Parteiunabhängige Strukturen
Parteiunabhängigen rechtsextremistischen Strukturen rechnet der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 210 Personen im Bundesland zu. Die Szene ist weder in struktureller noch in weltanschaulicher Hinsicht homogen. Sie setzt sich in Rheinland-Pfalz vornehmlich aus neonazistischen Gruppierungen und der „Neuen Rechten“ zusammen.
In Deutschland entstand die „Neue Rechte“ in den frühen 1970er Jahren in Anlehnung an die französische „Nouvelle Droite“ als Gegenpol zur linken „68er Bewegung“ und mit dem Anspruch einer ausgeprägten Intellektualität, die sie bis heute vom „klassischen“ rechtsextremistischen Spektrum unterscheidet.
Ein wesentlicher Bestandteil der Ideologie der „Neuen Rechten“ ist der Ethnopluralismus. Er gründet in beschönigender Weise auf der Vorstellung, dass jede Ethnie einmalig und wertvoll sei. Deshalb müssten diese aber getrennt voneinander leben und in ihren vermeintlich angestammten Kulturräumen (Ländern) bleiben. Damit leisten Vertreter der „Neuen Rechten“ zumindest unterschwellig einem für den Rechtsextremismus typischen Rasse-Denken Vorschub.
Im Kern zielen Vertreter der „Neuen Rechten“ (zunächst) darauf ab, die kulturelle Vorherrschaft zu erringen. Sie wollen die Deutungs- und die Meinungshoheit in der Gesellschaft gewinnen, um politische Macht zu erringen. Das soll nicht durch Machtpositionen in Parteien und der Regierung geschehen, sondern durch eine schleichende gesellschaftliche Akzeptanz und dauerhafte Verankerung einschlägiger weltanschaulicher Standpunkte.
Das Fernziel der „Neuen Rechten“ ist eine grundlegende Umwandlung des Staates. Im Mittelpunkt ihres Staatsverständnisses steht das Modell des nach innen wie außen starken Staates, dessen Legitimation auf nicht näher bestimmten Volksbeschlüssen beruhen soll.
Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) hat sich 2012 zunächst als rein virtuelle Gruppe in Facebook gegründet. Zwei Jahre später ließ sie sich als Verein eintragen und baute so auch Strukturen außerhalb des Internets auf. In der Folgezeit machte sie immer wieder durch öffentliche Aktionen auf sich aufmerksam. Laut eigener Aussage versteht sich die IBD als deutscher Ableger der inzwischen verbotenen französischen Bewegung „Génération Identitaire“ (GI), die durch islam- und fremdenfeindliche sowie teils rassistische und nationalistische Positionen in Erscheinung trat.
Die IBD hat Bezüge zum intellektuellen Rechtsextremismus. Ihr Ideal einer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung ist das Nebeneinander von ethnisch-kulturell einheitlichen Staaten, die alle fremden Einflüsse von sich fernhalten. Multikulturelle Gesellschaften lehnt sie strikt ab. Im Zentrum ihrer Agitation und ihres Aktionismus' steht demnach die Kritik am vermeintlichen Verlust der kulturellen Identität der Deutschen in einer „seelenlosen Konsumgesellschaft“, der durch eine zunehmende „Masseneinwanderung“, „Islamisierung“ und „Überfremdung“ bedingt sei.
Die IBD besteht aus „Regionalgruppen“, die den Grenzen der Bundesländer entsprechen. Die Zahl ihrer Mitglieder in Rheinland- Pfalz bewegt sich schätzungsweise im unteren zweistelligen Bereich. Sie ist im Bundesland nahezu bedeutungslos.
Neonationalsozialisten (Neonazis) identifizieren sich mit der Ideologie des historischen Nationalsozialismus', was sich in deren Agitation und einer am Nationalsozialismus orientierten Symbolik ausdrückt. Sie streben eine totalitäre Staatsform nach dem Vorbild der NS-Diktatur an, deren Basis die ethnisch homogene „Volksgemeinschaft” ist.
Damit einher geht, dass Neonazis die Verbrechen im „Dritten Reich” verharmlosen oder gar leugnen. In Rheinland-Pfalz werden der Szene konstant circa 200 Personen zugerechnet. Ein Teil dieser Personen ist in den neonazistischen Parteien „Der III. Weg” und „Die Rechte” organisiert und fließt dort dementsprechend in die Mitgliederzahlen ein.
Neonazis schließen sich in Kameradschaften zusammen
Manche Neonazis organisieren sich weiterhin in sogenannten Kameradschaften, die vergleichsweise locker strukturiert sind. Sich selbst bezeichnen sie dabei unter anderem als „Freie Nationalisten”, „Freie Kräfte” oder auch „Nationale Sozialisten”. Die Größe solcher Gruppierungen liegt in der Regel zwischen 5 und 20 Personen. Ihr Aktionsradius ist meist regional begrenzt. Punktuell arbeiten sie auch mit anderen Rechtsextremisten zusammen. So können bei größeren Aktionen, zum Beispiel Demonstrationen oder Mahnwachen, aufgrund der guten Vernetzung untereinander mehr Personen mobilisiert werden.
Ein Großteil des Neonazi-Spektrums hat in den vergangenen Jahren strukturell allerdings immer mehr Konturen verloren. In den eher informellen Gruppen stehen das Gemeinschaftserlebnis sowie gemeinsame Aktionen im Vordergrund und weniger eine koordinierte politische Betätigung, was jedoch keinen Einfluss auf die weltanschauliche Prägung dieser Kreise hat.