Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 175(†) St. Viktor, Lapidarium 1565, 1581

Beschreibung

Epitaph der Veronika Kloken,1) vor 1945 im Ostflügel des Kreuzgangs, Joch U2/3. Baumberger Sandstein. Im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört; zehn kleine Fragmente befinden sich im Lapidarium, darunter nur zwei von Mitteltafel und Unterhang. Grundlage der Beschreibung sind zwei vor 1945 aufgenommene Fotos.2) Das Epitaph bestand aus einem Bildrelief in Ädikularahmung und einer unten angesetzten Schrifttafel. Die von einem Rundbogen überfangene Szenerie der Mitteltafel stellt die Auferweckung der Tabita nach der Apostelgeschichte Kapitel 9, Vers 36–43 dar. Im Vordergrund zeigen zwei Witwen dem Apostel Petrus Kleidungsstücke, die ihnen Tabita genäht hat, rechts sitzt ein bärtiger Greis. Im Hintergrund führt eine Frau Petrus in ein Obergemach, das vor einem Prospekt des Ortes Joppe (Jaffa) als offene Säulenhalle in das Bild eingefügt ist und einen Blick in das Interieur gewährt. Petrus steigt die Treppe zu diesem Gemach hinauf. Eine dritte Szene zeigt den Apostel im Gemach selbst, wie er Tabita an der Hand fasst und sie auffordert, sich zu erheben (Bibelzitat als Bildinschrift am Dachfries, C). Der Mittelteil ist von einer Renaissancerahmung nach dem Vorbild eines griechischen Tempels dorischer Ordnung gefasst, statt der Säulen eine männliche und eine weibliche Kanephore auf Sockeln mit Angabe der Schriftstelle (D); auf den Köpfen der beiden Figuren anstelle von Kapitellen Fruchtstände unter Triglyphenplatten. Die Zwickel des Rundbogens sind mit Genien gefüllt. Im Unterhang trägt eine querrechteckige Schrifttafel in üppig mit Löwenköpfen und Früchten dekorierter Rollwerkrahmung einen Sterbevermerk mit Fürbitte für die Verstorbene, ihren später verstorbenen Ehemann und den Schwager (A) sowie einen Trostspruch in Form eines Schriftzitates (B). Im Gegensatz zur übrigen, erhaben herausgehauenen Schrift sind das zweite Sterbedatum und die folgende Fürbitte nachträglich eingehauen.

Inschriften A und B sowie Ergänzung von C und D nach Foto.

Maße: H. 120 cm; B. 62 cm; Bu. 1,2–1,7 cm (A), 1 cm (B), ca. 0,6 cm (C), 1,4 cm (D).3)

Schriftart(en): Kapitalis (A, C, D), humanistische Minuskel (B).

  1. A†

    HONESTAE AC PIAE MATRONAE VERONICAE KLOKEN / HENR(ICI)a) CLOS SLVTERI XAN(TENSIS)a) PRIMAE VXORI FRA=/TRIAE SVAE CHARISS(IMAE)a) ADOLPH(VS)b) CLOS CANO(NICVS)a) XAN(TENSIS)a) / SECRETARIVS CLIVEN(SIS)a) PIETATIS ERGO POSVIT. / OBIIT ANNO 1565. DIE 14 MART(II)a) CVIVS MARIT(VS)b) / ET LEVIR POST FATIS CESSERVNT A(NN)O 1581 / 2° · NO(VEMBRIS) · REQVI · ESCA(N)T · IN · PACEc)

  2. B†

    Conuertere anima mea in requiem tuam: quia dominus / benefecit tibi.4)

  3. C

    [T]ABITA SVR[GE]5)

  4. D

    ACT(VS)d) // [IX]

Übersetzung:

(A) Der ehrenwerten und frommen Frau Veronika Kloken, des Heinrich Clos, Schlüters in Xanten, erster Gattin, seiner geliebten Schwägerin, hat Adolph Clos, Kanoniker in Xanten und Sekretär in Kleve, dieses Grabmal aus Pietät errichtet. Sie starb im Jahr 1565 am 14. März. Ihr Mann und ihr Schwager sind (erst) später ihrem Schicksal erlegen: im Jahre 1581 am 2. November. Sie mögen in Frieden ruhen.

