Linksextremismus
Linksextremistische Bestrebungen haben zum Ziel, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen und durch ein kommunistisches oder anarchistisches Gesellschaftsmodell zu ersetzen. Revolutionär-marxistische Organisationen setzen dabei auf traditionelle Konzepte eines langfristig ausgerichteten Klassenkampfes. Anarchisten, zu denen auch sogenannte Autonome zählen, lehnen jede staatliche Autorität und das Gewaltmonopol des Staates ab; ihr Selbstverständnis ist von der Vorstellung eines freien, selbstbestimmten Lebens in „herrschaftsfreien” Räumen geprägt.
Niedrige Hemmschwelle gewaltorientierter Linksextremisten
Oft beteiligen sich Linksextremisten an breiten, von zivilgesellschaftlichen Gruppen getragenen Bündnissen und versuchen, diese im Sinne ihrer Bestrebungen gegen „das System“ zu instrumentalisieren. Sorge bereitet die niedrige Hemmschwelle gewaltorientierter Linksextremisten, Gewalt anzuwenden gegen Vertreter des Staates, zum Beispiel Polizeibeamte, und gegen politische Gegner.
Dem linksextremistischen Spektrum in Rheinland-Pfalz gehören insgesamt rund 520 Personen an, 120 von ihnen gelten als gewaltorientiert (Stand: Ende 2021).
Weitere Informationen finden Sie im aktuellen Verfassungsschutzbericht und der Broschüre „Linksextremismus – Ideologien, Akteure, Aktionsfelder”.
Gewaltorientierte Linksextremisten, insbesondere Autonome, beeinträchtigen durch zahlreiche Gewalttaten und andere Gesetzesverstöße die Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Aktionen sind Teil des „antifaschistischen Kampfes“ gegen den verhassten Staat und gegen Rechtsextremisten. Insbesondere Autonome suchen dabei die direkte Konfrontation mit dem „politischen Gegner“.
Protestaktionen gegen rechtsextremistische Aufmärsche nehmen sie zum Anlass, Einsatzkräfte der Polizei als Vertreter des „herrschenden Systems“ zu attackieren. Die Hemmschwelle, Polizeibeamte zu verletzen, ist in den zurückliegenden Jahren an etlichen Orten in Deutschland gesunken. Die Militanz von Autonomen zeigt sich darüber hinaus bei Brand- und Sprengstoffanschlägen.
Die etwa 120 gewaltorientierten Linksextremisten in Rheinland-Pfalz sind fast ausschließlich Autonome.
2021 wurden vier „links“ motivierte Gewalttaten begangen. 2020 waren es 21.
Der sogenannte antifaschistische Kampf ist bei Linksextremisten der Schwerpunkt ihrer politischen Tätigkeit. Allerdings bekämpfen sie nicht nur rechtsextremistische Bestrebungen. Gleichzeitig wollen sie die als „kapitalistisches System“ bezeichnete freiheitliche demokratische Gesellschaftsordnung mit ihren angeblichen faschistischen Wurzeln überwinden.
Vor allem Autonome versuchen rechtsextremistische Aufmärsche, die sie als besondere Provokation empfinden, zu verhindern oder zu stören. Darüber hinaus bemühen sie sich, Bestrebungen von Rechtsextremisten öffentlich – zumeist via Internet – aufzudecken („Outing-Aktionen“). Durch „Antifa-Recherchen“ sammeln sie zudem regelmäßig Informationen über „rechte“ Strukturen.
Linksextremisten kritisieren die Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern, indem sie dem Staat eine „rassistische“ und „imperialistische“ Flüchtlingspolitik unterstellen. Diese Kritik verknüpfen sie nicht selten mit weiteren Aktionsfeldern, wie zum Beispiel „Antirepression“ und „Antikapitalismus“. Oftmals geht es gewaltorientierten Linksextremisten aber nur darum, ihre Proteste gezielt eskalieren zu lassen, um polizeiliches Einschreiten zu erzwingen und damit staatlichen Akteuren einen vermeintlich „systemimmanenten“ Rassismus sowie „repressives“ Handeln zu unterstellen.
Linksextremisten nutzen – wie andere Extremisten – das Internet vor allem zur Kommunikation, Mobilisierung, Selbstdarstellung und Vernetzung. Gleichwohl ist im Linksextremismus jedoch ein fast gegenläufiger Trend zur immer stärker dominierenden digitalen Kommunikation zu beachten. Dies hängt damit zusammen, dass Linksextremisten den digitalen Medien misstrauen, da sie eine „totale Überwachung“ durch Digitalunternehmen und den Staat fürchten. Sie bevorzugen eher das unmittelbare Erleben. In diesem Zusammenhang kann von einer Event-Orientierung vieler Linksextremisten gesprochen werden.
Veranstaltungen und Treffen der Szene oder ihr nahestehender Gruppierungen und Organisationen haben nach wie vor eine starke Bindungswirkung. Aus diesen Gründen ist eine sehr konspirative Vorgehensweise typisch. Deshalb ziehen (gewaltorientierte) Linksextremisten Messenger-Dienste vor, die eine anonyme Kommunikation ermöglichen und keine Daten sammeln.
Fast alle größeren linksextremistischen Organisationen sind im Internet mit eigenen Seiten präsent. Außer der Selbstdarstellung und Hinweisen wie lokalen Kontaktadressen enthalten sie häufig Programmatisches, Geschichtliches, Informationen zu aktuellen Arbeitsschwerpunkten, Terminhinweise und Links zu Seiten befreundeter Gruppen und Initiativen. So handhaben es auch die rheinland-pfälzischen „Antifa“-Gruppen, die als linksextremistisch eingestuft wurden.
