Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 134 St. Viktor, Kreuzgang 1548

Beschreibung

Epitaph für Peter Wincken1), bestehend aus Bildrelief und Schrifttafel. Standort ist der Westflügel des Kreuzgangs, Joch U23. Baumberger Sandstein. Das Relief zeigt eine Darstellung Christi am Kreuz mit Johannes dem Evangelisten und Maria mit dem vor ihr knienden Verstorbenen. Das Kreuz steht auf Ackerschollen, die zu einem Hügel aufgeschichtet sind, ein gestalteter Hintergrund ist nicht vorhanden. Der Corpus des Gekreuzigten ist schwer beschädigt, Kopf und Beine waren schon vor 1945 verloren.2) Der Kreuztitulus ist auf einer Tafel über dem Querbalken erhaben aus dem Grund herausgearbeitet (A). Die gotische Stabwerkrahmung bildet oben einen gebrochenen Karniesbogen mit zwei eingesetzten Bogensegmenten. Im Unterhang eine separat gearbeitete, querrechteckige Tafel, auf der ein vier Verse umfassendes Grabgedicht mit einer Grabbezeugung (B) und ein Sterbevermerk (C) eingehauen sind. Das Epitaph, das ursprünglich farbig gefasst war,3) befand sich der Inschrift nach zu urteilen in der Nähe von Peter Winckens Grab.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 105 cm; B. 58 cm; Bu. 1 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    INRI4)

  2. B

    SACRIFIC(VS)a) VIVENS WINCKE(N) QVA(M) PRESSIT · EVNDE(M) /NVNC PREMIT ISTAb) SVO PONDERE PETRA PETRV(M) /VIR PIVS HIC MVLTIS DECESSIT CHARVS ET ISTO /COLLIBVIT TVMVLO PONERE CANICIEM

  3. C

    OBIIT ANNO D(OMI)NI 1548 · 1 NOVEMB(RIS)

Übersetzung:

(B) Jener Stein, auf dem Wincken bei seinen Opferhandlungen zu Lebzeiten stand (wörtl: den er drückte), der lastet nun mit seinem Gewicht auf ebendiesem „Fels“. Dieser fromme Mann, der bei vielen beliebt war, ist hier verschieden, und man beschloss, sein graues Haupt in dieses Grab zu legen.

(C) Er verstarb im Jahr des Herrn 1548 am 1. November.

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Kommentar

Das Wortspiel mit dem Vornamen des Verstorbenen (Peter, griech. πέτρα = ‚Stein’, ‚Fels’) mag etwas gequält erscheinen; jedenfalls knüpft es an die Umbenennung des Simon mit dem sprechenden Namen Petrus und an seine Berufung zum Fels an, auf dem Jesus seine Kirche errichten wollte.5)

Die Schrift ist sorgfältig gehauen, ohne aber das Niveau einer ausgereiften Renaissancekapitalis zu erreichen. Die unterschiedlichen Proportionen von breiten Buchstaben wie M (mit schrägen Außenschäften und kurzem Mittelteil) oder P (offen mit großem Bogen) einerseits und vergleichsweise schmalem C, E oder S andererseits tragen zu diesem Eindruck ebenso bei wie die fehlende Symmetrie bei A, in Einzelfällen auch bei V. Alle I tragen i-Punkte, die Kürzungsstriche sind ausgebuchtet. Einige Wortanfänge sind größer ausgeführt.

Dem flächigen Bildaufbau entspricht die flächige Körpergestaltung des Gekreuzigten, während die Assistenzfiguren durch den reichen Faltenwurf ihrer Gewänder fast monumental wirken. Die Bildzone ist noch vom spätgotischen Formenkanon geprägt, so dass Bader sogar ihre Entstehung in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sowie die nachträgliche Verbindung mit der Schrifttafel postuliert.6)

Peter Wincken wurde am 2. Januar 1506 von Rom für den Johannisaltar providiert und ist am 6. Februar 1520 erstmals als dessen Vikar urkundlich belegt.7) Nach der Successio legte ein Peter Wintgens, Prokurator des Bertram van den Bilandt, am 17. März 1529 ein Präsentationsschreiben des Herzogs für die Präbende vor, die durch den Tod des Wessel Hotmann vakant geworden war.8) Die Successio hat auch die Notiz, dass Peter Wintgen, Prokurator des Wessel von Loe, auf sein Kanonikat zu Händen der Kapitulare verzichtet habe.9) Ob der Genannte mit dem verstorbenen Peter Wincken identisch ist, ist fraglich.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch us-Haken.
  2. Korrigiert aus ISTE.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-55.
  2. Vgl. RBA 25202.
  3. Bader, Vermischtes (1964), S. 356.
  4. Nach Io 19,19.
  5. Mt 16,17–19.
  6. Bader, Vermischtes (1964), S. 358. Siehe auch die Einleitung, Kap. 4.1.4. Zur kunsthistorischen Beurteilung vgl. auch Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 149; Kamphausen, Plastik (1931), S. 80; Schirmer, Plastik (1991), S. 82f.
  7. Wilkes, Studien (1952), S. 147f.
  8. Successio, fol. 26r.
  9. Ebd., fol. 14r.

Nachweise

  1. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 149.
  2. Hölker, Inventar (1925), H-55.
  3. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 36, Nr. 38.
  4. Schirmer, Plastik (1991), S. 237.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 134 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0013408.