Entwicklungspolitische Leitlinien des Landes Rheinland-Pfalz
Vorwort
Rheinland-Pfalz engagiert sich seit über dreißig Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit. Ein Schwerpunkt unserer Entwicklungspolitik liegt auf der langjährigen Partnerschaft zu Ruanda. Darüber hinaus bestehen viele lebendige Verbindungen rheinland-pfälzischer Kommunen, Kirchen, Schulen oder Vereine zu Partnern in den Ländern des Südens. Ohne die breite Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wäre das vielfältige entwicklungspolitische Engagement in Rheinland-Pfalz nicht möglich. Die Unterstützung der entwicklungspolitischen Kräfte im Land und die Kooperation mit den Akteuren und Initiativen ist der Landesregierung daher ein großes Anliegen.
In der Entwicklungspolitik hat sich in den vergangenen Jahren ein Wandel vollzogen. Heute geht es um mehr als um Projekte und Programme. Es geht um grundlegende politische, gesellschaftliche, rechtliche und wirtschaftliche Veränderungen, die überall stattfinden müssen, im Norden und im Süden. Es geht um eine sozial und ökologisch gerechte Globalisierung, um gerechte Handelsstrukturen, um Klima- und Umwelt-schutz. Und es geht um Veränderungen von Lebens- und Konsummustern in Deutsch-land. Die vielen Menschen, die vor Krieg, Armut und Hunger nach Europa fliehen ma-chen deutlich, dass ein "Weiter so" nicht mehr möglich ist.
Die vorliegenden entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes Rheinland-Pfalz sind das Ergebnis eines breiten Beteiligungsprozesses mit der Zivilgesellschaft. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei all denjenigen bedanken, die diesen Prozess sehr engagiert und konstruktiv begleitet haben. Sie haben wesentlich dazu beigetra-gen, neue zukunftsweisende Leitlinien für die Entwicklungspolitik des Landes Rhein-land-Pfalz zu entwerfen. Diese Leitlinien bilden den Rahmen für das künftige entwick-lungspolitische Handeln der Landesregierung.
Mainz, den 17.12.2015
Rheinland-Pfalz in der Welt – Die Welt in Rheinland-Pfalz
Die rheinland-pfälzische Landesregierung trägt mit ihrer Entwicklungspolitik dazu bei, weltweit Armut zu bekämpfen, die Globalisierung gerechter zu gestalten, die Umwelt zu schützen, Frieden zu sichern und Demokratiebestrebungen zu unterstützen. Dabei orientiert sie sich an den von den Vereinten Nationen im September 2015 verabschie-deten „Sustainable Development Goals“ (SDG) als Referenzrahmen für die künftige Politik in Rheinland-Pfalz. Auch auf Ebene des Bundes und der EU setzt sich Rhein-land-Pfalz für eine konsequente Umsetzung der SDG ein und kooperiert hierzu eng mit den deutschen Ländern und dem Bund.
Mit den vorliegenden entwicklungspolitischen Leitlinien wird die Entwicklungszusam-menarbeit in Rheinland-Pfalz politisch weiter verstetigt, in allen Ressorts der rheinland-pfälzischen Landesregierung verankert und mit der Arbeit des entwicklungspolitischen Landesnetzwerks ELAN e.V. sowie den weiteren entwicklungspolitisch engagierten Organisationen und Initiativen im Lande verzahnt.
Die Leitlinien beschreiben die Prinzipien der rheinland-pfälzischen Entwicklungspolitik und stellen für alle Ressorts eine bindende Grundlage dar.
