in Hamminkeln (Kreis Wesel).5) Der Gießer Segewin Hatiseren war bereits 1508 als Büchsengießer von Karl Egmont, Herzog von Geldern, angestellt worden und erhielt vereinzelt Aufträge im Herzogtum Kleve. 1512 arbeitete er für Niederelten, 1516 für Moers.6)