Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 130 St. Viktor, Kreuzgang 1545–1546
Beschreibung
Epitaph des Georg Hezeler1), bestehend aus Bildrelief und Schrifttafel. Standort ist der Südflügel des Kreuzgangs, Joch U1. Baumberger Sandstein. Das Relief zeigt in einer Rundbogennische eine Darstellung des Pfingstfestes. Zentral die Gottesmutter Maria in Frontalansicht auf einem Thron, die Hände über einem Buch gefaltet. Um sie versammelt die zwölf Apostel, im Vordergrund kniend der verstorbene Stiftsherr als Adorant, einem knienden Apostel gegenüber, der ihm spiegelbildlich zugewandt ist. Über der Gottesmutter entlässt ein geflügelter Engelskopf zwei Flammen an Girlanden aus seinem Mund, die dem im oberen Zentrum schwebenden Heiligen Geist in Gestalt einer Taube zugeordnet sind. Das Relief wird von zwei ornamentierten Balustersäulen flankiert und ist von einem Muschelgewölbe überfangen. Das Gewölbegesims ist seitlich zu Voluten eingerollt, auf denen Putten sitzen (links verloren).2) Die hohen Säulensockel tragen an der Vorderseite flach reliefierte männliche Figuren in Landsknechttracht, die sich auf Schilde stützen (rechts stark beschädigt). Unter dem verkröpften Sockelgesims eine geschweifte, von einem Profilrahmen mit Blattornament gefasste Schrifttafel mit erhaben herausgehauenem Sterbevermerk. Das Epitaph war polychrom gefasst, Spuren der Fassung sind auch heute noch deutlich wahrnehmbar. Es wurde 1945 schwer beschädigt und 1955 restauriert.3) Nach den historischen Fotos waren die freifigürlichen Köpfe und Hände der Figuren im Vordergrund sowie der Kopf der Taube schon vor dem Krieg verloren, die Köpfe dreier weiterer Apostelfiguren waren weitgehend abgeschlagen. Unter den Verlusten, die der letzte Krieg darüber hinaus dem Epitaph zugefügt hat, ist insbesondere der Kopf der thronenden Gottesmutter zu nennen.
Siehe Lageplan.
Maße: H. 145 cm; B. 82 cm; Bu. 2 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
HEIa) VIRTVT[E] NITENS · IVBILA/RIVS HEZELER · ILLEb)/DECESSIT SENIOR · / LVCE SEQVENTE / LINVMc)
Übersetzung:
Ach, Jubilar Hezeler, ein Mann, den der Glanz der Tugend umgab, jener Senior(kanoniker), verschied am Tag nach Linus.
Versmaß: Elegisches Distichon.
Datum: 27. November.
Textkritischer Apparat
- Hic Pels, Successio.
- Rankenornament am Zeilenende.
- Rankenornament vor und hinter dem Wort LINVM. Liven Pels.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-22.
- Vgl. das Steenhoff-Epitaph (Nr. 129).
- Siehe die Fotos, die vor, während und nach der Restaurierung angefertigt wurden; vor der Restaurierung: FM 1161902, 1179305, RBA 25155; während der Restaurierung: RBA XL 5/18, XL 9,15 (1955); nach der Restaurierung: RBA XL 21/18, 810703, 81704 (1957). Eine Gegenüberstellung der Zustände 1926, 1955 und 1958 zeigt Tf. 72 bei Bader, 1600 Jahre (1964).
- Schirmer, Plastik (1991), S. 87, weist auch auf Übereinstimmungen im Faltenwurf hin.
- Ebd.; Kamphausen (Plastik [1931], S. 62f.) stellt das Epitaph stilistisch in die niederländische Tradition und führt Parallelen in Courtrai, Brügge und Löwen an.
- Classen, Archidiakonat (1938), S. 140; vgl. Successio, fol. 72r. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2346 von 1493 Nov. 19, nennt zum ersten Mal den Kanoniker G. Hezeler. Sein Kanonikat wird 1510 in einem Rechtsstreit bestätigt (Kastner, Urkunden III [2007], Nr. 2513 von 1510 Sept. 30).
- Matrikel Köln 3 (1931), Nachtrag 1225. Vgl. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2513 von 1510 Sept. 30 und Nr. 2557 von 1516 Feb. 29.
- Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2751b von 1529 Apr. 21 und Nr. 2827 von 1533 Sept. 26.
- Zählung nach Wilkes, Studien (1952), S. 75.
