Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 163 St. Viktor, Kreuzgang (1534)/1559

Beschreibung

Epitaph für Otto Ingenwinkel († 1534) und den Kanoniker Heinrich Ingenwinkel († 1559) im Ostflügel des Kreuzganges, Joch U7.1) Baumberger Sandstein. Über dem Sockelfeld zeigt ein von Pilastern flankiertes Relief die Darstellung der Himmelfahrt Christi im sog. Typus des entschwindenden Christus. Vom Auferstandenen sind nur noch die Füße in einem Wolkensegment sichtbar.2) In den Kreis der Apostel mit Maria, die dem Geschehen beiwohnen, fügt sich der verstorbene Kanoniker ein, der hinter der Gottesmutter im Gebetsgestus kniet. Am Fries des Gebälks halten zwei Putten zwischen Rankenwerk das Familienwappen der beiden Verstorbenen, den oberen Abschluss bilden ein konkav geschwungener Dreiecksgiebel mit Muschelornament und zwei flankierenden Putten. Im Unterhang eine querrechteckige Tafel mit eingehauenem Setzungs- und Sterbevermerk mit Widmung (A) und einem Trostspruch in Form eines Bibelzitats (B). Darunter ist eine kleinere, hochrechteckige Tafel mit einem Relief des Wappens Ingenwinkel angesetzt, das von einem Engel präsentiert wird. Die vertieften Innenflächen an Fries, Sockelfeld und Pilastern sind mit vegetabilem und anderem Renaissanceornament gefüllt. Die architektonische Rahmung, vielleicht ein Werk des Arndt van Tricht, findet sich ganz ähnlich an drei anderen zwischen 1552 und 1556 angefertigten Xantener Epitaphien (vgl. Nr. 147, 156, 158). Das Epitaph wurde 1945 zerschlagen und 1955 restauriert.3)

Siehe Lageplan.

Maße: H. 150 cm; B. 80 cm; Bu. 1,9 cm (A), 1,4 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis (A), humanistische Minuskel mit Kapitalis (B).

  1. A

    D(EO)a) O(PTIMO)a) M(AXIMO)a) OTHONI INGENWINCKEL MA=/RITO OPTIMO . FILIOQ(VE) CHARISS(IMO)b) HENRICO / CAN(ONIC)Oa) XAN(TENSI)b) VIRIS HVMANISS(IMIS)b) CONIVNX / MOESTISS(IMA)b) POSVIT. OBIIT ILLE AN(NO)c) . 1534d) . DIE . 5 . / NOVEMB(RIS) HIC VERO AN(NO) 1559d) . DIE ASCENSI(ONIS)a) / DO(MINI)a) QVI FVIT QVARTVS DIES MAII.

  2. B

    Beati mortui qui in domino moriuntur. / APOC(ALYPSIS)a) 14.4)

Übersetzung:

(A) Dem besten (und) höchsten Gott. Otto Ingenwinkel, dem besten Ehemann, und dem überaus geliebten Sohn

Heinrich, Kanoniker in Xanten, Männern von höchster Bildung, hat die Gattin (dieses Epitaph) in größter Trauer

errichtet. Jener starb im Jahre 1534 am 5. November, dieser aber im Jahre 1559 am Tag der Himmelfahrt des Herrn,

das war der 4. Tag im Mai.

(B) Selig die Toten, die im Herrn sterben!

Wappen:
Ingenwinkel5)

Kommentar

Die sorgfältig gehauene, breite Kapitalis weist M mit schrägen Außenschäften und kurzem Mittelteil, R mit gerader Cauda und einige vergrößerte Anfangsbuchstaben auf. Als Trennelemente und Kürzungszeichen werden Quadrangel auf der Grundlinie bzw. zwei übereinander gestellte Quadrangel verwendet. Die Schriftmerkmale – auch die Kombination von Kapitalis und humanistischer Minuskel – weisen Parallelen zu den Inschriften am Epitaph für Nikolaus Ruter auf (Nr. 158) und sprechen in Verbindung mit dem übereinstimmenden Textaufbau (Setzungs- und Sterbevermerk mit Bibelzitat) für die Anfertigung beider Epitaphien in der derselben Werkstatt.