Zusammenarbeit in internationalen Partnerschaften - gemeinsam auf dem Weg
In Rheinland-Pfalz existieren seit Jahren viele gelebte Partnerschaften von Kommu-nen, kirchlichen Gemeinden und Organisationen, Schulen und privaten Organisatio-nen mit Partnern in Ländern des globalen Südens. Dabei kommt der seit 1982 beste-henden Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda, die bundesweit Modell-charakter besitzt, eine herausragende Bedeutung zu. Intensive Partnerschaftspro-zesse werden auch in den langjährigen kirchlichen Partnerschaften mit Partnern auf den Philippinen, Indonesien / West-Papua, Bolivien und in vielen anderen Ländern gestaltet. Diese Partnerschaften und deren Vielfalt sind wichtige Säulen für die Ent-wicklungspolitik in Rheinland-Pfalz, denn sie leisten einen wertvollen Beitrag zu Völ-kerverständigung, Frieden und Gerechtigkeit, zur Armutsminderung, Verwirklichung von Menschenrechten und Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen in der Welt.
Grundlage von Partnerschaften ist das gegenseitige Kennenlernen, die Begegnung und der Dialog.
Der Anspruch an eine Partnerschaft ist die Beteiligung der Partner in allen gemeinsa-men Vorhaben, die Wechselseitigkeit in den Begegnungen und der gegenseitige Res-pekt. Partnerschaftsbeziehungen sind niemals eine Einbahnstraße: Sowohl die Men-schen im Partnerland als auch die Menschen in Rheinland-Pfalz profitieren vom Dia-log, der zu wachsendem Verständnis und Wertschätzung füreinander, aber auch zur Überwindung bestehender Vorurteile beiträgt. Durch die Partnerschaften erfolgt eine breite entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit, die die Öffentlichkeit in Rheinland-Pfalz auf die Lebensbedingungen der Menschen in den Partnerschaftsregi-onen aufmerksam macht.
Das Land Rheinland-Pfalz fördert internationale Partnerschaften und stellt Mittel für die Qualifizierung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfü-gung. Besonders unterstützt das Land Pilotmaßnahmen, welche die Wechselseitigkeit und den Wissenstransfer in Begegnungsprogrammen und Freiwilligendiensten stärken.
Partnerschaften greifen globale Herausforderungen auf, sie fördern Entwicklungs- und Veränderungsprozesse
Chancengerechtigkeit in Handelsstrukturen, Auseinandersetzung mit den Konsequen-zen des Klimawandels und die Folgen des ungebremsten Wachstums sind einige der Themen in Partnerschaften. Eine gelebte Partnerschaft hilft beiden Seiten, diese The-men miteinander zu erarbeiten, um ein besseres Verständnis für weltweite Zusam-menhänge und eine gemeinsame Verantwortung für Chancen und Defizite zu entwi-ckeln. Gerade die persönlichen Begegnungen und die Langfristigkeit der Beziehungen tragen dazu bei, gesellschaftspolitisch zu lernen und sich in globalen Prozessen zu engagieren.
In Partnerschaften kann die Bereitschaft zu teilen und zur Solidarität wachsen. Das Engagement für die Eröffnung von Lebensperspektiven, z.B. durch die Unterstützung von Selbsthilfeprojekten bei den Partnerinnen und Partnern, wird erweitert durch das Bemühen um einen partnerschaftlichen, auf globale Verantwortung orientierten Le-bens- und Konsumstil. Fairer nachhaltiger Handel und faire nachhaltige Beschaffung, klimaschonende Mobilität und Fremdenfreundlichkeit tragen zu den Zielen von internationaler Partnerschaft gleichberechtigt bei. Das Land Rheinland-Pfalz bestärkt Ko-operationen, die sowohl mit den Partnerinnen und Partnern als auch im eigenen Lebensfeld engagiert handeln.
Partnerschaften werden auch in Kommunen und Schulen gelebt
Kommunale Partnerschaften sind ein wichtiger Teil der Entwicklungspolitik. Durch ihre Bürgernähe haben die Kommunen viele Möglichkeiten, in der Bevölkerung ein Be-wusstsein für entwicklungspolitische Themen zu entwickeln und die Zivilgesellschaft für die Entwicklungspolitik zu mobilisieren. Wichtig hierfür ist eine enge Verzahnung von Auslands- und Inlandsaktivitäten in den Kommunen, um die entwicklungspolitische Bildungsarbeit überzeugend gestalten zu können. Über sog. Dreieckspartnerschaften, d.h. Partnerschaften zwischen Kommunen aus unterschiedlichen Ländern, können neue wichtige Impulse gesetzt werden.
