Kommunale Finanzen
Die Einnahmen von kommunalen Haushalten schwanken oft stark. Das liegt nicht an den Gebühren und Beiträgen der Gemeinden und Gemeindeverbände, sondern überwiegend am großen Gewicht der Gewerbesteuer: Ihr Anteil an den kommunalen Steuereinnahmen in Rheinland-Pfalz liegt seit vielen Jahren im Schnitt bei mehr als 40 Prozent.
Die Gewerbesteuer ist sehr konjunkturempfindlich und reagiert stark auf das Auf und Ab der Wirtschaftsentwicklung. Auch die Einkommensteuer, von der die Kommunen 15 Prozent erhalten (was weiteren rund 40 Prozent der Steuern und steuerähnlichen Einnahmen entspricht), entwickelt sich prozyklisch und steigt oder fällt mit der Konjunktur.
Das Land Rheinland-Pfalz greift hier glättend ein – mit Hilfe einer bundesweit einmaligen Stabilisierungsrechnung. Ansatzpunkt ist der kommunale Finanzausgleich (KFA). Die Aufgabe des KFA ist im Wesentlichen, die Erträge und Einzahlungen der Kommunen aus eigenen Steuern und Gebühren zu ergänzen und finanzielle Ungleichgewichte zwischen den Kommunen abzumildern. Über den KFA fließen den rheinland-pfälzischen Kommunen mehr als ein Viertel ihrer Gesamteinnahmen zu. Er ist nach den kommunalen Steuereinnahmen die zweitwichtigste Einnahmequelle.
Mit der Stabilisierungsrechnung sorgt das Land dafür, dass der KFA grundsätzlich nicht schrumpft. Das Land garantiert vielmehr ein wachsendes Volumen der sogenannten Verstetigungssumme, die ca. 98 Prozent der Finanzausgleichsmasse ausmacht, dem entscheidenden Topf des KFA. In schlechten Zeiten stockt das Land die Finanzausgleichsmasse auf, in guten Zeiten wird eine Finanzreserve aufgebaut. Die Stabilisierungsrechnung (damals Stabilisierungsfonds) wurde 2004 beschlossen und wirkt seit 2007 – allerdings nur noch bis zum Ende des Jahres 2022. Die Stabilisierungsrechnung soll mit der Neuausrichtung des KFA zum 1.1.2023 entfallen.
Der rheinland-pfälzische KFA wird derzeit grundlegend überarbeitet. In einem Urteil vom 16. Dezember 2020 hatte der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz entschieden, dass der KFA neu aufgesetzt werden muss. Spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2023 muss laut Gericht ein „bedarfsorientierter Finanzausgleich“ in Kraft treten, dessen Volumen und Verteilungswirkung sich durch eine Bedarfsermittlung ergeben muss, die sich an den Aufgaben der Kommunen orientiert. Ob das Verfahren der Betrachtung der kommunalen Bedarfe zu einer höheren, niedrigeren oder gleichbleibenden Finanzausgleichsmasse führen würde im Vergleich zum bisherigen stabilisierten Steuerverbundsystem, war für das Gericht vorab nicht feststellbar.
Inzwischen haben das Innenministerium (federführend) und das Finanzministerium unter Beteiligung des Statistischen Landesamts, des Rechnungshofes, der ADD und der Kommunalen Spitzenverbände die aufwendigen Berechnungen der kommunalen Bedarfe abgeschlossen. Die Ergebnisse dienten als Basis für den Entwurf eines Landesgesetzes zur Neuregelung des Landesfinanzausgleichsgesetzes (LFAG), den der Ministerrat am 10. Mai 2022 im Grundsatz gebilligt hat. Zum Jahresende 2022 soll die Reform vom Landtag beschlossen werden.
Die Reform des KFA bedeutet einen tiefgreifenden Systemwechsel: vom derzeitigen sog. Steuerverbundsystem auf einen aufgabengerechten Finanzausgleich. Das Land garantiert den Kommunen künftig eine bedarfsorientierte Mindestfinanzausstattung, zur Erfüllung ihrer pflichtigen Aufgaben sowie für ein Minimum an freiwilligen Aufgaben. Gemäß dem Berechnungsstand zum Referentenentwurf vom 29.04.2022 wurde die Mindestfinanzausstattung der Kommunen für das Jahr 2023 mit 2,9 Mrd. Euro beziffert. Sie liegt damit niedriger als die Finanzausgleichsmasse, die den Kommunen derzeit zur Verfügung steht (im Jahr 2022 ca. 3,49 Mrd. Euro). Allerdings plant das Land mit der Reform auch andere Änderungen am KFA, so dass die Finanzausgleichsmasse im Jahr 2023 zugunsten der Kommunen um 275 Mio. Euro höher ausfallen wird als in 2022 und dann bei rd. 3,76 Mrd. Euro liegt.