- Pels II, Deliciae (1734), p. 224 und 302; Successio, fol. 71v–72r; zum „senior capituli“ siehe Classen, Archidiakonat (1938), S. 70.
- Pels II, Deliciae (1734), p. 302.
- Classen, Archidiakonat (1938), S. 70; vgl. Engelskirchen, Zweite Nachlese (1940), S. 142.
- Pels II, Deliciae (1734), p. 302.
- Successio, fol. 71v–72r; s. auch Beissel, Bauführung I (1889), S. 228, Anm. 1. Ein Transfix von 1559 Nov. 12 (sic!) (Kastner, Urkunden III [2007], Nr. 2735,1) nennt den Vikar Jakob Heseler sowie den Kanoniker und Portar Johan von Hießfelt, die als Testamentsvollstrecker des Kanonikers Jorien Heseler mit der Stiftung einer Memorie für den Verstorbenen befasst waren. Die Angabe des 25. November als Hezelers Todestag bei Bader, 1600 Jahre (1964), Tf. 72, dürfte ein Versehen sein.
- Pels II, Deliciae (1734), p. 302.
Nachweise
- Pels II, Deliciae (1734), p. 302.
- Successio, fol. 71v.
- Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 144.
- Hölker, Inventar (1925), H-22.
- Kamphausen, Plastik (1931), S. 62f.
- Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 23, Nr. 1.
- Engelskirchen, Zweite Nachlese (1940), S. 142.
- Bader, 1600 Jahre (1964), Tf. 72.
- Schirmer, Plastik (1991), S. 229.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 130 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0013002.
Kommentar
Die Anfangsbuchstaben der beiden Verse, des Personennamens sowie des Wortes IVBILARIVS sind größer ausgeführt. Die Trennzeichen sollen vielleicht die Halbverse voneinander scheiden; allerdings passt der Punkt hinter dem Personennamen nicht in dieses Schema. Aufgrund ihrer Herstellungstechnik ist die Schrift durch eine kräftige Strichführung gekennzeichnet, die durch Bogenschwellungen, keilförmige Verbreiterungen zu den Schaftenden und dreieckige Sporen zusätzlich betont wird. Die Balken des E sind – wie bei frühneuzeitlichen Xantener Inschriften häufiger zu beobachten – gleich lang. Z ist zweistöckig, der Balken des H ausgebuchtet, das A hat einen breiten Deck- und einen gebrochenen Mittelbalken. Die Außenschäfte des M stehen sehr schräg, der Mittelteil ist kurz. Insgesamt ist das Niveau der Schriftausführung eher mittelmäßig zu nennen, allerdings wird der Gesamteindruck durch die Schäden am Träger bzw. die Spuren ihrer Beseitigung beeinträchtigt. Parallelen zur ebenfalls erhaben herausgehauenen Inschrift am Epitaph Steenhoff (Nr. 129) sind deutlich erkennbar,4) ebenso zu den Epitaphien für die Brüder Vulturius (vgl. Nr. 136 und Nr. 146). Die kunsthistorische Beurteilung hingegen fällt durchaus positiv aus, wobei in der einschlägigen Literatur vor allem die fortschrittliche Raumauffassung des Bildhauers gelobt wird.5)
Georg Hezeler (alias Hessler oder Hezelaer) wurde am 13. Juli 1491 ins Xantener Kapitel aufgenommen.6) 1497 immatrikulierte er sich an der Kölner Universität, wo er den Grad eines Magister artium erlangte.7) 1529 und 1533 ist er als Seniorkanoniker bezeugt.8) 1513–1545 wird er in den Präsenzrechnungen als Besitzer des Hauses Kapitel 159), heute Kapitel 13, geführt. Pels und Successio bestätigen, dass Hezeler als Jubilar über 50 Jahre dem Kapitel angehörte.10) Das Todesjahr wird in der Inschrift nicht erwähnt, Pels überliefert 1545.11) Das Todesdatum wird unterschiedlich angegeben: Der Festtag des hl. Linus fiel in den meisten Diözesen und Orden auf den 26. November. Der 27. November, der sich daraus als Hezelers Todestag ergibt, wird von Classen mit dem Verweis auf die Thesaurierechnung bestätigt,12) während Pels den Tag nach dem Brabanter Kalender und damit den 12. November angibt.13) Die Successio lässt offen, ob es sich um den 28. (!) oder 12. November handelt.14) Pels lokalisiert das Grab des Seniorkanonikers im Umgang des Kreuzgangs in der Nähe des Kapitelsaals, wo es sich auch heute befindet.15) Vgl. auch Nr. 95 zu Jakob Hezeler.