Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 193 St. Viktor, Lapidarium 1580

Beschreibung

Epitaph des Heinrich von Riswick,1) vor 1945 im Südflügel des Kreuzgangs, Joch U31.2) Baumberger Sandstein. Im Zweiten Weltkrieg zerschlagen, die Fragmente sind bis auf zwei Konsolen vollständig erhalten. Das Epitaph besteht aus einem Bildrelief mit architektonischer Rahmung und einer unten angesetzten Schrifttafel. Auf der Mitteltafel in Flachrelief das Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus.3) Im Zentrum das Mahl des Reichen, der Lazarus durch einen Diener von der Tür weisen lässt. Im Hintergrund der Tod des reichen Mannes im Himmelbett und das einsame Hinscheiden des Lazarus; während die Seele des Reichen von Teufeln geholt wird, hält Gottvater die Seele des armen Lazarus in den Armen. Ädikularahmung aus flankierenden Säulen und Dreiecksgiebel mit dem Vollwappen des Verstorbenen in Flachrelief. Am Sockelgesims eine Widmung (A), auf dem Sockelfeld ein Grabgedicht mit Grabbezeugung und biographischen Angaben (B), im Unterhang eine geschwungene Schrifttafel mit Sterbevermerk (C) und einer Mahnung in Form eines Schriftzitats mit Bibelstellenangabe (D). Inschriften eingehauen.

Maße: H. 160 cm; B. 85 cm; Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO)

  2. B

    MAGNIFICVS DOCTOR RISWICHIVS HIC REQVIESCIT /HENRICVS VETERIS VIR PIETATIS AMANS /HOSPES MAGNATVM CVNCTIS PERGRATVS EGENIS /LARGIFLVAE NOMEN QVOD PEPERERE MANVS /MILITIAE SACRAE MVLTOS ADSCRIPTVS IN ANNOS /BLANDVLA CONIVGII VINCLA DEINDE PLACENT

  3. C

    OBIIT A(NN)Oa) MDLXXX NOVEMB(RIS)b) XII.

  4. D

    FACITE VOBIS AMICOS DE MAMMONA / INI[Q]VITATIS VT CVM DEFECERTTISc) / [R]ECIPIANT VOS IN [AE]TERNA / [TA]BERN[ACV]LA / LVCAE [XV]Id)4)

Übersetzung:

(A) Dem besten (und) höchsten Gott.

(B) Hier ruht der bedeutende Doktor Heinrich Riswick, ein Mann, der die traditionelle Frömmigkeit liebte. Er war Gastfreund der Großen und wurde (zugleich) von allen Armen sehr geliebt, weil ihm seine freigiebigen Hände einen Namen machten. Viele Jahre hindurch war er im heiligen Dienst eingesetzt, dann gefielen ihm die reizenden Fesseln der Ehe.

(C) Er starb im Jahr 1580 am 12. November.

(D) Macht euch Freunde mit dem unrechten Mammon, damit man euch in die ewigen Wohnungen aufnimmt, wenn es mit euch zu Ende geht.

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Wappen:
Riswick5)

Kommentar

Die qualitätvolle Kapitalis weist Serifen an den Enden der Schäfte, Balken und der gleichmäßig gerundeten Bögen auf. An das untere Bogenende des eingerollten Q ist eine waagerechte, am Ende nach oben umgebogene Cauda angesetzt. O ist oval, die Außenschäfte des M sind nur mäßig schräg und stören deshalb die Proportion der Schrift nicht. Trotz aller Sorgfalt der Ausführung sind einige Buchstaben, wie es generell im Xantener Bestand zu beobachten ist, vom klassischen Vorbild weit entfernt. Die Symmetrie von A, M und V gelingt nur im Ausnahmefall, der Bogen des C ist unterschiedlich gerundet, das S leicht nach rechts gekippt. Der Sterbevermerk und das Bibelzitat im Unterhang sind in den gleichen Formen ausgeführt, aber schlechter erhalten, vielleicht auch schwächer eingehauen.