Otto Ingenwinkel, der Bruder des Xantener Kanonikers, Scholasters und Thesaurars Conrad Ingenwinkel († 1533),6) war verheiratet mit Gertrud Ellens, deren Epitaph gleich neben dem ihres Gatten hängt (Nr. 192). Von 1516 bis 1533 war er in der Propsteiverwaltung tätig,7) auch als Siegler der Xantener Kurie.8) Sein Sohn Heinrich Ingenwinkel (II) wurde am 11. Mai 1526 durch päpstliche Provision als Kanoniker aufgenommen und bekleidete später das Amt des Thesaurars.9) Für die Jahre 1530 bis 1542 ist er als Besitzer der Kurie Kapitel 2 bezeugt.10) 1546 erwarb er die Kurie Kapitel 1511) und wird in den Präsenzrechnungen als deren Besitzer geführt,12) bis er 1559 „in der Blüte seiner Jugend“13) verstarb. Die Heilig-Geist-Kapelle, heute Sakramentskapelle, ist eine Ingenwinkelsche Stiftung.14) Das Epitaph wurde offenbar nach dem Tod des Sohnes von der Mutter und Witwe in Auftrag gegeben.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch Quadrangel auf der Grundlinie.
  2. Kürzung durch zwei übereinander gestellte Quadrangel.
  3. Ohne Kürzungszeichen.
  4. Über den vier Ziffern der Jahreszahl ein Querstrich.

Anmerkungen

  1. Inv.Nr. nach Hölker, H-36.
  2. Wesentliche Grundlage sind die beiden biblischen Himmelfahrtsberichte nach Lc 24,50–53 und Act 1,9–12. In beiden Berichten wird die „Himmelfahrt Christi“ als ein Akt Gottes beschrieben, dessen Name mit dem Passiv umschrieben wird. Zudem deutet die Wolke in Act 1,9 die Gegenwart Gottes symbolhaft an. Die Darstellung der Apostel um Maria mit den beiden Verstorbenen sucht offensichtlich beiden Berichten gerecht zu werden.
  3. Den Zustand vor der Beschädigung zeigen RBA 25178 und 25179.
  4. Apc 14,13.
  5. Balken, begleitet von 3 (2, 1) Winkeln.
  6. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2819 von 1533 März 25. Sein Onkel war Heinrich Ingenwinkel I († 1518), Xantener Scholaster, Prokurator, Offizial und Generalvikar seines leiblichen Bruders, des Propstes und Archidiakons Johannes Ingenwinkel (vgl. Classen, Archidiakonat [1938], S. 103 und 107; Kastner, Urkunden III [2007], Nr. 2472 von 1506 Feb. 27, Nr. 2532 von 1513 Nov. 4). Der Name der Mutter des Scholasters Heinrich Ingenwinkel war Aleydes Heyss, ihre Memorie wurde um 1513 für den 14. März eingetragen (Weise, Memorien [1937], S. 33). Vgl. auch Nr. 96 und 97.
  7. Kastner, Urkunden III (2007), Nr. 2570 von 1516 Nov. 23 und Nr. 2819 von 1533 März 25.
  8. Ebd., Nr. 2609 von 1510 Okt. 24.
  9. Classen, Archidiakonat (1938), S. 144.
  10. Heute die Wohnung des Regionalbischofs. Wilkes, Studien (1952), S. 29.
  11. Zählung nach Wilkes, Studien (1952), S. 75, heute Kapitel 13.
  12. Zeitweise hatte er die Kaboyse gepachtet, eine Doppelkurie an der Klever Straße (vor 1945 Klever Str. 5, Nr. 21/22 bei Wilkes, Studien [1952], S. 105 mit Anm. 55 und S. 107), die gleich neben dem Pfarrhaus, der sog. Plebanie, lag (heute Marienschule).
  13. Pels II, Deliciae (1734), p. 157.
  14. Wilkes, Studien (1952), S. 150f.

Nachweise

  1. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 148, Nr. 15.
  2. Hölker, Inventar (1925), H-36.
  3. Engelskirchen, Inschriften, (1937), S. 28, Nr. 15.
  4. Rose/Schalles, Stift Xanten (1986), S. 65.
  5. Schirmer, Plastik (1991), S. 232.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 163 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0016303.