Rheinland-Pfalz ist nicht das erste Land, das aufgrund eines Gerichtsurteils einen bedarfsorientierten KFA einführt. Dazu angehalten wurden zunächst Thüringen, später Hessen und dann Schleswig-Holstein. In den anderen Ländern ist der KFA so ausgestaltet wie er auch viele Jahrzehnte in Rheinland-Pfalz funktioniert hat – als sog. Steuerverbundquotenmodell. Generell gilt: Jedes System muss regelmäßig an neue Anforderungen angepasst werden. Auch mit dem systematischen Wechsel zu einem bedarfsorientierten KFA werden Nachjustierungen erforderlich sein.
Neben dem Kommunalen Finanzausgleich gibt es noch weitere wichtige Gesetze und Programme, über die das Land die Kommunen finanziell unterstützt oder vor zusätzlichen Belastungen bewahrt:
- Rheinland-Pfalz hatte im Jahr 2004 das strikte Konnexitätsprinzip eingeführt. Es stellt sicher, dass keine kostenintensiven Aufgaben vom Land auf die kommunale Ebene übertragen werden, ohne dass die Kommunen vom Land einen entsprechenden Ausgleich erhalten. Es gilt: Wer bestellt, der bezahlt. Die sogenannten Mehrbelastungsausgleichszahlungen dürfen nicht aus dem KFA geleistet werden, sondern müssen zusätzlich bereitgestellt werden.
- Mit der Reformagenda vom 8. Juni 2010 hat das Land ein mehrstufiges Programm zur nachhaltigen Verbesserung der kommunalen Finanzsituation beschlossen. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehörten der Kommunale Entschuldungsfonds (KEF-RP) ab 1. Januar 2012 und eine Reform des KFA ab dem 1. Januar 2014. Mit dem Kommunalen Entschuldungsfonds hilft das Land seit Anfang 2012 den Städten und Gemeinden aus ihren Finanznöten. Mit rund 1,2 Milliarden Euro unterstützt das Land die Kommunen bei der Schuldentilgung. Das finanzstarke und administrativ aufwändige Programm läuft bis 2026.
- Über die Jahre 2019 bis 2028 hinweg unterstützt das Land die Kommunen durch ein Aktionsprogramm durch Zinssicherungen und ein Bonuszahlungen bei der Bewältigung der zum Teil hohen Belastung durch Zins und Tilgung ihrer Liquiditätskredite.
- Durch eine Verfassungsänderung hat der rheinland-pfälzische Landtag den Weg bereitet für eine zusätzliche, sehr weitreichende Hilfe des Landes im Bereich der kommunalen Verschuldung. Ab 2023 sollen rund die Hälfte der kommunalen Liquiditätskredite, das sind rund 3 Mrd. Euro, durch das Land übernommen werden.
Ausgewählte Literatur und Quellen zum Thema
Landeshaushalt:
Einzelplan 20 "Allgemeine Finanzen" im Haushalt 2022
Eine Übersicht über den kommunalen Finanzausgleich (Steuerverbund) findet sich dort ab Seite 74.
Steuerschätzung:
Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai 2022 für die rheinland-pfälzischen Kommunen
Regionalisiertes Schätzergebnis Kommunen
Das rheinland-pfälzische Landesfinanzausgleichsgesetz
Gesetzesgrundlagen:
Grundgesetz
Garantie des Rechts auf Selbstverwaltung
Artikel 28 Absatz 2
Bestimmung der Finanzquelle
Artikel 106
Landesverfassung Rheinland-Pfalz
Kommunale Selbstverantwortung und Selbstverwaltung allgemein
Artikel 49
Konnexitätsprinzip und Mehrbelastungsausgleich
Artikel 49 Absatz 5
Kommunaler Finanzausgleich
Artikel 49 Absatz 6