Inschriftenkatalog: Stadt Xanten
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 92: Stadt Xanten (2017)
Nr. 178 St. Viktor, Kreuzgang (1559)/1567
Beschreibung
Epitaph für die Familie Harst, gestiftet von Konrad und Susanne Harst für ihre Mutter Katharina und ihren Bruder Karl.1) Die hochrechteckige, gegossene Bronzeplatte mit profiliertem Steinrahmen wurde offensichtlich nach Karls Tod 1567 für beide Verstorbene angefertigt. Sie war vor dem Zweiten Weltkrieg im Südflügel des Kreuzgangs, Joch U32, an der Wand angebracht. Bei der Zerstörung des Südflügels 1945 blieb die Bronzeplatte erhalten, wurde 2006 restauriert und 2014 wieder aufgehängt. Die Platte zeigt im oberen Teil die Auferstehung Christi in Flachrelief: Der Auferstandene steht mit Siegesfahne und Segensgestus en face auf einem Sarkophag mit offenem Deckel, umgeben von den erschrockenen Wächtern. Am Rande des stilisierten Landschaftshintergrundes ist eine Stadtsilhouette angedeutet. Auf dem kleineren unteren Teil der Platte befindet sich zwischen zwei Vollwappen eine quadratische Rollwerkkartusche mit dem Beginn eines Setzungs- und Sterbevermerks, der, beginnend an der oberen Schmalseite, auf der Randleiste umlaufend fortgesetzt wird. Der Wechsel des Schriftfeldes ist durch ein Kleeblatt hinter dem letzten Wort auf der Schrifttafel und vor dem ersten Wort auf der Randleiste gekennzeichnet. Die Inschrift ist gegossen und erscheint erhaben zwischen Stegen.
Siehe Lageplan.
Maße: H. 74 cm; B. 58 cm; Bu. 1,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
ORNATISSIME · FOEMINE · / CATHARINE · EX · CLVSARV(M) / FAMILIA · CAROLI · HARST / I(VRIS) · V(TRIVSQVE) · DOCTORIS · ET · ILLVSTRIS / PRINCIPIS · CLIVEN(SIS)a) CONSI/LIARII · VXORI · LECTISSIME / QVE · POSTRIDIE · ID(VS) · IANVAR(II)a) / A(NN)Ob) · XVc · LIX · EX · HAC / VITA · MIGRAVITc) // NECNONd) · CAROLO · HARSTIO · IVNIORI · HVIVS · ET · CRANENBVRGEN(SIS) / · ECCLESIARVM · CANONICO · PREDICTARVM · CONIVGVM · FILIO · QVI · XIII · CALEND(AS)a) · IVNII · / XVc · LXVII · DEFVNCTVSe) · //f) CON//RADVSg) · //h) · ET · SVSANNA · / HARST · MATRI · ET · FRATRI · AMANTISSIMO · MOERENTES · HOC · MONVMENTV(M) · POSVERVNT
Übersetzung:
Für die hochgeehrte Frau Katharina aus der Familie van der Clusen, die treffliche Gattin des Karl Harst, Doktors beider Rechte und Rats des erlauchten Fürsten in Kleve, die am Tag nach den Iden des Januar im Jahre 1559 aus diesem Leben ging; aber auch für Karl Harst den Jüngeren, Kanoniker der hiesigen und der Kranenburger Kirche, Sohn der oben genannten Eheleute, der am 13. Tag vor den Kalenden des Juni 1567 starb. Konrad und Susanna Harst haben der Mutter und dem geliebten Bruder dieses Denkmal voller Trauer errichtet.
Datum: 14. Januar, 20. Mai.
Harst2), van der Clusen3) |
Textkritischer Apparat
- Kürzung durch zwei übereinander gesetzte Quadrangel.
- Kürzung durch hochgestelltes O.
- Anschließend ein Kleeblatt. Der Text wechselt danach auf die Randleiste (obere Schmalseite).
- Vor dem Wort ein Kleeblatt.
- Letzte drei Buchstaben auf der Rollwerkrahmung.
- Wechsel auf den Rollwerkrahmen des unteren Schriftfeldes.
- Vorname durch Rahmenornament unterbrochen.
- Wechsel auf die untere Rahmenleiste.
Anmerkungen
- Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-65.
- Geteilt: oben Adler, unten Sparren, begleitet von 3 Sternen.
- 3 (2, 1) mit Eicheln und Eichelblättern versehener Ast; Helmzier: mit Eichel und Eichelblättern versehener Ast. Vgl. Rietstap, Armorial, Bd. 1 (1887), S. 437; Rolland, Illustrations, Bd. 1 (1903), Pl. IC–C. Das quadrierte Wappen, auf dem die Eichenblätter des Xantener Wappens wiederkehren, wird dort einer Brabanter Familie van der Clusen zugeordnet.
- Die biographischen Angaben bei Kloosterhuis, Erasmusjünger (2006), S. 597f. und passim, [W.] Harleß, Art. Harst, Karl, in: ADB, Bd. 10 (1879), S. 647–649, und Heinz Martin Werhahn, Art. Harst, Karl, in: NDB, Bd. 7 (1966), S. 705f. widersprechen sich in einigen Punkten.
- Nach Kloosterhuis, Erasmusjünger (2006), S. 597 in Wyssenbruch bei Kleve (gegen Matrikel Köln 2 [1979], 488,16 u.a.).
- Matrikel Köln 2 (1979), 488,16.
- Kloosterhuis, Erasmusjünger (2006), S. 486f., 493 und passim.
- Harleß, Art. Harst, Karl, in: ADB, Bd. 10 (1879), S. 647–649; K. Werhahn, Art. Harst, Karl, in: NDB, Bd. 7 (1966), S. 705f.; Matrikel Köln 2 (1979), 488,16.
