Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 239† St. Viktor, Kreuzgang 1636

Beschreibung

Epitaph der Elisabeth van Ulft, vor 1945 im Südflügel des Kreuzgangs, Joch U34.1) Marmor. 1945 bis auf wenige kleinteilige Fragmente des zentralen figürlichen Reliefs2) völlig zerstört. Ein älteres Foto zeigt ein profiliert gerahmtes, querrechteckiges Feld, das nach oben eingezogen und von einem Karniesbogen überwölbt ist. Der rechteckige Bereich ist weitgehend durch das eindrucksvolle Relief eines Skeletts ausgefüllt, das auf einer geflochtenen, unter dem Schädel und unter den Füßen zusammengerollten Matte liegt. Darüber ist eine Bildbeischrift als Mahnung (A) eingehauen.3) Unter der Darstellung geht die untere Rahmenleiste in den ungerahmten Unterhang über, der nach unten ebenfalls eingezogen ist und in einem Schulterbogen endet. In den Unterhang ist ein Sterbe- und Setzungsvermerk (B) eingehauen, darunter ist ein profiliertes Kreuz (das Stiftskreuz?) in einer stehenden Raute in ein Oval eingepasst.

Inschriften nach Foto.

Maße: H. 114 cm; B. 136 cm; Bu. ca. 3,8 cm4).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    LECTOR / VIVENS DISCE MORI5) / NAM / ANTE TRIDVVM / QVALIS TV MODO ES, EGO FVI . HOMO . / QVALIS MODO SV(M) CRAS FORTE ERIS . CINIS

  2. B

    DEO ET PAVPERIB(VS) DEVOTAE QVINQVAGENARIAE FAMVLAE / NOBILI VIRGINI ELISABETHAE AB VLFT / ANNO ORBI FVNESTO 1636 30 MAIIa) PESTE SVBLATAE / CASPARVS AB VLFT DECAN(VS)b) XANCTENS(IS)c) / FRATER SORORI M(ONVMENTVM)c) P(OSVIT)c)6)

Übersetzung:

(A) Leser, solange du lebst, lerne zu sterben; denn vor drei Tagen war ich so, wie du jetzt noch bist: Mensch. Wie ich jetzt bin, wirst du vielleicht morgen sein: Asche.

(B) Für die edle Jungfrau Elisabeth van Ulft, eine demütige Dienerin Gottes und der Armen, die im Alter von 50 Jahren, am 30. Mai 1636, in dem Jahr, das für den Erdkreis todbringend war, von der Pest hinweggerafft wurde, hat Caspar van Ulft, Dechant von Xanten, als Bruder (seiner) Schwester (dieses) Denkmal errichtet.

Kommentar

An einigen Stellen wird das Bemühen des Steinmetzen deutlich, sich bei der Schriftausführung an der klassischen Kapitalis zu orientieren, etwa beim M mit tiefem Mittelteil und der gelegentlich erkennbaren Verstärkung der linksschrägen Schäfte. Diese Elemente sind aber nicht durchgängig gelungen, wie insgesamt die symmetrischen Buchstaben (A, V, M) zuweilen leicht gekippt sind. Einige Buchstaben sind größer ausgeführt, etwa der Eigenname Ulft und die Initialen der Vornamen und der letzten beiden Wörter in B. Besonders auffallend ist die größenmäßige Hervorhebung des Gegensatzpaares HOMO und CINIS, die den mahnenden Charakter des Textes unterstreicht.

Das Epitaph ist in der Reihe der Xantener Bildepitaphien, die sonst ausnahmslos biblische Themen aufgreifen, singulär. Bedeutsam für diese Motivwahl mag die Todesursache der Verstorbenen sein. 1636, im Todesjahr der Elisabeth van Ulft, soll der schwarze Tod in Xanten ein Drittel der Bevölkerung dahingerafft haben.7)

Textkritischer Apparat

  1. Ligatur in Form eines symmetrischen Y.
  2. Kürzung durch us-Haken.
  3. Kürzung durch zwei übereinander gesetzte Quadrangel.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. nach Hölker (1925): H-67.
  2. Heute im Lapidarium (Inv.-Nr. 464).
  3. Zum Vanitas-Motiv bei Caspar van Ulft vgl. Nr. 226 und Nr. 244.
  4. Buchstabenhöhe nach Foto errechnet.
  5. Vgl. Wander, Sprichwörter-Lexikon (1987), Bd. 4, Sp. 835f., ,Sterben’, Nr. 146: „Disce mori vivens, moriens ut vivere possis“.
  6. Soziales Engagement und Todesdatum der Elisabeth van Ulft werden durch Eintrag ins Kirchenbuch 1615–1656, S. 209, zum 30. Mai 1636 bestätigt. Vgl. LAV NRW R (Brühl), FX 001/01.
  7. Holland, Geschichte Xantens (1928), S. 71. Nach Bader, Dom I (1978), S. 175, mit Berufung auf Bertha Birckman, Die Pest in Xanten im Dreißigjährigen Krieg, in: Die Heimat – Krefelder Jahrbuch 17 (1938), S. 191ff., starben zwei Drittel der Xantener Bevölkerung.

Nachweise

  1. Foto: RBA 25222 (vor 1945).
  2. LAV NRW R, HS N III Nr. 2 (von Dorth, Notizen [1659–1674]), fol. 59r.– Hölker, Inventar (1925), H-67.
  3. Engelskirchen, Inschriften (1937), S. 49f.
  4. Engelskirchen, Nachlese (1939), S. 122, Anm. 4.
  5. Bambauer/Kleinholz, Inschriften, Teil 2 (1980), S. 215.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 239† (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0023907.