Eine andere Kategorie linksextremistischer Internet-Medien sind themenbezogene Seiten oder Portale, die zu einem bestimmten Anlass informieren und mobilisieren. Häufig werden sie später, wenn das Ereignis vorüber ist, wieder aus dem Netz genommen. So gab es anlässlich des „Tages der deutschen Zukunft“ (TddZ), den Rechtsextremisten um die NPD und die Partei „Die Rechte“ am 6. Juni 2020 in Worms abhielten, einen Blog, auf dem Interessierte Materialien wie Informationen über die gemeinsame Anreise mit dem Zug aus verschiedenen Städten, Kontaktadressen und Verhaltensregeln bei einer möglichen Konfrontation mit der Polizei erhalten konnten. Ebenso wurde anlässlich des TddZ für einen Live-Podcast geworben, der als „Stream“ auf einem Videoportal lief.
Das „Outing“ des politischen Gegners als Teil des linksextremen Antifaschismus
Das „Outing“ tatsächlicher und vermeintlicher Rechtsextremisten sehen gerade Anhänger der autonomen Antifa als eine ihrer Kernaufgaben an. Das Bloßstellen als Rechtsextremist in der Öffentlichkeit soll dabei den politischen Gegner diskreditieren. Letztlich sollen die bloßgestellten Personen so eingeschüchtert und zum Umdenken gezwungen werden. Die 2013 gegründete „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist dabei das Hauptziel von Linksextremisten.
Eine Outing-Aktion der „Antifa Koblenz“ richtete sich gegen die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) und deren Wirken im Raum Koblenz. So trug die „Antifa Koblenz“ im März 2020 auf einer Internetseite unter dem Titel „Nazis aus der Deckung holen – Identitäre Bewegung Koblenz outen!“ ausführlich Informationen über eine Koblenzer Telegram-Chatgruppe zusammen, in der sich neben IBD-Aktivisten auch andere Rechtsextremisten ausgetauscht haben sollen.
Die „Antifa Trier“ fuhr 2020 auf ihrer Internetseite zeitweilig eine sogenannte Spotting-Kampagne („Personen/Gruppe verpetzen – Antifa Trier“). Sie rief dazu auf, rechtsextremistische Personen, NS-Symbole, Autos mit (versteckter) NS-Symbolik und AfD-Mitglieder auf einem standardisierten Online-Formular zu melden. Solche Spotting-Kampagnen sollen Personen bloßstellen und sozial wie wirtschaftlich schädigen.
Linksextremisten wollen ihre Ideologie einerseits möglichst großen Teilen der Öffentlichkeit vermitteln. Andererseits benötigen vor allem gewaltorientierte Autonome eine öffentliche Plattform, um Straf- und Gewalttaten gegenüber weiten Teilen der Gesellschaft zu rechtfertigen und ihren Forderungen Nachdruck verleihen zu können. Eine solche öffentliche Plattform war bis zu ihrem Verbot durch den Bundesinnenminister im August 2017 das Internet-Portal „linksunten.indymedia“, das unter anderem zur Veröffentlichung von Selbstbezichtigungsschreiben, Aufrufen zu Straftaten, Bauanleitungen für Spreng- oder Brandvorrichtungen sowie anderen Texten – immer wieder auch von strafrechtlicher Relevanz – genutzt wurde.
Nach dem Verbot, das vom Bundesverwaltungsgericht im Januar 2020 bestätigt wurde, hat sich die Internetplattform „de.indymedia“ zum wichtigsten Informations- und Propagandamedium der linksextremistischen Szene im deutschsprachigen Raum entwickelt.
Die Plattform „de.indymedia“ als Versuch einer „Gegenöffentlichkeit“
Gegründet wurde „de.indymedia“ bereits im Januar 2001 in Hamburg als deutscher Ableger des im Dezember 1999 nach Protesten gegen die Welthandelskonferenz in Seattle entstandenen globalen Mediennetzwerks Indymedia. Selbsterklärtes Ziel von „de.indymedia“ ist die Schaffung einer „Gegenöffentlichkeit“ frei von staatlicher Kontrolle. Jeder Nutzer hat die Möglichkeit, über ein Eingabeformular eigene Beiträge anonym und ohne den Zwang zur Registrierung, in Echtzeit und ohne vorherige Kontrolle der Inhalte zu veröffentlichen. Verwaltet werden die Beiträge nach der Veröffentlichung von sogenannten Moderationskollektiven.
Offensichtlich toleriert wird eine Vielzahl von Beiträgen, die einen Bezug zu linksextremistischer Gewalt und Straftaten haben oder selbst strafrechtlich relevant sind. Regelmäßig erscheinen Selbstbezichtigungsschreiben zu teils schweren Straf- und Gewalttaten. Gleichzeitig wird dazu aufgerufen, weitere Taten zu begehen.
Die Beiträge auf „de.indymedia“, die von den „Moderationskollektiven“ nicht unmittelbar entfernt werden, lassen in der inhaltlichen Gesamtschau eindeutig eine verfassungsfeindliche Linie erkennen. Vor diesem Hintergrund kam das Bundesamt für Verfassungsschutz im Sommer 2020 zu dem Schluss, dass bei „de.indymedia“ „hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für eine linksextremistische Bestrebung“ vorliegen und stufte die Seite als Verdachtsfall ein.
Linksextremisten wissen, dass nicht zuletzt die Professionalität der „Performance“ im Netz gerade bei jungen Menschen, ihrer bevorzugten Zielgruppe, ein Schlüssel dazu ist, die Deutungshoheit in gewissen politischen Fragen zu erlangen.