Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 128 St. Viktor, Kreuzgang 1545

Beschreibung

Epitaph für Dietrich Born1), bestehend aus Bildrelief und Schrifttafel. Standort ist der Nordflügel des Kreuzganges, Joch U12. Baumberger Sandstein. Das Relief zeigt eine Darstellung Christi am Kreuz (mit Kreuztitulus B) auf einem Felshügel über dem Schädel Adams. Drei Putten fangen in Kelchen das Blut des Gekreuzigten auf. Links unter dem Kreuz kniet der Verstorbene als betender Stiftsherr (Kopf heute abgeschlagen). Die Szene wird von zwei mit Blattranken und Masken ornamentierten Balustersäulen gerahmt, die auf einem schmalen Sockel mit Blattwerkfries zwischen zwei Engelsköpfen stehen und einen eingezogenen, an den seitlichen Enden eingerollten Muschelgiebel tragen. Im Unterhang eine aus zwei Teilen zusammengesetzte Schrifttafel, in die innerhalb eines geschweiften, mit Blattranken versehenen Profilrahmens eine Aufforderung zur Fürbitte in Verbindung mit einem Sterbevermerk eingehauen ist (A). Diese Inschrift war bereits in den 1930er Jahren stark verwittert.2) Eine Beschädigung im rechten oberen Bereich der Tafel wurde ausgebessert, an dieser Stelle ist die Schrift verloren.

Ergänzungen nach Foto.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 116 cm; B. 62 cm; Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A), Kapitalis (B).

  1. A

    Viator qui optimi viri theodor[ici bornei rect(oris) ṣc̣]/ole manus vocisq(ue) dulcisone tact[u · freque(n)t(er) refocila]/tus es ∙ Quiescente(m) a(n)i(m)am pio suble[uaa) p]recamine ∙ / Lucem quietemq(ue) per[petua(m)] / pra[ecare]b) Ac te pạ[… sepul=]/chro [- - -]c) · vale / Obijtd) Anno 1545 · die 8e) ·/ Augusti :

  2. B

    INRI3)

Übersetzung:

(A) Wanderer, der du häufig durch die Berührung der Hand und (die Wirkung) der wohlklingende(n) Stimme4) des Rektors der (Sänger-)Schule Dietrich Born, eines hervorragenden Mannes, erquickt wurdest, hilf nun durch ein frommes Gebet seiner ruhenden Seele. Das ewige Licht und die ewige Ruhe erflehe ... Lebe wohl. Er verstarb im Jahre 1545 am 8. Tag des August.

Kommentar

Die für den Kreuztitulus gewählte Kapitalis unterscheidet deutlich zwischen Haar- und Schattenstrichen. I ist mit einem Nodus und hakenförmigen Sporen versehen. In der gotischen Minuskel der Inschrift A setzt sich bei der Unterlänge des g bereits die Tendenz zur Rundung durch. Auch die Versalien (A, O, Q) verzichten mit Ausnahme des V auf Brechungen. Die Gemeinen sind recht breit ausgeführt, a ist kastenförmig und unten offen, u trägt einen kleinen Bogen als diakritisches Zeichen.

Der schlechte Erhaltungszustand der Inschrift hat wiederholt zu einer irrtümlichen Zuordnung des Epitaphs an Theodor Hanen geführt,5) doch ergibt der Vergleich mit Vorkriegsfotos, dass die von Engelskirchen vorgeschlagene Lesart des Namens mit großer Wahrscheinlichkeit richtig ist.6) Nach den Kapitelsprotokollen vom 22. März 1535 war Dietrich Born, der den Titel eines Magisters führte, seit ebendiesem Jahr Organist und Vikar des Altars der hl. Helena,7) zudem der Inschrift zufolge Rektor der Sängerschule. Eine Stiftsurkunde aus demselben Jahr kennt ihn als Vikar der Johannesbruderschaft.8) Den Eid leistete er in die Hand des Ältesten Georg Hezeler (vgl. Nr. 130). Altar und Haus wurden ihm in Anwesenheit des Johannes Bolck und des Anton Blankenbiel (vgl. Nr. 159 und 152) als kirchlichen Zeugen übertragen.9) Das Epitaph des Vikars und Organisten Anton Blankenbiel hängt heute neben dem Epitaph des Kirchenmusikers Born im Nordflügel des Kreuzgangs.

Schirmer stellt das Epitaph stilistisch in eine Reihe mit den Xantener Epitaphien von Wincken (Nr. 134) und Hotmann (Nr. 103).10) Sie charakterisiert es hinsichtlich der plastischen Behandlung der Körperpartien und des Faltenwurfs als schematisch und unorganisch und beurteilt es qualitativ und inhaltlich ähnlich kritisch wie bereits Kamphausen.11)

Textkritischer Apparat

  1. Über u beide Male ein kleiner Bogen als diakritisches Zeichen.
  2. Die Schreibweise praecare statt precare ist ungewöhnlich, zumal precamine zuvor in korrekter Schreibung geboten wird.
  3. Fehlstelle von ca. 12 Buchstaben. Der Zustand der Schrift lässt keine hinreichend sichere Lesung zu. Engelskirchens Vorschlag lete parte sepulchro viam transiturus (‚wenn du heiter deinen Weg am Grabe vorbei gehst‘) lässt sich nicht bestätigen (Engelskirchen, Inschriften [1937], S. 33f.).
  4. Ligatur in Form eines y.
  5. Die 8] mens. Engelskirchen, Inschriften [1937].

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-49.
  2. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 149.
  3. Nach Io 19,19.
  4. tactu wurde hier doppelt übersetzt.
  5. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 149; Kamphausen, Plastik (1931), S. 62, und Schirmer, Plastik (1991), S. 82f., 228.
  6. Engelskirchen, Nachlese (1939), S. 122, Anm. 2.
  7. Ebd.
  8. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2856 von 1535 Aug. 13.
  9. Engelskirchen, Nachlese (1939), S. 122, Anm. 2.
  10. Schirmer, Plastik (1991), S. 81–83, 90–92, 148.
  11. Kamphausen, Plastik (1931), S. 51–55, 56–70.

Nachweise

  1. Foto: RBA 25196 (vor 1945).
  2. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 33f., Nr. 31.
  3. Engelskirchen, Nachlese (1939), S. 122, Anm. 1, 2.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 128 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0012806.