Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 157(†) St. Viktor, Lapidarium 1554, später
Beschreibung
Epitaph der Gotfrida van Bemmel, bestehend aus einem Bildrelief in architektonischer Rahmung und einer darunter angesetzten Schrifttafel.1) Vor 1945 im Südflügel des Kreuzganges, Joch U30.2) Baumberger Sandstein. Das Zentralrelief wird von einem profilierten Korbbogen, der auf Pilastern ruht, überfangen, die Zwickel sind mit lagernden Figuren (Personifikationen oder Genien?) gefüllt. Es zeigt eine vielfigurige Erweckung des Lazarus in einer gemauerten Grabkammer. Offensichtlich ist der Moment festgehalten, wo dem Erweckten die Fußbinden gelöst werden. Der besonders aufwändig gestaltete Ädikularahmen besteht aus zwei gestaffelt gestellten Säulenpaaren vor Wandpilastern mit kannelierten Schäften, reliefierten Trommeln und Kompositkapitellen; über dem verkröpften Gebälk mit reliefiertem Fries ruht ein Dreiecksgiebel. Unter dem Sockelfries ist eine separat gearbeitete, querrechteckige Roll- und Beschlagwerkkartusche mit einem eingehauenen Setzungs- und Sterbevermerk mit Widmung angesetzt (A). In den unteren Rahmen der Kartusche wurden zu einem unbekannten späteren Zeitpunkt Kritzelinschriften, vermutlich Initialen (B) bzw. der Anfang eines Namens (C), eingeritzt. Nach historischen Fotos war das Epitaph schon vor 1945 beschädigt, den beiden größeren Figuren im Vordergrund, die aus dem Bildfeld herauszutreten scheinen, fehlten die Köpfe.3) Das Bildwerk wurde 1945 dann völlig zerstört; ein nennenswerter Bestand an Fragmenten, darunter vier Stücke mit größeren Textteilen4), ist im Lapidarium archiviert.
Ergänzungen nach Foto.
Maße: H. 155 cm; B. 90 cm; Bu. 1,7 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
CASTAE · VXOR[I] · GOTFR(IDAE)a) · A BEM(M)E[L] / CHARVS · MARITVS · DOCT(OR)a) HE(N)RR(ICVS)b) · O[LISL(EGER)]c) / PIETATIS ·d) ERGO · PO[SVIT QVAE] / OBIIT [ID]IB(VS) IVLII [M : D : LIIII]
- B
WV[B]
- C†
OLIe)
Übersetzung:
(A) Seiner treuen Gattin Gotfrida van Bemmel hat ihr geliebter Ehemann, Doktor Heinrich Olisleger, pietätvoll (dieses Epitaph) aufgestellt. Sie verstarb an den Iden des Juli 1554.
Datum: 15. Juli.
Textkritischer Apparat
- Doppelpunkt als Kürzungszeichen.
- Sic! Danach ein Doppelpunkt als Kürzungszeichen. HERR Schirmer.
- Kürzung durch Zeichen in Form einer arabischen 3.
- Doppelpunkt als Worttrenner.
- Beginn des Namens OLISL(EGER)?
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-63. Inv.-Nrn. des Lapidariums: 397A–C, 485–487, 505.
- Nach RBA 25212, 25213: U29, Kreuzgang, Südwestecke. U30 nach einer Konstruktionszeichnung des ehemaligen Hüttenmeisters Schüller und einer alten Postkarte (Druckerei Krams 1921, Stiftsbibliothek, Inv.-Nr. 10.08.02096).
- Siehe RBA 25212 und 25213.
- Inv.-Nrn. 397C, 485, s. RBA 831036 (1955). Restaurierungsversuche, die Mitteltafel und das untere Gesims betreffend, hat man mittlerweile wieder rückgängig gemacht.
- Schirmer, Plastik (1981), S. 88. Tatsächlich lassen sich Parallelen hinsichtlich der Ausgestaltung der Grabkammer und des Hintergrundes sowie im Hinblick auf die Zusammenstellung und Anordnung der beteiligten Personen feststellen, ohne dass aber die Suavius zugeschriebene Darstellung den Charakter einer direkten Vorlage erreicht. Zu Lambert (III) Suavius (Zutman) siehe Thieme/Becker, Bd. 36 (1947), S. 605.
- Kamphausen, Plastik (1931), S. 84 und 115.
- Harleß, Art. Olisleger, Heinrich Bars, in: ADB, Bd. 24 (1887), S. 303–305 mit weiteren Literaturangaben.
Nachweise
- Foto: RBA 25213 (vor 1945).
- LAV NRW R, HS N III Nr. 2 (von Dorth, Notizen [1659–1674]), fol. 58r.
- Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 150, Nr. 37.
- Hölker, Inventar (1925), H-63.
- Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 39, Nr. 48.
- Engelskirchen, Letzte Nachlese (1955), S. 204.
- Bambauer/Kleinholz, Inschriften, Teil 2 (1980), S. 213.
- Schirmer, Plastik (1991), S. 226f.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 157(†) (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0015701.
Kommentar
Ungeachtet ihres bereits auf den historischen Fotos mäßigen Erhaltungszustands besticht die Schrift des Setzungsvermerks durch hohe Qualität in der Ausführung. Die Buchstaben folgen dem Vorbild der klassischen Kapitalis in Form (G mit senkrechter, R mit stachelförmiger Cauda) und Stil (Linksschrägenverstärkung, Serifen). Eine unklassische Ausnahme bildet das eingerollte Q.
Das hohe Niveau der Schrift entspricht der aufwändigen Gestaltung. Als Vorlage für die Darstellung auf der Mitteltafel vermutet Schirmer einen Stich nach Lambert Suavius von 1544.5) Struktur und Ornamentik des Epitaphs hingegen führt Kamphausen auf oberitalienische Vorbilder zurück.6)
Gotfrida van Bemmel war die Tochter des klevischen Lehnsmanns Goedert van Bemmel und der Elisabeth van Cleve, einer unehelichen Tochter Herzog Johanns II. von Kleve (siehe Nr. 100). Sie war verheiratet mit Heinrich Bars genannt Olisleger (Olislager, Alisleger), Kanzler am klevischen Hof unter Johann III. und seinem Nachfolger Wilhelm V. von 1534 bis zu seinem Tod 1575.7) Seine Grabplatte hat von Dorth in unmittelbarer Nähe des Epitaphs seiner zweiten Frau gesehen (siehe Nr. 186).