Inschriftenkatalog: Stadt Xanten

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 92: Stadt Xanten (2017)

Nr. 259 St. Viktor, Westchorhalle 4. V. 15. – 17. Jh. (und später)

Beschreibung

Geländer der zwischen 1476 und 1483 errichteten gotischen Maßwerkgalerie. Trachyt. In den Handlauf des Geländers wurden sowohl an der Nord- als auch an der West- und der Südseite Namen, Initialen, ein Nomen sacrum, Daten und Marken sowie Zirkelschläge eingeritzt. Die Graffiti verteilen sich auf die senkrechte Innenseite, die darüber angebrachte Hohlkehle, die waagerechte Oberseite des Handlaufs und die äußere Hohlkehle zum Kirchenraum hin. An der Westseite ist das Geländer durch zwei Pfeiler in drei Abschnitte unterteilt. Die Einträge befinden sich dort nur in den beiden äußeren Abschnitten, zwischen den Pfeilern wurde das Geländer erneuert. In die Edition aufgenommen wurden nur Einträge, die mindestens eine Silbe umfassen oder als Initialen erkennbar sind. Einträge, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nach dem Bearbeitungszeitraum entstanden, wurden nicht berücksichtigt.

Siehe Lageplan.

Maße: Breite des Geländers je Abschnitt 220 cm; Bu. 0,4–7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (N4, N20); Kursivschrift (N7); Kursivschrift, gemischt mit Kapitalisbuchstaben (S23); gotisch-humanistische Mischminuskel, z. T. mit kursiven Elementen oder Kapitalisbuchstaben (alle übrigen Einträge in Minuskelschrift); Kapitalis, vereinzelt mit Minuskelformen (alle Einträge in Majuskelschrift).

I. Westseite

An der Innenseite

  1. W1

    L W

In der inneren Hohlkehle

  1. W2

    GERADVSa)1) · PETERS

  2. W3

    Ị HEIDE(N)b)2)

  3. W4

    A K

  4. W5

    Gc) P

  5. W6

    DERICK3)

  6. W7

    IOṢPER

  7. W8

    F V G

  8. W9

    I . v . Gred)4)

  9. W10

    H. V. T.

  10. W11

    H K

  11. W12

    IOAN

  12. W13

    I Fe)

An der Oberseite

  1. W14

    H · W · Sf)5)

  2. W15

    R · Pg)

  3. W16

    HENRICH6)

  4. W17

    I F7)

In der äußeren Hohlkehle

  1. W18

    Rutgerus Hagens8)

II. Nordseite

Am mittleren Pfeiler

  1. N1

    E T9)

An der Innenseite

  1. N2

    theo

  2. N3

    teo

  3. N4

    ludolph[u]s10)

  4. N5

    Joha[…]

  5. N6

    HER HAICH11)

  6. N7

    Everhard(us)h) haech12)

  7. N8

    the13)

  8. N9

    lambeṛṭ pasma(n)14)

  9. N10

    Hathma(n)

  10. N11

    Io(hann)es

  11. N12

    MA : HA

In der inneren Hohlkehle

  1. N13

    T // Ni)15)

  2. N14

    THEO PAsMAN16)

  3. N15

    Albert(us)h)

  4. N16

    Former17)

  5. N17

    Theo Zoj)18)

  6. N18

    Wilhelm(us)h)

  7. N19

    HAenẹk)

  8. N20

    Iohannes bouman19)

  9. N21

    IOHA(n)nES pasma(n)

  10. N22

    Theo · hd)

  11. N23

    W // Fl)

  12. N24

    Io(hann)es stochorst

  13. N25

    Alexander

  14. N26

    Theo · Pasma(n)20)

  15. N27

    mostert21)

  16. N28

    Io(hann)es pas[..]nm)

  17. N29

    IO DERCK22)

An der Oberseite

  1. N30

    I // Sn)

  2. N31

    I H

  3. N32

    I V Do)

  4. N33

    H · // · Dp)

  5. N34

    L T

  6. N35

    HENq)

  7. N36

    EVER(HARD) HAICHMA(N)r)

  8. N37

    HENq)

  9. N38

    IHSs)

  10. N39

    IAN // HASt)23)

  11. N40

    IOHANNES VAu)

  12. N41

    H V I

  13. N42

    PETR(VS)h)

  14. N43

    IOHv)