Nachruf und Bibelzitat nehmen Bezug auf das Bildthema, indem sie die Tugend der mildtätigen Freigiebigkeit loben. Heinrich von Riswick wurde 1510 als Sohn des Sibert von Riswick, seit 1508 Kanoniker in Xanten, geboren.6) Am 19. Oktober 1524 wurde er im Viktorstift als Kanoniker aufgenommen7), nachdem er bereits ein Jahr zuvor Pfarrer von Kettwig geworden war8). An der Kölner Universität studierte er Jura und erwarb 1544 den Titel eines Doctor iuris utriusque.9) 1566 verzichtete er mit Zustimmung des Kapitels auf Präbende und Kanonikat, um Irmgard Eberstein, eine natürliche Tochter des Grafen Eberstein, zu heiraten.10) Nachdem Heinrich von Riswick bereits 1548 Vater eines natürlichen Sohnes namens Sibert von Riswick geworden war,11) wurde ihm 1569 auch ein ehelicher geboren, beide wurden Kanoniker in Xanten.12) Heinrich von Riswick vermachte dem Stift eine Reihe von Büchern, darunter die 1572 von ihm selbst verfassten „Paratitla et notae breves in tit(ulos) de diversis regulis iuris antiqui“.13) Bekannt wurde der angesehene Gelehrte auch als Sammler römischer Altertümer. In den Präsenzrechnungen wird er 1543–1568 als Besitzer der Kurie Kapitel 14 geführt.14) Durch seine Heirat verlor er aber sein Wohnrecht in der Immunität15) und kaufte ein Haus am Markt neben dem Haus Steck (vgl. Nr. 181, 183), das er wiederherstellen ließ.16) Heinrich von Riswick wurde im Kreuzgang begraben.17)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch hochgestelltes o.
  2. Ohne Kürzungszeichen.
  3. Richtig: DEFECERITIS.
  4. Ergänzung nach Foto (RBA 25145).

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-64.
  2. Nach Bader, Dom I (1978), S. 187, in Joch U30. Diese Information ist nach der Zeichnung von Schüller vom Juli 1957 falsch; danach hing das Epitaph in Joch U31, dort, wo sich jetzt das Epitaph für Walter Bader befindet. Den Vorkriegszustand dokumentieren zwei Fotos: RBA 25214, 25215.
  3. Nach Lc 16,19-31. Dasselbe Thema ist auf dem Epitaph des Johannes Wartt dargestellt (siehe Nr. 240).
  4. Lc 16,9.
  5. Schleicher, Slg. von der Ketten, Bd. 4 (1986), S. 283.
  6. Vgl. zur Quellenlage Bader, Dom I (1978), S. 185f; Classen, Archidiakonat (1938), S. 365f., vgl. S. 143; Pels II, Deliciae (1734), p. 239. Siehe auch Nr. 120.
  7. Pels II, Deliciae (1734), p. 309; Classen, Archidiakonat (1938), S. 143. Zu einem Kanoniker in Wissel gleichen Namens s. ebd., S. 324. Personengleichheit ist wegen des unterschiedlichen Todesdatums nicht möglich.
  8. Bader, Dom I (1978), S. 186.
  9. Matrikel Köln 2 (1979), 575,28.
  10. Pels II, Deliciae (1734), p. 239, 309f.; Successio, fol. 81v–82r; Classen, Archidiakonat (1938), S. 143.
  11. Der Successio, fol. 40r, zufolge war dieser „juxta librum patris Henrici“ geboren.
  12. Über ihre unterschiedlichen Charaktere vgl. Bader, Dom I (1978), S. 188f.
  13. ‚Titelerläuterungen und kurze Anmerkungen über verschiedene Grundsätze des alten Rechts’. Das Buch liegt in der Xantener Stiftsbibliothek vor. Ein weiteres Buch aus der privaten Bibliothek des Heinrich von Riswick, eine Edition von 1550 mit prächtigem Buchdeckel, ist bei Bader, 1600 Jahre (1964), Tf. 32, und bei Rose/Schalles, Stift Xanten (1986), S. 64 abgebildet. Zu weiteren Verdiensten um die Stiftsbibliothek siehe Bader, Dom I (1978), S. 186f.
  14. Wilkes, Studien (1952), S. 72.
  15. Siehe Kapitelsprotokoll vom 21. April 1566, bei Pels I, Stella lucida (1733), p. 279f., aufgenommen bei Bader, Dom I (1978), S. 187, wo die wohnrechtlichen Folgen der Heirat eines ehemaligen Kanonikers dargestellt werden.
  16. Pels II, Deliciae (1734), p. 309f.
  17. Ebd. Zur Inschrift des Epitaphs vgl. auch Pels I, Stella lucida (1733), p. 279.

Nachweise

  1. LAV NRW R, HS N III Nr. 2 (von Dorth, Notizen [1659–1674]), fol. 60r.
  2. Pels I, Stella lucida (1733), p. 280.
  3. Clemen, KDM Kreis Moers (1892), S. 150f., Nr. 38.
  4. Hölker, Inventar (1925), H-64.
  5. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 40, Nr. 49.
  6. Bader, Dom I (1978), S. 187.
  7. Bambauer/Kleinholz, Inschriften, Teil 2 (1980), S. 218.
  8. Schirmer, Plastik (1991), S. 234.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 193 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0019303.