Entwicklungspolitisches Engagement muss bereits in der Schule ermöglicht werden. Interkulturelle Kompetenz und globales Lernen eröffnen für die Schülerinnen und Schüler die Perspektive der Einen Welt, in der keiner seine Probleme alleine lösen kann.
Die Landesregierung begrüßt und unterstützt die Vielfalt und die Vernetzung der un-terschiedlichen Partnerschaften. Das Initiieren neuer Partnerschaften soll gefördert und die Qualifizierung der bestehenden Schulpartnerschaften weiterentwickelt wer-den. Die Landesregierung möchte mit einem Perspektivwechsel eine neue Qualität in der Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern erreichen und das vielfach noch vorherrschende Geber-Nehmer-Konzept durch einen gleichberechtigten Dialog, durch Begegnungen auf Augenhöhe und gegenseitige kulturelle Wertschätzung ablösen.
Bildung als Schlüssel - Rheinland-Pfalz fördert „Globales Lernen“
Die globalen Herausforderungen durch gesellschaftliche, ökologische und ökonomi-sche Ungerechtigkeit verlangen ein sofortiges Umdenken und Handeln auf allen Ebe-nen. Bildung ist ein Schlüssel, um die Akzeptanz für Veränderungsprozesse hin zu einer global nachhaltigen Entwicklung zu erreichen. Die Landesregierung gestaltet die-sen Prozess durch Globales Lernen im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwick-lung (BNE). Damit werden weltweite Abhängigkeiten aufgezeigt, eine Verbindung zwi-schen lokalen und globalen Erscheinungsformen hergestellt und so ein Beitrag zu ei-nem weltoffenen, zukunftsorientierten, vernetzten Denken und Handeln geleistet.
Die Landesregierung unterstützt diese Zielsetzung, indem sie Bildung für nachhaltige Entwicklung als verpflichtendes Querschnittsthema in den Lehrplänen verankert, die Professionalisierung der Lehrkräfte durch Maßnahmen der Lehrerfortbildung fördert und als Teil schulischer Qualitätsentwicklung versteht. Zudem soll BNE in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften, systematisch und flächendeckend im Elementarbe-reich sowie im Bereich der beruflichen Bildung stärker eingerichtet werden. Der Orien-tierungsrahmen für den Lernbereich "Globale Entwicklung im Rahmen der Bildung für nachhaltige Entwicklung" der Kultusministerkonferenz (KMK) soll hierzu stärker als bisher genutzt werden, um Globales Lernen als festen Bestandteil des Unterrichts ein-zuführen.
Schulen werden gezielt dabei unterstützt, BNE auch zu einem wesentlichen Teil ihres Schulprofils zu machen. Dabei geht es um einen ganzheitlichen Blick auf die Schule als Lebensraum, der sich u.a. in der baulichen Gestaltung, Ausstattung und Bewirt-schaftung sowie durch einen hohen Grad an Partizipation und Kooperation auszeich-net. Schulnetzwerke wie BNE-Schulen, Europaschulen, Fairtrade-Schools, UNESCO-Projektschulen werden stärker gefördert. Die Landesregierung will entwicklungspoliti-sches Engagement der Schulen stärker als bislang durch Auszeichnungsformate wert-schätzen und Projekte und Initiativen an Schulen gezielt unterstützen. Auch in geeig-neten Bereichen der Berufsbildung soll BNE gestärkt werden. Dabei sollten besondere Schwerpunkte auf nachhaltige Entwicklungen in den Bereichen Energie und Ressour-cen wie auch der Beschäftigung gelegt werden.
BNE wird als fester Bestandteil in der Ausbildung von Lehrkräften eingeführt sowie in den Fortbildungen für Schulleitungen und Lehrkräften, aber auch der Erziehungskräfte.
