Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 162(†) St. Viktor, Kreuzgang (1535)/1558
Beschreibung
Epitaph für Gerhard von Haffen († 1535) und Everhard Maess († 1558) im Ostflügel des Kreuzgangs, Joch U8.1) Baumberger Sandstein. Das Epitaph besteht aus einem Bildrelief mit architektonischer Rahmung und einer unten angesetzten Schrifttafel. In einer durch Wandvertäfelung und Kassettendecke als Innenraum gestalteten Nische zeigt das Relief im Vordergrund die Kreuztragung, im Hintergrund die Kreuzigung Christi (ursprünglich mit Titulus A). Im Zentrum vorne der unter der Last des Kreuzes zusammengebrochene Jesus, begleitet von zwei Soldaten und der hl. Veronika mit dem Schweißtuch. Die Szene wird flankiert von den Stiftsheiligen Viktor und Helena, die den beiden vor ihnen im Gebet knienden verstorbenen Stiftsherren die Hände empfehlend auf die Schultern legen. Im Hintergrund in der zweiten, erhöhten Bildebene eine figurenreiche Kreuzigung mit Jesus zwischen den beiden Schächern, links die Mutter Maria und Johannes, hinter dieser Gruppe mehrere weitere Personen. Rechts römische Soldaten und die vor dem Kreuz Jesu kniende Maria Magdalena. Das Relief wird seitlich von je zwei versetzt hintereinander gestellten Pfeilern und profilierten, stark vorkragenden Gesimsen gerahmt. Das vordere Pfeilerpaar ist mit Arabesken geschmückt. Im Aufsatz ein profilierter Rundbogen mit Muschelfüllung, darüber ein muschelgefüllter Dreiecksgiebel. Links neben dem Rundbogen ein Putto mit (heute) leerem Wappenschild, ein vermutlich ehemals vorhandenes Gegenstück auf der rechten Seite fehlt bereits auf historischen Fotos. Im Unterhang trägt eine profilierte, querrechteckige Schrifttafel mit geschweiften, vegetabil ornamentierten Seiten einen vierzeilig eingehauenen Sterbe- und Setzungsvermerk für die beiden Verstorbenen (B). Das Bildrelief zeigt noch Spuren alter Polychromierung. Die Köpfe der Maria Magdalena und eines der beiden Soldaten aus der Kreuztragung sowie der Kreuztitulus sind verloren, von der Figur des gekreuzigten Christus ist nur noch die untere Hälfte erhalten.
A nach Foto.
Siehe Lageplan.
Maße: H. 225 cm; B. 125 cm; Bu. 3 cm.
Schriftart(en): Kapitalis (A), gotische Minuskel mit Versalien (B).
- A†
INRI2)
- B
[G]erardo · ab · haffena) · Rectori · Altar(i)s · diui · antonij.· Fabrice · hui(us)b) / Templi · Prefectoc) · vixit · Annis 73d) Decessit · Nona · Maij · 1535 ·b) / Everhard(us) · Maess · Rector · Altaris · deipare · virginis · Exe(cu)tore) · testa(men)tie) · Eide(m) · in · / Officio · suffect(us) · b(ene)f) · M(erenti)f) · posuit · et · Sibi · Obijt · A(nn)og) · 1558 · 25 · Mens(is) · Sep(tembris)h)
Übersetzung:
(B) Gerhard von Haffen, dem Rektor des Altares des hl. Antonius, Fabrikmeister des hiesigen Gotteshauses. Er lebte 73 Jahre. Er verschied am 9. Mai 1535. Everhard Maess, Rektor des Altars der jungfräulichen Gottesgebärerin, Testamentsvollstrecker, sein Nachfolger im Amt, hat für ihn, der (diese Ehrung) wohlverdient hat, und auch für sich selbst (dieses Epitaph) errichtet. Er verstarb im Jahre 1558, am 25. (Tag) des Monats September.
[verloren] |
Textkritischer Apparat
- Hastea Clemen.
- Dahinter Rankenornament als Zeilenfüller.
- Letzter Buchstabe durch Loch im Stein beschädigt.
- Zahl auf dem Epitaph nachgetragen, dadurch fehlender Wortabstand. 43 Clemen.
- Endsilbe hochgestellt.
- Ohne Kürzungszeichen.