- Pels II, Deliciae (1734), p. 77 und 242; Successio, fol. 83v–84r. Zum Sterbedatum vgl. auch Classen, Archidiakonat (1938), S. 149 mit Verweis auf Engelskirchen, der seinerseits auf Pels verweist.
- Zählung nach Wilkes, Studien (1952), S. 80.
- Nach Werhahn, Art. Harst, Karl, in: NDB, Bd. 7 (1966), S. 705f.
- Wortlaut des Setzungs- und Sterbevermerks nach LAV NRW R, RW 1023 Nr. 12 (von Dorth, Inschriftensammlung), S. 62, vgl. Bambauer/Kleinholz, Inschriften I (1979), S. 131: Carolo Potgieter optimae spei puero Amandi Potgieters i(uris) u(trivsque) doctoris et imperialis / camerae Spiren(sis) assessoris f(oemina) Susanna Harst mater et vidua utroq(ue) nunc tam marito quam filio unico orbata solatii causa maerens hoc monumentum p(osuit) vixit annos IIII m(enses) III d(ies) IX . Obiit XXIII. Novembr(is) Anno XVC. LXVIII. („Für Karl Potgieter, einen hoffnungsvollen Knaben, hat des Amandus Potgieters, Doktors beider Rechte und Assessors der kaiserlichen Kammer zu Speyer, Frau Susanna Harst, Mutter und Witwe, jetzt beider, so des Gatten wie des einzigen Sohnes, beraubt, zum Trost in ihrer Trauer dieses Denkmal gesetzt. Er lebte 4 Jahre, 3 Monate und 9 Tage. Er starb am 23. November im Jahre 1568.“).
Nachweise
- LAV NRW R, Hs N III Nr. 2 (von Dorth, Notizen [1659–1674]), fol. 32 v.
- Archiv der Dombauhütte, Teilabrieb Cuno (1857/68), Nr. 16710.
- Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 151, Nr. 39.
- Hölker, Inventar (1925), H-65.
- Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 40, Nr. 50.– Bambauer/Kleinholz, Inschriften, Teil 2 (1980), S. 199f.
- Ley, Monumente des Totengedenkens (2015), S. 238f.
Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 178 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0017806.
Kommentar
Einige Anfangsbuchstaben der Inschrift sind bewusst größer ausgeführt, vorzugsweise die Initialen der Eigennamen. Hingegen dürfte die insgesamt schwankende Schrifthöhe nicht beabsichtigt gewesen sein, die mit einer ungleichmäßigen, stellenweise geradezu stümperhaften Anordnung der Buchstaben einhergeht. Auch die Worttrenner sind in wechselnder Position, teils als Punkte, teils als Quadrangel ausgeführt, auf die Zeilenmitte gesetzt. Das N ist retrograd, M hat schräge Außenschäfte und einen kurzen Mittelteil und ist, ebenso wie A, sehr breit ausgeführt. Die Cauda des R setzt weit rechts am Bogen an und ist leicht geschwungen. Das O ist oval, in der Innenkontur zuweilen spitzoval ausgeführt. Die breiten Buchstaben und die großen Bögen von B und R verleihen der Schrift einen behäbigen Gesamteindruck.
Karl Harst d. Ä.4), 1492 geboren im elsässischen Weißenburg,5) studierte u.a. in Köln Jura und erwarb den Doktortitel.6) 1527 heiratete er in Löwen Katharina van der Clusen; aus der Ehe gingen die drei Kinder hervor, die auf dem Epitaph genannt sind. Seit Anfang der 1520er Jahre pflegte Karl Harst enge Kontakte zu Erasmus von Rotterdam und gewann seit 1530 als Rat Herzog Johanns III. von Kleve Zugang zum Humanistenkreis um Konrad Heresbach und Johann van Vlatten.7) In diplomatischen Diensten nahm er 1535 am Reichstag in Worms teil und vertrat als Gesandter u.a. am kaiserlichen Hof in Madrid, am Hof Heinrichs VIII. in England und beim Reichstag in Augsburg die Interessen Herzog Johanns III. und seines Nachfolgers, Herzog Wilhelms V. von Jülich-Kleve-Berg. Dessen vermittelnde kirchliche Reformbestrebungen unterstützte er an der Seite seiner humanistisch gesinnten Freunde. Seit 1552 wohnte der ältere Karl Harst am herzoglichen Hof in Düsseldorf, verstarb aber 1563 in Xanten.
Sein gleichnamiger Sohn wurde am 25. Juni 1548 ins Xantener Kapitel aufgenommen. Am 19. Dezember 1548 erhielt er auf Grund kaiserlicher Präsentation die königliche Kapelle in Xanten, ist aber auch als Kanoniker in Münstereifel und am Aachener Marienstift sowie als Pfarrer zu Pier im Amt Jülich belegt.8) Abweichend von der Inschrift geben Pels und die Successio 1568 als Sterbejahr des jüngeren Karl Harst an.9) Nach den Präsenzrechnungen besaß er seit 1559 die Kurie Kapitel 16.10) Konrad Harst war Kanoniker an der Liebfrauenkirche in Aachen.11) Die Xantener Quellen sagen über ihn, abgesehen von dem Epitaph selbst, nichts aus.
Susanna Harst war die Gattin des Amandus Potgieter, Doktors beider Rechte, Assessors der kaiserlichen Kammer zu Speyer. Aus der Ehe ging ein Sohn Karl hervor, der aber schon als vierjähriges Kind am 23. November 1568 starb. Auf einer (verschollenen) Gedenktafel in der Stiftskirche zu Kleve, gestiftet von der trauernden Mutter, beklagt Susanna Harst seinen Tod. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits Witwe.12)