Die Hochschulen in Rheinland-Pfalz unterhalten vielfältige Partnerschaften in alle Welt. Dieser Austausch stärkt die Beziehung der Einrichtungen zueinander; gleichzei-tig sind die Hochschulen des Landes attraktive Lernorte auch für Menschen aus dem globalen Süden. Rheinland-Pfalz stärkt mit seiner Außenwissenschaftspolitik die wis-senschaftlich-technologische Zusammenarbeit. Die Landesregierung befürwortet und unterstützt den internationalen Austausch junger Menschen, insbesondere Austausch-programme / Schulpartnerschaften sowie universitäre Austauschprogramme mit Part-nern des globalen Südens.
Die Landesregierung begrüßt das Engagement zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure für entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit und möchte die Zusammenarbeit weiter ausbauen. Die Vernetzung zwischen Schulen, Einrichtungen der beruflichen Bildung, des Elementarbereichs und Nichtregierungsorganisationen möchte die Landesregierung verstärkt fördern. Das BNE-Beratungssystem und das Programm der Eine-Welt-PromotorInnen soll gemeinsam mit dem Bund fortgeführt und so die langfristige Förderung der Akteurinnen und Akteure des Globalen Lernens in Rheinland-Pfalz gesichert werden.
Rheinland-Pfalz schützt Umwelt und Klima
Der Schutz unserer globalen Lebensgrundlagen geht uns alle an, denn die Ressour-cen, die der Menschheit zur Verfügung stehen, sind endlich. Eine nachhaltige globale Entwicklung verlangt, die natürlichen Grenzen unseres Planeten zu respektieren und nach Alternativen zum derzeit herrschenden Wachstumsparadigma zu suchen. Die Missachtung dieser Grenzen hat schon jetzt gravierende Folgen für ganze Gesell-schaften, besonders für die Entwicklungs- und Schwellenländer.
Umwelt- und Klimaschutz ist deshalb immer zugleich Entwicklungspolitik. Politik muss dies als integrale Perspektive ihres Handelns aufnehmen und den Aufbau einer nach-haltigen Energieversorgung sowohl in den Ländern des Südens als auch in Rheinland-Pfalz fördern und die Energiewende gestalten. Dies soll durch Maßnahmen zum Ener-giesparen, zur Energieeffizienz und zum Ausbau erneuerbarer Energien weiter voran-getrieben werden. Die Förderung von Ressourcen- und Energieeffizienz in der rhein-land-pfälzischen Wirtschaft spielt eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, den Ressourcenverbrauch in den Industrie- und Schwellenländern auf ein global verträgliches Maß zurückzuführen. Auch unsere Ernährung bietet ein großes Potential für den Klimaschutz, das die Landesregierung ausschöpfen will. Gleichzeitig werden Anreize für eine ressourcenschonende öffentliche Beschaffung und einen entsprechenden privaten Konsum geschaffen.
Als wichtiger Standort der Land- und Forstwirtschaft in Deutschland kann Rheinland-Pfalz einen wertvollen Beitrag zu einer nachhaltigen Ressourcennutzung bzw. Landwirtschaft leisten, indem es den Schutz der natürlichen Ressourcen vor Ort und in den Partnerländern fördert und die nachhaltige und gentechnikfreie Produktion von Le-bensmitteln weiter ausbaut.
Politische Rahmensetzungen verändern - Nachhaltigkeit in Rheinland-Pfalz stärken
Eine zukunftsorientierte, nachhaltige Entwicklungspolitik braucht auch im Bereich Umwelt und Klima veränderte politische Rahmenbedingungen. Die Landesregierung leis-tet einen Beitrag, indem sie die Nachhaltigkeitsstrategie deutlicher als bisher mit ent-wicklungspolitischen Aspekten verknüpft. Die Einführung einer entwicklungspoliti-schen, auch auf den Umwelt- und Klimaschutz ausgerichteten Gesetzesfolgenab-schätzung wird in Rheinland-Pfalz geprüft. Bei Landesförderprogrammen sollte mitbe-dacht werden, ob sie nachhaltig und entwicklungspolitisch vernünftig sind. Darüber soll ein offener und konstruktiver Dialog mit zivilgesellschaftlichen Gruppen und Institutio-nen geführt werden.
