Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 116 St. Viktor, Kreuzgang 1538

Beschreibung

Epitaph für Heinrich Broyckhusen1) im Ostflügel des Kreuzgangs, Joch U9. Baumberger Sandstein. Relief mit unten angesetzter Schrifttafel. Im Zentralrelief eine Ecce-homo-Darstellung: Vor dem Prätorium wird Jesus als Spottkönig von Pilatus dem aufgebrachten Volk vorgeführt. Im Vordergrund kniet betend der verstorbene Stiftsherr. Die Szene wird von zwei Balustersäulen mit arabeskem Blattornament gerahmt. Den Giebelabschluss ersetzen zwei voneinander abgewandte Delphine, deren Hinterleiber sich zu Voluten einrollen und eine arabeske Dolde als Mittelkrönung tragen. Spuren der ursprünglichen Polychromierung sind noch deutlich zu erkennen.2) Den Unterhang bildet eine querrechteckige Schrifttafel mit einfacher Profilrahmung und eingehauenem Setzungs- und Sterbevermerk (B) unterhalb einer mittig gesetzten Widmung (A). Die Schrift ist stark verwittert, z. T. ausgekratzt, aber zum größeren Teil noch zu entziffern. Das Bildrelief war bereits schwer beschädigt, als Clemen es gesehen hat,3) weitere Schäden kamen 1945 dazu. Die Köpfe Jesu, des Pilatus und der Assistenzfigur hinter Jesus fehlen.

Ergänzungen nach Foto und Engelskirchen.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 160 cm; B. 95 cm; Bu. 2–2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    DEO OPT(IMO)a) MAX(IMO)a)

  2. B

    HENRICO BROYCKHVSEN CANONIC[O XANTENSI]b) ACc) [EIVSDE]M /ARCHDIAC(ONATVS)d) IVDICI VIRO INT[EGERRIMO PIO IVXTA ETERVDITO TVM PROPTER]e) / VIRTVTV(M)a) (ET)f) MOR(VM) CANDOREM[O(MN)IB(V)S CHARISS(IMO) TEST(AMENTI) EXECVT(ORES)g) FIDOFIDISS(IMO)] / POSSVE(RVNT)h) CESSIT FATIS AN(N)O MDXXXVIIII[PRI]D[IE NO]NAS IANV[ARIA]S

Übersetzung:

(A) Dem besten (und) höchsten Gott.

(B) Heinrich Broyckhusen, Kanoniker in Xanten, zugleich desselben Archidiakonats Richter, einem höchst ehrenhaften, frommen und ebenso gebildeten Mann, der vor allem wegen des Glanzes seiner Tugenden und seines Charakters bei allen in hohem Ansehen stand, haben die Testamentsvollstrecker (dieses Epitaph) für seine besondere Treue errichtet. Er erlag seinem Schicksal im Jahre 1539 (richtig: 1538) am Tag vor den Nonen des Januar.

Datum: 4. Januar.

Kommentar

Die Buchstaben der Kapitalis sind eher schmal ausgeführt, Sporen nur schwach erkennbar. M hat schräge Außenschäfte und einen kurzen Mittelteil. Einige Wortanfänge sind vergrößert.

Die Szene ist nach einer Stichvorlage gearbeitet, Kamphausen denkt an das Ecce-homo-Blatt des Lukas van Leyden von 1510 (B. 71),4) Schirmer hingegen verweist auf Parallelen zur Großen Passion Dürers.5) Beide betonen die stilistische Abhängigkeit von niederländischen Schnitzaltären.

Nach Pels und Successio erhielt Heinrich Broyckhusen 1521 eine Präbende.6) Ein Jahr zuvor verzeichnen die Stiftsurkunden bereits seine Tätigkeit als Notar im Dienst des Xantener Propstes Johannes Ingenwinkel, eine personelle Bindung, die bis zu seinem Tod anhalten sollte.7) 1522 wurde er Sekretär des Kapitels, nach 1525 Offizial und Kommissar des Propstes.8) 1527 und 1528 war er Maior Cantor9) des Stiftes, 1529 wurde er Siegler und Offizial des Archidiakonats Xanten10). Broyckhusens Name taucht in den Urkunden der 20er und 30er Jahre des 16. Jahrhunderts häufig in Verbindung gerade auch mit komplizierten und wichtigen Angelegenheiten auf.11) Da das Kanonikat bereits am 8. Februar 1538 neu besetzt wurde, dürfte das Todesjahr auf dem Epitaph falsch überliefert sein, Broyckhusen starb vermutlich bereits am 4. Januar 1538.12) Seine Gnadenjahre, so Pels, habe er der Kirchenfabrik vermacht. Pels vermerkt darüber hinaus die Stiftung des Epitaphs im Kreuzgang. Nach den Präsenzrechnungen war Heinrich Broyckhusen 1523–1538 Besitzer der Kurie 3, heute Bischöfliches Büro.13) Am 23. August 1536 erwarb er von den Testamentsvollstreckern des Jakob Alisleger die Kurie Kapitel 8.14)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzungszeichen fehlt.
  2. TENSI ist bereits auf dem historischen Foto nicht mehr erkennbar.
  3. Simul ac Engelskirchen.
  4. Richtig: ARCHIDIAC(ONATVS).
  5. Auf dem Foto ist hinter INTEGERRI nichts mehr erkennbar.
  6. Tironische Kürzung. tum (?) Engelskirchen.
  7. executores testamenti Engelskirchen.
  8. Richtig: POSVERVNT. Kürzungszeichen fehlt.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-40.
  2. Vgl. Bader, Vermischtes (1964), S. 356.
  3. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 148.
  4. Kamphausen, Plastik (1931), S. 58f.
  5. Schirmer, Plastik (1991), S. 86. Vgl. Dürer, Holzschnitte (1981), Bd. 1, S. 43.
  6. Pels II, Deliciae (1734), p. 307; Successio, fol. 80r.
  7. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2619 von 1520 März 30.
  8. Pels II, Deliciae (1734), p. 236 und 307; Successio, fol. 80r; Classen, Archidiakonat (1938), S. 146. Vgl. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2839 von 1534 Aug. 16 und Nr. 2907 von 1539 Sept. 11, wo er als Generalvikar und bevollmächtigter Prokurator des Propstes Johannes Ingenwinkel bezeichnet wird.
  9. Singemeister, der vornehme Gäste in den Chor geleitete (Rose/Schalles, Stift Xanten [1986], S. 21).
  10. Kloosterhuis, Erasmusjünger (2006), S. 554.
  11. Classen, Archidiakonat (1938), S. 146 mit Verweis auf Stiftsarchiv Xanten, Akten 12.
  12. Ebd. und Successio, fol. 79v–80r; Pels nennt irrtümlich den 1. Juni 1539.
  13. Wilkes, Studien (1952), S. 31.
  14. Ebd., S. 43. Das Haus hat heute die Nummer 7 und wird privat genutzt.

Nachweise

  1. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 29f., Nr. 20.
  2. Foto: RBA 25185 (vor 1945).
  3. Schirmer, Plastik (1991), S. 227.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 116 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0011600.