Anlagensicherheit
Industrieanlagen sind unter anderem Ausdruck des technischen Fortschritts. Aufgrund gefährlicher Stoffe, technischer Vorgänge oder Zustände können sie aber auch ein Gefahrenpotenzial darstellen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der schwere Chemieunfall in einer Fabrik der italienischen Stadt Seveso im Jahr 1976: Ein sechs Quadratkilometer großes, dicht bevölkertes Gebiet wurde hier mit Dioxin vergiftet. Aber auch natürliche Gefahrenquellen wie Hochwasser oder Erdbeben können zu gefährlichen Umweltauswirkungen von Industrieanlagen führen. Für die Akzeptanz industrieller Anlagen ist von erheblicher Bedeutung, dass Mensch und Umwelt vor ihren potenziellen Gefahren hinreichend geschützt sind. Dies gilt erst recht in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland.
Bei der Anlagensicherheit geht es darum, schädliche Einwirkungen insbesondere von verfahrenstechnischen Anlagen auf den Menschen, die Umwelt und auf Sachwerte zu vermeiden. Gleichzeitig trägt sie dazu bei Produktionsziele zu erreichen. Die Anlagensicherheit stützt sich auf das sicherheitstechnische Konzept der Anlage sowie auf begleitende technische und organisatorische Maßnahmen.
Ziel der Anlagensicherheit ist es, schwere Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu verhindern beziehungsweise deren Auswirkungen für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Da der Stand der Sicherheitstechnik sich ständig weiterentwickelt, müssen Vorschriften und Maßnahmen zur Anlagensicherheit kontinuierlich überprüft und ggf. weiterentwickelt werden.
Um eine bestmögliche Anlagensicherheit zu erreichen, gibt es weder einzelne Gesetze noch einzelne Normen. Ein Betreiber hat eine Vielzahl von Pflichten zu erfüllen, die sich beispielsweise aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, dem Wasserhaushaltsgesetz, dem Abfallgesetz, der Umweltverträglichkeitsprüfung, dem Umwelthaftungsgesetz, dem Chemikaliengesetz, der Betriebssicherheitsverordnung, den Unfallverhütungsvorschriften ergeben.
Die Anlagensicherheit entsteht aus der Wahrung folgender Aspekte:
- Gefahrenpotenziale der Stoffe,
- eine kontinuierlich sicherheitstechnische Beurteilung der Anlagen,
- Auswahl der Sicherheitstechnik,
- ganzheitliche Sicherheitsbetrachtungen von Apparaten, Anlagen und Systemen,
- Auslegung von Berstscheiben, Sicherheitsventilen und von Be- und Entlüftungssystemen,
- Emissionsbetrachtungen (Ausbreitungsberechnung),
- Gefahrenanalysen,
- Beachtung der Wechselwirkung einer Anlage mit dem Umfeld und der Umwelt,
- sorgfältige Auswahl und permanente Qualifizierung der Mitarbeiter (Innentäter),
- Verhinderung von unbefugten Eingriffen,
- geeignete Organisation und Mitarbeiterführung sowie
- Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien.
Die Sicherheit von technischen Anlagen ist vor allem eine Aufgabe der Anlagenbetreiber. Dem Staat obliegt dabei die Funktion, entsprechende Gesetze und Verordnungen zu erlassen, um die Sicherheit für Mensch und Umwelt zu gewährleisten. Mit der Störfall-Verordnung (12. BImSchV) steht Behörden sowie Betreibern von Anlagen in Deutschland ein Instrument zur Verfügung, um von Anlagen ausgehende Störungen zu verhindern oder ggf. Auswirkungen von Industrieunfällen auf die Umwelt zu begrenzen.
Die Störfall-Verordnung legt beispielsweise fest, welche Pflichten ein Betreiber erfüllen muss, wenn in seinem Industriebetrieb bestimmte Mengen gefährlicher Stoffe, z. B. von explosionsgefährlichen oder giftigen Stoffen überschritten werden. Sie gibt auch vor, dass Industriebetriebe in einem angemessenen Abstand zu wichtigen Verkehrswegen oder Freizeitgebieten liegen sollen. Für den Vollzug der Verordnung sind die jeweiligen Bundesländer zuständig. Um diesen möglichst einheitlich zu gewährleisten, wurde vom Bundesumweltministerium eine Vollzugshilfe zur Störfall-Verordnung erarbeitet.
Anlagensicherheit muss stetig verbessert werden. Die im Jahr 2005 aus der Störfall-Kommission (SFK) und dem Technischen Ausschuss für Anlagensicherheit (TAA) hervorgegangene Kommission für Anlagensicherheit (KAS) zeigt hierzu Möglichkeiten auf und schlägt Regeln vor, die dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechen. Die Bundesregierung beruft Vertreterinnen und Vertreter aus allen gesellschaftlich relevanten Gruppen in die KAS und lässt sich von diesen fachkundig in sicherheitstechnischen Fragen beraten. Viele Arbeiten der KAS führen zu Leitfäden und Berichten, die Empfehlungen für Anlagenbetreiber, Sachverständige und Behörden enthalten.