III. Südseite

An der Innenseite

  1. S1

    HERMANUS STOCHORst

  2. S2

    Theo pa[….]w)

  3. S3

    iacob(us) hane

  4. S4

    PETR(VS)h)

  5. S5

    HENRIC(VS)h)

  6. S6

    Herma(n)n(us)h) Be[.]k

  7. S7

    Everhard(us)h) h[…]x)

  8. S8

    Io(hann)es pasman

  9. S9

    Theodor[.]y)

In der Hohlkehle

  1. S10

    . 16 . // Gc) V D // . 28 .z)

  2. S11

    W I

  3. S12

    IOANNES BREMRTaa)

  4. S13

    Wilhbb)

  5. S14

    frạnconịṣ

  6. S15

    ICHMAN

  7. S16

    THEO : PAsMA(N)

  8. S17

    […]ụs van de veldt24)

  9. S18

    Theo : pasma(n)

  10. S19

    Gilb(er)t(us)h) · P̣ . Re[.]

  11. S20

    IO(HANN)ES pasman25)

  12. S21

    Wilhelmus

  13. S22

    david elha[…]

An der Oberseite

  1. S23

    W[……] / LUTTekeNScc)

  2. S24

    GERART(VS)h) RADEMECK[E]R A(NN)Odd) 1603 den 20 APRIL

  3. S25

    IOHANNES VERSPYCKee)

  4. S26

    IHEd)

 
Wappen
Heiden (W3)26), Lutteken (S23)27)

Marken

TN (N13), WF (N23)28), IS (N30), HD (N33), Haes (N39), G v D (S10)

Kommentar

Die meisten Einträge an der Galerie sind ohne Bemühen um eine ansprechende graphische Gestaltung beiläufig eingeritzt oder eingeschnitten. Die Schrift ist in diesen Fällen durch eckige, unbeholfen wirkende Formen gekennzeichnet, die sich – soweit es um Minuskeln geht – der Zuordnung zu einer bestimmten Schriftart häufig entziehen. In einigen Fällen führte die Entscheidung für einfach auszuführende Buchstaben zu einer Mischung von Majuskel- und Minuskelformen. Doch neben diesen Mischformen und den recht zahlreichen Kapitalis-Inschriften gibt es auch vereinzelt Graffiti in gotischer Minuskel.29)

Einige der Namen sind in den archivalischen Quellen nachweisbar, lassen sich aber nicht unbedingt bestimmten Familienmitgliedern zuordnen, da sich die Vornamen in einer Familie oft über Generationen wiederholen. So sind in den Xantener Quellen zwei Männer namens Rutger Hagens (W18) fassbar. Der ältere von ihnen verstarb 1554 (vgl. Nr. 153), der jüngere – vielleicht sein Sohn – ist zwischen 1581 und 1583 als Kanoniker des St. Viktorstifts30) bezeugt (vgl. Nr. 196). Aus dem Kreis der Kanoniker stammen wahrscheinlich auch Johannes Brempt (S12, 1505 als Kanoniker belegt)31), Hermann Beek oder Beck (S6) und Everhard Haich32) (N6?, N7, vielleicht auch S7). Die beiden Letztgenannten haben sich als (Stifts-)Her 1541 auch am Chorgestühl eingetragen (Nr. 260, 30A). Etwas später (1562 und 1609) ist Hermann (ingen) Stochorst als Vikar in Xanten nachgewiesen (S1).33)

Doch nicht nur Kanoniker und Vikare haben sich an der Galerie verewigt, sondern auch Handwerker. Zu ihnen zählte Johannes Bouman (N20), der an den Bauarbeiten für die Westchorhalle 1476 bis 1483 mitgewirkt und an der Galerie außer einem Graffito auch eine kunstvoll ausgeführte Meisterinschrift angebracht hat (Nr. 52). Ein Johannes Pasmann (N21, N28, S8, S20) wird in der Baurechnung von 1465/66 zweimal als Lohnempfänger der Kirchenfabrik für handwerkliche Arbeiten genannt. Offenbar war er Zimmermann und u.a. an den Dachdeckerarbeiten für die Michael- und die Andreaskapelle beteiligt.34) In welchem verwandtschaftlichen Verhältnis er zu Theo (N14, N26, S2?, S16, S18) und Lambert Pasmann (N9) stand, ist nicht bekannt. Die Graffiti der am Bau beteiligten Handwerker sind wohl die ältesten Inschriften an der Balustrade der Westempore.