In der internationalen Zusammenarbeit soll der Wissens- und Technologietransfer insbesondere auch in wichtigen Zukunftsbereichen wie Umwelttechnik und Ressourceneffizienz sowie Informations- und Kommunikationstechnologien gestärkt werden. Ein Subventionscheck soll dazu beitragen, umweltschädliche Subventionen abzu-schaffen.
Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit für Umwelt- und Klimaschutz stärken
Rechtliche und politische Rahmensetzungen sowie wirtschaftliche Steuerungsinstru-mente allein können den nachhaltigen Umwelt- und Klimaschutz als Beitrag für eine zukunftsorientierte Entwicklungspolitik nicht auf den Weg bringen. Mehr als bisher müssen Bildung, Öffentlichkeitsarbeit und Wissenstransfer den Umwelt- und Klimaschutz auch in seiner Bedeutung für die Entwicklungs- bzw. Partnerländer stärken.
In Rheinland-Pfalz will die Landesregierung die Öffentlichkeit stärker für die weltweiten Folgen von Klimaveränderungen und die globale Verantwortung sensibilisieren. Damit soll die Akzeptanz für die notwendigen tiefgreifenden Veränderungsprozesse im Land und der Gesellschaft gefördert sowie Suffizienz, Konsistenz und Effizienz als Lösungsansätze herausgestellt werden. Bestehende Partnerschaften für Klima- und Umweltschutzprojekte sollen gestärkt und vermehrt für transnationales Lernen genutzt sowie in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit mit den relevanten Partnern aus der Zivilgesellschaft zusammengearbeitet werden.
Nachhaltig leben und wirtschaften
Nachhaltiges Wirtschaften leistet einen Beitrag zur Sicherung der Grundbedürfnisse und dient dem Schutz der regionalen und globalen Gemeingüter. Dabei tragen Unter-nehmen, öffentliche Einrichtungen sowie die Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz in ihren Rollen als Konsumierende wie auch als Produzierende Verantwortung. Ihr Handeln hat in einer globalisierten Welt unmittelbare Auswirkungen auf die ökologischen und sozialen Lebensbedingungen von Menschen in anderen Regionen der Erde. Die Landesregierung will diesem Umstand durch eine kohärente Politik Rechnung tragen.
Nachhaltigkeit in Rheinland-Pfalz stärken
Der Faire Handel ist das exemplarische Bemühen um einen gerechten und fairen Welt-handel. Die Landesregierung wird den Fairen Handel noch stärker unterstützen mit dem Ziel, ihn Schritt für Schritt zum Grundsatz wirtschaftlichen Handelns zu machen. Sie wird in ihren öffentlichen Verlautbarungen die Bedeutung des Fairen Handels und seiner Grundsätze hervorheben, die Bedeutung der Menschenrechte sowie von So-zial- und Umweltstandards im Welthandel betonen und in ihrer Rolle als Konsumentin und Beschafferin bei Produkten, die aus Entwicklungs- und Schwellenländern impor-tiert werden, solchen aus Fairem Handel den Vorzug geben.
Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass eine zunehmende Zahl von Kommunen in Rheinland-Pfalz eine aktive Rolle zur Unterstützung des Fairen Handels einnimmt, zum Beispiel über die öko-soziale Beschaffung oder die Anerkennung als FairTrade-Stadt. Die Akteurinnen und Akteure des Fairen Handels in Rheinland-Pfalz werden finanziell und strukturell unterstützt.