(B) Finde deine Ruhe, meine Seele, denn der Herr hat dich gesegnet.

(C) Tabita, steh auf.

(D) Apostelgeschichte 9.

Kommentar

Mehrere Xantener Urkunden zwischen 1563 und 1572 nennen einen Xantener Schlüter und Hofrichter des Bischofshofes Heinrich Clos, einmal wird auch seine Frau „Fronica“ erwähnt.6) Der Auftraggeber des Epitaphs, der Kanoniker Adolph Clos, ist zuverlässigen Quellen zufolge erst am 30. September 1585 verstorben (vgl. Nr. 171). Das Todesdatum am Schluss der Inschrift A bezieht sich also nur auf seinen Bruder Heinrich Clos. Offenbar war anfänglich vorgesehen, auch das Sterbedatum des Adolph Clos nachzutragen, doch wurde dieser Plan nach Heinrichs Tod geändert und der zur Verfügung stehende Platz mit der Fürbitte für die Eheleute gefüllt.

Mit Ausnahme des nachträglich eingehauenen Sterbedatums des Ehemannes ist die Schriftausführung von hoher Qualität. In der Kapitalis zeugen davon u.a. die gleichmäßig gestalteten Bögen, die Serifen an den Schaft,- Balken- und Bogenenden und die regelmäßigen Linksschrägenverstärkungen bei A, M, N, V und X. AE-Kombinationen werden stets ligiert, alle I sind mit Punkten versehen. Einige Anfangsbuchstaben der Kapitalis sind größer ausgeführt. Auch die humanistische Minuskel ist außerordentlich sorgfältig gearbeitet. Das Sterbedatum des Heinrich Clos und die für beide Verstorbenen formulierte Fürbitte hingegen ist in einer deutlich weniger qualitätvollen Kapitalis mit schlichten Punkten auf der Zeilenmitte ausgeführt.7)

Kamphausen macht als Vorlage für das Relief einen Stich des Lambert Suavius nach einer Zeichnung seines Schwagers Lambert Lombard „Aussätzigenheilung durch Petrus und Johannes“ von 1553 aus.8) Verwandt ist das Kloken-Epitaph dem Steinhuis-Epitaph (Nr. 170) aus der Stilrichtung des Küchenkaminmeisters.9) Schirmer betont besonders die perspektivische Konstruktion der Räumlichkeiten und die Verwandtschaft der Szenarien mit in dieser Zeit verbreiteten Bühnenentwürfen.10)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch zwei übereinander gesetzte Quadrangel.
  2. Kürzung durch us-Haken.
  3. A(NN)O 1581 … IN PACE] nachgetragen.
  4. Zu ergänzen zu ACTVS APOSTOLORVM.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-25.
  2. RBA 25159 und 74982.
  3. Angabe der Schriftgrößen nach dem Abrieb von Cuno (Nr. 16697).
  4. PsG 114,7.
  5. Act 9,40.
  6. Kastner, Urkunden IV (2013), Nr. 3200 von 1560 Jan. 31.
  7. Vgl. die Worttrenner in Nr. 195.
  8. Der alte Mann auf dem Relief unten rechts ist „Strich für Strich nach dem Lombardstich kopiert“, s. Kamphausen, Plastik (1931), S. 118.
  9. Ebd., S. 117f.
  10. Schirmer, Plastik (1991), S. 88f.

Nachweise

  1. Archiv der Dombauhütte, Abrieb Cuno (1857/68), Nr. 16697.
  2. Foto: RBA 25159 (vor 1945).
  3. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S 145.
  4. Hölker, Inventar (1925), H-25.
  5. Klapheck, Dom (1930), S. 136.
  6. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 24, Nr. 4.
  7. Schirmer, Plastik (1991), S. 231.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 175(†) (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0017509.