Zwei Daten (1603 und 1628) belegen, dass auch im 17. Jahrhundert noch Kritzelinschriften angebracht wurden, weitere folgten noch nach dem Bearbeitungszeitraum.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Hinter dem Namen ein schwach ausgeführter Wappenschild mit unkenntlichem Bild.
  3. Möglich auch C.
  4. Eintrag abgebrochen.
  5. Die Buchstaben sind mit großem Abstand voneinander eingeschnitten worden, gehören aber vermutlich zusammen. Vgl. Inschrift W17 an der Oberseite.
  6. Kreuze als Trennzeichen. Daneben eine Marke, s. Anhang, Nr. 7.
  7. Drei übereinander gesetzte Punkte als Trennzeichen.
  8. Kürzung durch us-Haken.
  9. Unterbrechung durch eine Marke, s. Anhang, Nr. 8.
  10. Hinter dem o ist ein kurzer Schaft erkennbar, danach ist der Eintrag abgebrochen. Anhand eines Schriftvergleichs mit einem Graffito am Chorgestühl (Nr. 260, 26C) zu Zonsbeck zu ergänzen.
  11. Letzter Buchstabe vielleicht ein s.
  12. Dazwischen eine unkenntliche Marke?
  13. Wohl zu pasman zu ergänzen.
  14. Unterbrechung durch Andreaskreuz (Marke?), s. Anhang, Nr. 9.
  15. Über allen drei Buchstaben ein ausgebuchteter Kürzungsstrich. Der Eintrag ist von einer schlichten, gravierten Linie gerahmt, ein Andreaskreuz schafft eine Verbindung zum nächsten Eintrag.
  16. Über beiden Buchstaben ein ausgebuchteter Kürzungsstrich. Unterbrechung durch Marke, s. Anhang, Nr. 10. Zu Rahmung und Anordnung s. Anm. o).
  17. Eintrag abgebrochen, wohl zu HENRICVS zu ergänzen.
  18. Kürzungszeichen fehlen. Eintrag getilgt.
  19. Zu verschiedenen Auflösungen siehe die Einleitung, Kap. 1.
  20. Unterbrechung durch Marke, s. Anhang, Nr. 11.
  21. Eintrag abgebrochen. Die vorletzte Silbe überlagert den folgenden, etwas weiter oben ausgeführten Eintrag. E ist mit dem linken Schaft des deutlich größer ausgeführten H in Inschrift N41 verschmolzen, S ist mit dem V derselben Inschrift verschränkt.
  22. Eintrag abgebrochen, wohl zu IOHANNES zu ergänzen.
  23. Vermutlich zu pasman zu ergänzen. Eintrag zugeschmiert.
  24. Zu ha(e)ch/ha(i)ch zu ergänzen?
  25. Eintrag durchgestrichen.
  26. Jahreszahl unterbrochen durch eine Marke zwischen Initialen (s. Anhang, Nr. 12), G links, D rechts von der Marke, das V darüber. Jeweils ein senkrechter Strich am Beginn und am Ende sowie beiderseits der Marke mit den Initialen.
  27. Wohl statt BREMPT.
  28. Eintrag abgebrochen, zu ergänzen zu Wilhelm(us).
  29. Daneben eine Marke im Wappenschild (s. Anhang, Nr. 13).
  30. Endbuchstabe hochgestellt.
  31. Eintrag teilweise durch eine Metallschiene verdeckt.