Die Landesregierung will bei ihrer Beschaffung eine Vorbildfunktion einnehmen, indem sie soziale und ökologische Kriterien bei der Vergabe berücksichtigt. dies schließt die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen entlang der Produktions- und Lieferketten ein. Die ILO-Kernarbeitsnormen sollen, sobald und soweit dies der europarechtliche Rah-men zulässt, in einschlägigen Gesetzen für Land und Kommunen in Rheinland-Pfalz verbindlich verankert werden. Die Landesregierung prüft die Einrichtung einer Service- und Beratungsstelle „öko-soziale Beschaffung“ im Land, die - in Ergänzung zu den Angeboten der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung des Bundes - Beschaffungsstellen des Landes und Kommunen bei der Verankerung der öko-sozialen Be-schaffung berät, themenspezifische Schulungen anbietet, Leitfäden für unterschiedliche Produktgruppen entwickelt sowie Evaluierungs- und Monitoring-Instrumente im Land erstellt.
Darüber hinaus soll der Themenbereich „öko-soziale Beschaffung“ fest in die Studien- beziehungsweise Stoffpläne für Aus- und Weiterbildung der Hochschule für Öffentliche Verwaltung/ Zentralen Verwaltungsschule Rheinland-Pfalz und an den kommunalen Studieninstituten sowie im Fortbildungsprogramm der Kommunalakademie Rheinland-Pfalz verankert werden.
Im engen Dialog mit der Wirtschaft will die Landesregierung noch mehr Unternehmen dafür gewinnen, ressourceneffizient zu wirtschaften und im Rahmen ihrer Einkaufspolitik vermehrt fair gehandelte Produkte zu beziehen. Im Bereich Landwirtschaft und Weinbau wird sie die Stärkung der ökologischen Landwirtschaft unvermindert fortführen.
Globale Verantwortung wahrnehmen
Die Landesregierung unterstützt im Rahmen ihrer Außenwirtschaftsförderung die Aktivitäten rheinland-pfälzischer Unternehmen und fördert Kooperationen zum Aufbau und zur Stärkung der Wirtschaft des Globalen Südens aktiv. Unternehmertum ist ein wichtiger Faktor zur Armutsbekämpfung und Beschäftigungsförderung. Ein besonde-rer Fokus liegt dabei auf kleinen und mittelständischen Unternehmen. Zusätzlich un-terstützt die Landesregierung die Fortbildung von Fach- und Führungskräften aus Län-dern des globalen Südens durch die Gewährung von Stipendien. Die Landesregierung wird im Rahmen ihrer Außenwirtschaftsförderung bei Unternehmen gezielt für die Um-setzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte werben sowie den Schutz von Ressourcen und globalen Gemeingütern stärken. Insbesondere mit Blick auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse in Ländern des Globalen Südens, sowie auf Sozial- und Umweltstandards wird die Landesregierung in ihrer Politik in kohärenter Weise Exportinteressen nicht über die Einhaltung der Menschenrechte stellen.
Gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Union setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass internationale Abkommen die verbindliche Einhaltung der Sozial- und Umweltstandards sowie Menschenrechtsnormen von den Unternehmen sicherstellen.
Migration und Entwicklung
Migrantinnen und Migranten leisten einen großen entwicklungspolitischen Beitrag, da sie sowohl für das Aufnahmeland als auch für die neu Einwandernden eine wichtige Brücken- und Vermittlungsfunktion einnehmen. Es ist daher das Ziel, diese Menschen und deren Zusammenschlüsse wertschätzend in allen Bereichen der Zivilgesellschaft, in Medien, in Politik, Verwaltung und Wirtschaft zu beteiligen und ihre Bedürfnisse, ihr Wissen und ihre Erfahrung zu berücksichtigen.
Von Migrantinnen und Migranten angestoßene entwicklungspolitische Initiativen und Projekte sollen stärker mit den vorhandenen Strukturen vernetzt und die Zusammen-arbeit zwischen den betroffenen Organisationen gefördert werden. Ihr Engagement in den jeweiligen Heimatländern soll nach Kräften unterstützt werden.