- Endbuchstabe hochgestellt.
- Kürzung durch zwei übereinander gestellte Quadrangel.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-38.
- Nach Io 19,19.
- Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2426 von 1500 Dez. 19.
- Ebd., Nr. 2708 von 1526 Dez. 20.
- Beissel, Bauführung II (1889), S. 4 mit Bezug auf die Baurechnungen.
- Ebd., S. 4f.; vgl. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2433 von 1502 Apr. 15: Auf der Rückseite ein Vermerk in lateinischer Sprache über Rechnungen der Fabrik durch E. Maess von 1535 bis 1557.
- Siehe z. B. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2572 von 1517 Jan. 23. Vgl. auch Nr. 80.
- Ebd., Nr. 2708 von 1526 Dez. 20.
- Ebd., Nr. 2847 von 1535 Apr. 7.
- So von Heinrich Broickhusen in ebd., Nr. 2907 von 1539 Sept. 11.
- Ebd., Transfix Nr. 2862,2 von 1552 Apr. 25.
Nachweise
- Foto: RBA 25181 (vor 1945) (A).
- Aus’m Weerth, Kunstdenkmäler, Bd. 1 (1857), Tf. XX, S. 45, Anm. 15.
- Archiv der Dombauhütte, Abrieb Cuno (1857/68), Nr. 16692, 16694.
- Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 148, Nr. 16.
- Hölker, Inventar (1925), H-38.
- Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 29, Nr. 18.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 162(†) (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0016204.
Kommentar
Der verlorene Kreuztitulus wies ein retrogrades N und ein R mit kräftiger, gebogener Cauda auf. Die gotische Minuskel zeigt zwar mit ihren schmalen Proportionen, den ausgeprägten, gespaltenen Ober- und Unterlängen und den Zierlinien am unteren Bogenende des h charakteristische Kennzeichen einer späten Entwicklungsstufe, trägt jedoch mit dem Festhalten am zweistöckigen offenen a (statt des „moderneren“ kastenförmigen a), dem nur sparsamen Einsatz von Zierelementen sowie vor allem durch die Kombination mit Kapitalisbuchstaben als Versalien und vereinzelt auch am Wortende, eklektizistische Züge. Als Versalien werden u. a. M mit parallelen Außenschäften und kurzem Mittelteil, spitzovales O, offenes D, P mit sehr großem Bogen und nur angedeuteter Unterlänge sowie eingerolltes G eingesetzt. Beim R-Versal berühren sich der Bogen und die gebogene Cauda nicht. Die Großbuchstaben ragen kaum über das Mittelband der Zeile hinaus. Der Endbuchstabe im Familiennamen Maess ist als Schaft-s ausgeführt. Bei der nachgetragenen Altersangabe wurde eine lambdaförmige 7 verwendet, die in der älteren Literatur wiederholt als 4 missverstanden wurde. Die Worttrennung erfolgt durch Quadrangel mit oben und unten angesetzten Zierstrichen.
Der Magister und Priester Gerhard von Haffen erhielt am 19. Dezember 1500 die Vikarie des Antoniusaltares3) und ist 1526 als Vertreter der Vikarienbruderschaft bezeugt4). Nach Beissel war er 1508–1534 Fabrikmeister in Xanten5), 1527 wird er in dieser Funktion auf der Barbara-Glocke erwähnt (siehe Nr. 102). Von Haffen war ein gefragter Prokurator, Testamentsvollstrecker und Schlichter, wie eine ganze Reihe von Urkunden bezeugen.
Sein Nachfolger in der Leitung der Kirchenfabrik war Rektor Everhard Maess, den Beissel von 1535 bis zu seinem Tod 1558 als Fabrikmeister führt.6) Maess wird in den entsprechenden Stiftsurkunden durchgängig als Priester (des Erzbistums Köln) und Vikar bzw. Rektor des Marienaltars geführt,7) war Mitglied der Vikarienbruderschaft8) und trat bereits 1535 als deren Prokurator auf9). Mehrfach wurde er als Testamentsvollstrecker gesucht10) und zeichnete sich in seinem eigenen Testament durch eine Schenkung an die Kirchenfabrik aus11). Eine Inschrift belegt, dass er 1549 einen Kelch restaurieren ließ (Nr. 80).