Anmerkungen

  1. A mit gebrochenem Mittelbalken, D und S mit flachen Bögen. Worttrennung durch Kreuz oder Stern auf halber Zeilenhöhe.
  2. Der erste Buchstabe des Familiennamens ist doppelt so groß ausgeführt wie die folgenden Buchstaben. Schäfte und Balken mit senkrecht angesetzten Sporen.
  3. R mit gerader, weit ausgestellter Cauda; C mit flachem Bogen. Vgl. N29.
  4. Buchstabenhöhe nur 0,4 cm.
  5. W in Form zweier Schrägschäfte mit eingestelltem Mittelschaft.
  6. Balken und Schäfte mit senkrecht angesetzten Sporen, z. T. sogar mit Serifen (N, R).
  7. Vgl. W13.
  8. Teilweise in Konturschrift ausgeführt. Dekorative Mischminuskel ohne Brechungen, mit doppelstöckigem a, rundem g und Kapitalisversalien.
  9. Größter Eintrag mit 7 cm Buchstabenhöhe. Schmales E mit gleich langen Balken, T mit rechtwinklig nach unten an den Balken angesetzten Sporen.
  10. Vgl. Nr. 260, Inschrift 59G. An der gotischen Minuskel orientierte Schrift mit ausgeprägten, gespaltenen Oberlängen.
  11. Vgl. den Eintrag N7 sowie Nr. 260, Inschrift 30A.
  12. Dünn eingeritzte, eckig ausgeführte Kursivschrift mit einstöckigem a, weit unter die Grundlinie verlängertem Bogen beim h, Bogen-r und rundem d mit weit nach links geführtem Schaftende. Vgl. Nr. 260, Inschrift 30A.
  13. Eintrag abgebrochen, wohl zu theo zu ergänzen.
  14. Gotisch-humanistische Mischminuskel.
  15. Buchstabenhöhe 6 cm. Initialen in Kontur eingeschnitten, Schäfte und Balken mit Serifen.
  16. Schaft des P unter die Grundlinie verlängert. Schaft-s mit ausgeprägter Ober- und Unterlänge; M mit schrägen Außenschäften und langem Mittelteil.
  17. Mischminuskel ohne Schaft- und Bogenbrechungen.
  18. Mischminuskel mit Schaftumbrüchen bei h, ohne Bogenbrechungen bei e und o. T-Versal aus der gotischen Majuskel abgeleitet (unziales T mit senkrecht eingestelltem Zierstrich); doppelstöckiges Z mit weit unter die Grundlinie gezogenem Bogen.
  19. Vgl. Nr. 52. Gotische Minuskel.
  20. Gotisch-humanistische Mischminuskel mit Kapitalisversalien.
  21. Vgl. Nr. 260, Inschriften 29B und 29G.
  22. Vgl. W6 und W7.
  23. In der Baurechnung von 1483/84 werden Einkünfte der Kirchenfabrik von einer Hand („de manu“) des Johannes Haese und des Johannes Smeds aus Sonsbeck in Höhe von 5 Solidi und 3 Denaren genannt. Der Vollständigkeit halber sei auf einen Kanoniker Johannes Josephus Hasius verwiesen, der seine Präbende 1648 Mai 11 erhielt und 1660 Febr. 27 resignierte (Pels II, Deliciae [1734], p. 215 und 298; Successio, fol. 33).
  24. Die Baurechnungen verzeichnen 1474/75 Einnahmen aus den Vermächtnissen der Gattin des Johannes van de Veld in Höhe von 1 1/2 Mark (Rotthoff, Baurechnungen [1975], Sp. 157).
  25. Der erste Buchstabe des Vornamens ist in Konturschrift und mit breiten Sporen ausgeführt.
  26. Wappenbild unkenntlich.
  27. Marke, s. Anhang, Nr. 13.
  28. Marke unkenntlich.
  29. Siehe Nr. N4, N20, zudem mehrere abgebrochene Einträge und Einzelbuchstaben.
  30. Pels II, Deliciae (1734), p. 137, 269; Successio, fol. 13v, 14r.
  31. Ioannes Brempt erhielt die Präbende des Doktor med. Hermann Kispenich (oder Kispenningh), gestorben 1505. Brempt resignierte am selben Tag und zur selben Stunde seine Präbende zu Händen des Kapitels. Dieses übertrug die Präbende seinem Bruder Leo. Pels II, Deliciae (1734), p. 131, 268; Successio, fol. 9v, 10r.
  32. Er ist vielleicht identisch mit Everhard Haichman, N36.
  33. Hermann (ingen) Stochorst, 1562 und 1609 als Vikar in Xanten bezeugt (Kastner, Urkunden IV [2013], Nr. 3242 von 1562 Dez. 2 und Nr. 3557 von 1609 Juli 10). Vgl. Nr. 260, Inschriften 57A und E.
  34. 1454/55–1475/76 werden in den Baurechnungen Einkünfte aus dem zinspflichtigen Haus des Johannes Pasmann in der Scharnstraße erwähnt (Rotthoff, Baurechnungen [1975], Sp. 34 und 175). In der Regel belief sich dieser Zins auf 18 Denare. Außerdem lag auf dem Haus eine Rente von einer Mark für die Vikarie des Laurentiusaltars.

Zitierhinweis:
DI 92, Stadt Xanten, Nr. 259 (Paul Ley), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di092d009k0025903.