Einwanderungspolitik muss verlässliche, einfache und verständliche gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, sodass sowohl für das Aufnahmeland als auch für die Migrantinnen und Migranten klare und transparente Verpflichtungen und Ansprüche geregelt sind, die auch die Mehrstaatlichkeit als äußeres Zeichen einer Lebensbiografie anerkennen.
Eine offene, unbürokratische und anerkennende Aufnahme aller Arbeitskräfte, auch von Auszubildenden und Studierenden, sichert einen für die Herkunftsländer und das Aufnahmeland wichtigen Erfahrungs- und Wissensaustausch. Die Förderung der Ein-wanderung qualifizierter Fachkräfte darf jedoch nicht dazu führen, dass den Herkunfts-ländern dort dringend benötigte Fachkräfte entzogen werden. Nur ein "Triple Win" (also ein dreifacher Gewinn), der sowohl für die Migrantinnen und Migranten, Rheinland-Pfalz als Einwanderungsland und für die Auswanderungsländer einen Nutzen bringt, entspricht einer globalen Verantwortlichkeit. Dabei muss die Anerkennung vorhandener gleichwertiger Abschlüsse und Qualifikationen auch gegenseitig erfolgen. Sowohl eine dauerhafte, als auch eine temporäre und zirkuläre Migration zum Zwecke der Aus-, Weiter- oder Fortbildung und zur Arbeitsaufnahme bedeuten für Aufnahme- wie auch Herkunftsland einen Gewinn. Dauerhafte, temporäre oder zirkuläre Migration kann jedoch nur gelingen, wenn Regelungen und Infrastrukturen geschaffen werden, die die Zuwandernden als Menschen anerkennen und deren Bedürfnisse auf Familiennachzug, Spracherwerb, Bildung- und Ausbildung, Hilfen im Alltag Rechnung tragen und Schutz vor Diskriminierung und Gewalt bieten.
Die humanitäre Aufnahme von Migrantinnen und Migranten angesichts der in vielen Ländern bestehenden Krisen infolge von Kriegen oder wirtschaftlicher Not ist ein Teil der globalen Verantwortung der Aufnahmeländer. Diese Verantwortung muss sich in einem Verfahren widerspiegeln, welches garantiert, dass in einem angemessenen Zeitrahmen der Aufenthaltsstatus festgestellt wird. Eine mögliche Rückkehr ist mit den Instrumenten der geförderten Rückkehrberatung gezielt so zu begleiten, dass eine Rückkehr für das Herkunftsland wie auch für die Betroffenen zu einer Gewinnsituation führt. Die Beiträge zurückgekehrter Flüchtlinge zur Stabilisierung ihrer Länder werden von Rheinland-Pfalz unterstützt.
Neben klaren gesetzlichen Vorgaben ist jedoch die Verständigung in der Bevölkerung wichtig. Dies bedeutet dass die Vermittlung von Sprachen und Mehrsprachigkeit sowie interkulturelles Interesse in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert einnehmen sollten. Eine Voraussetzung für eine gelungene Integration ist immer eine wertschätzende Gesellschaft. Hinzu kommt der Wille zur Integration auf der Seite der Migrantinnen und Migranten. Nur wenn es gelingt, eine Willkommenshaltung in der Zivilgesellschaft, in Politik, Verwaltung, Verbänden, Vereinen, Betrieben und der Wirtschaft herzustellen, kann ein beiderseitiger Austausch beginnen.
Bei allem Bemühen um gelungene Migration bleibt die Bekämpfung der Fluchtursachen in den Ländern des Südens eine zentrale Aufgabe, denn die Menschen benötigen in ihrer eigenen Heimat eine ausreichende Lebensperspektive für sich und ihre Familien.
