Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 201† St. Viktor E. 15.–16. Jh.

Beschreibung

Almosentasche, verschollen. Seide, aus einzelnen Stoffbahnen zusammengenäht. Leicht trapezförmig mit knappem Überschlag und Zug. Die Vorderseite der Tasche ist – offenbar infolge einer Reparatur – durch eine grobe, quer verlaufende Naht geteilt, an der die Stoffbahnen in unterschiedlichem Winkel aufeinandertreffen. Der Stoff ist oben zu einer kurzen Verschlussklappe umgelegt, die durch zwei stoffbezogene Knöpfe und durch Schlaufen gehalten wird. Die Schlaufen sind durch den Basisstoff geführt und werden durch Quasten gehalten. Die Tasche kann durch die Züge verkleinert werden. Alle Kanten sind durch eigene Stoffstreifen, die mit einfachem Steppstich aufgebracht sind, befestigt. Rechts und links unten zwei Zierknöpfe. Auf die einzelnen Bahnen sind rechtwinklig geknickte Schriftbänder gestickt, auf denen sich dieselbe Inschrift in gleicher Anordnung und Ausführung wiederholt. Almosentaschen wurden häufig in Zweitverwendung als Reliquiare benutzt und gelangten auf diesem Wege in einen Kirchenschatz.1) Ob das auch für das verschollene Xantener Exemplar zutrifft, lässt sich nicht feststellen. Nur die Bildunterschrift zu einem vor 1945 aufgenommenen Foto der Tasche im Rheinischen Bildarchiv gibt den Hinweis auf ihre Zugehörigkeit zur Paramentensammlung in der Xantener Domschatzkammer, in den Xantener Inventarverzeichnissen und in der einschlägigen Literatur wird sie nicht erwähnt.

Inschrift nach Foto.

Maße: unbekannt.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. EN / ALS

Kommentar

Die Schäfte und Balken sind mit Serifen versehen. E hat drei gleich lange Balken, A ist trapezförmig mit einem leicht nach außen gebogenen rechten Schrägschaft gestaltet. Der Schrägbalken des N ist als Haarstrich ausgeführt. Die Schrift weist ins ausgehende 15., eher noch ins 16. Jahrhundert.

Schon im Mittelalter wurden Almosentaschen gerne als Minnegeschenk überreicht. Dieser Umstand lädt zur Interpretation der Inschrift als verkürzte Liebeserklärung „Ein (und) Alles“ ein.2) Doch lassen sich weder die Bedeutung beider Wörter im gegebenen Zusammenhang noch überhaupt die Wortart, der sie zuzuordnen sind, mit hinreichender Sicherheit bestimmen, so dass der Sinn der Inschrift letztendlich nicht geklärt werden kann.

Anmerkungen

  1. Vgl. Hans Wentzel, Art. Almosentasche, in: RDK, Bd. 1 (1934), Sp. 394–401. Zu einer deutlich älteren Almosentasche ohne Inschrift im Stiftsmuseum Xanten siehe Grote, Schatz von St. Viktor (1998), Nr. 18, S. 120–123.
  2. Zu EN in der Bedeutung ‚ein‘ siehe Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 3 (1862), Sp. 446; zu ALS in der Bedeutung ‚alles‘ Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 1 (1854), Sp. 246f.

Nachweise

  1. Foto: RBA 53358 (vor 1945).

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 201† (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0020104.