Frieden und Menschenrechte
Menschenrechte sind eine universelle Grundlage für ein Leben in Würde, Gleichberechtigung und Freiheit:
Die Wahrung der Menschenrechte ist das Leitprinzip der rheinland-pfälzischen Entwicklungspolitik. Die Menschenrechte sind maßgeblich für die Ziele, Programme und Vorgehensweise. Gemäß der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz ist die Freiheit und Würde des Menschen zu sichern. Die Entwicklungspolitik des Landes Rheinland-Pfalz beruht auf der Förderung sowohl spezifischer Menschenrechtsvorhaben als auch der Querschnittsverankerung des Menschenrechtsansatzes in allen Sektoren und Schwerpunkten der Zusammenarbeit.
Rheinland-Pfalz setzt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten auf nationaler und europäischer Ebene dafür ein, Initiativen für die Umsetzung völkerrechtlicher und men-schenrechtlicher Bestimmungen zu unterstützen, ihre Ratifizierung zu forcieren und ihre Umsetzung in Deutschland und Europa einzufordern. Rheinland-Pfalz wird hierzu entsprechende Bundesratsinitiativen einbringen bzw. unterstützen. Rheinland-Pfalz setzt sich auf nationaler und europäischer Ebene für eine restriktive Rüstungsexportpolitik ein. Klare Kriterien und mehr Transparenz sind hierfür unverzichtbare Voraus-setzungen.
Die Menschenrechtsbildung wird in Bildungseinrichtungen (Kindergärten, Schulen, Hochschulen) und in der Aus- und Fortbildung des öffentlichen Dienstes (Polizei- und Vollzugsdienst, Kommunalverwaltung, Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte) ausgebaut und die entsprechenden Bibliotheken werden mit Hand-büchern und Lehrmaterial zur Menschenrechtsbildung ausgestattet. Studium, Lehre und Forschung an den rheinland-pfälzischen Hochschulen dienen vor allem friedlichen Zwecken.
Ausblick
Angesichts der globalen Herausforderungen kann Entwicklungspolitik nur als Gemeinschaftsaufgabe aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte erfolgreich sein. Ent-wicklungspolitik muss als ressortübergreifende Querschnittsaufgabe begriffen werden, die auf Landesebene alle Handlungsfelder berührt. Mit dieser Einsicht will das Land Rheinland-Pfalz sich bei der Umsetzung der entwicklungspolitischen Ziele um ein ko-härentes politisches Handeln in den und über die unterschiedlichen Politikfelder hin-weg bemühen. Alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche sind gefordert, ihr Handeln im Hinblick auf Entwicklung, Nachhaltigkeit und gerechte Bedingungen hin zu überprüfen und auszurichten. Die Landesregierung wird zukünftig darauf achten, dass landespolitische Entscheidungen im Einklang mit den Grundlagen und den Zielen die-ser Leitlinien stehen.
Mit den vorliegenden entwicklungspolitischen Leitlinien soll die Entwicklungszusammenarbeit in Rheinland-Pfalz noch stärker mit den entwicklungspolitisch engagierten Organisationen und Initiativen im Lande verzahnt werden. Die Zivilgesellschaft ist unverzichtbar, wenn es darum geht, Menschen zu sensibilisieren und sie zum Handeln zu motivieren. Die Landesregierung wird daher das bestehende Eine Welt-PromotorInnen Programm in Rheinland-Pfalz weiter festigen und ausbauen.
Zukünftig soll ein entwicklungspolitischer Beirat eingesetzt werden, der die Landesregierung bei der inhaltlichen und konzeptionellen Arbeit der Entwicklungspolitik sowie in der konkreten Umsetzung der Entwicklungspolitischen Leitlinien berät. Die Umsetzung der oben skizzierten Leitlinien soll durch ein kontinuierliches Monitoring anhand aussagefähiger Indikatoren dokumentiert und in einem zyklischen Prozess auf ihre Nachhaltigkeit überprüft werden.
Die entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes Rheinland-Pfalz sind ein wichtiger Schritt zu einem neuen Verständnis von Entwicklungspolitik. Sie richten sich daher nicht nur an die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, sondern sind auch als eine Richtschnur für das politische Handeln in Rheinland-Pfalz selbst zu verstehen.