Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Bayrisch Schwaben"
Augsburg
Jüdische Geschichte im 19./20. Jahrhundert / Betsäle und Synagogen
Übersicht:
Es
besteht eine weitere Seite
mit Texten zur jüdischen Geschichte in Augsburg (aus jüdischen
Periodika des 19./20. Jahrhunderts)
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde im 19./20. Jahrhundert (english
version)
Zur mittelalterlichen jüdischen Geschichte wird bei
Gelegenheit eine weitere Seite erstellt.
Die Geschichte der Gemeinde des 19./20. Jahrhunderts
beginnt 1803, als die Stadt Augsburg drei jüdischen Bankiers (Arnold
Seligmann, später Freiherr von Eichthal, Jakob Obermayer, Henle Ephraim Ullmann)
um eine jährliche Gebühr von 1350 Gulden und eine große Darlehenssumme das
Bürgerrecht gegen den Widerstand der Kaufleute in Augsburg verlieh. 1805 lebten
wegen der Kriegszeiten 13 jüdische Familien in der Stadt. 1813/14 wurden 126
jüdische Personen in 13 Familien gezählt. Darunter waren neben den genannten
Bankiers auch zwei Pferdehändler, ein Juwelier-, ein Silberhändler sowie ein
Kaufmann.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der jüdischen Familien
in der Stadt nur langsam (1840 79, 1852 128 jüdische Einwohner). Erst danach
wurde auch in Augsburg die Möglichkeit eines Niederlassung jüdischer Familien
liberaler Weise gehandhabt. Entscheidend war unter anderem, dass bei den
Gemeindewahlen 1857 die konservativen Katholiken die Gemeindewahlen verloren
hatten.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich langsam
ein eigenständiges jüdisches Gemeindeleben: ein Betsaal wurde früh
eingerichtet (s.u.), der Religionsunterricht wurde von dem Pferseer Religionslehrer
erteilt, das zuständige Rabbinat war in Kriegshaber. 1861 wurde eine
selbständige Israelitische Kultusgemeinde in Augsburg gegründet. Bereits
im folgenden Jahr wurde der Sitz des Distriktrabbinates nach Augsburg verlegt.
Erster Rabbiner wurde Dr. Jakob Heinrich Hirschfeld (aus Fünfkirchen, Rabbiner
in Augsburger von 1863 bis 1870).
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl
der jüdischen Einwohner Augsburgs durch die Zuwanderung aus den Judendörfern
der Region stark zu (1861 283, 1867 449, 1875 889 und 1895 1156 jüdische
Einwohner), um danach zu stagnieren beziehungsweise leicht zurückzugehen.
Weitere Einrichtungen der Gemeinde wurden geschaffen, insbesondere ein jüdischer Friedhof
(1867). Seit 1873 gehörten die in Pfersee und Steppach lebenden Juden zur
Augsburger Gemeinde. Die jüdische Gemeinde entwickelte ein reges
jüdisches Vereinsleben, u.a. mit dem Israelitischen Männerverein
(gegründet 1873, Ziele: Wohltätigkeit, Krankenpflege, Bestattung), einem
Israelitischen Frauenverein (gegründet 1861, Ziele: Wohltätigkeit, Hauspflege,
Arbeitsbeschaffung usw.), einem Israelitischen Speiseverein (gegründet 1881 als
Stiftung; Ziele: rituelle Verpflegung durchreisender unbemittelter
Glaubensgenossen und jüdischer unbemittelter Kranker), der Armenkasse und einem Verein
für jüdische Geschichte und Literatur. Im wirtschaftlichen Leben der Stadt
nahmen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts jüdische Handels- und Kaufleute,
Industrielle, Bankiers eine bedeutende Rolle ein. Unter den
Industriellen der Stadt können 52 jüdische Personen genannt werden, die in
einzelnen Bereichen der Industrie der Stadt eine führende Rolle innehatten
(insbesondere in der Textilkonfektion, bei Spezialgeweben und der
Textilausrüstung). Der jüdische Anteil bei den Banken lag seit den
1870er-Jahren bei knapp 50 Prozent. Am größten war nach 1870 die Bedeutung
jüdischer Kauf- und Handelsleute in den Bereich Textilhandel (47 Firmen),
Kolonialwarenhandel, Leder-, Vieh- und Hopfenhandel sowie Manufakturwaren. Der
Großteil der jüdischen Familien gehörte der gehobenen Mittelschicht und
Oberschicht in der Stadt an. Mehrere jüdische Rechtsanwälte und Ärzte ließen
sich in der Stadt
nieder.
Um 1925, als zur jüdischen Gemeinde etwa 1.100
Personen gehörten (ca. 0,7 % von etwa 160.000 Einwohnern), gehörten dem Vorstand
der jüdischen Gemeinde an: Dr. Eugen Straus, Hugo Landauer, Ludwig
Friedmann, Albert Donn, Max Schloss, Dr. B. Mühlhauser, Max Gunz und 11
Ausschussmitglieder. Als Rabbiner war Dr. Richard Grünfeld tätig, als
Oberkantor Samuel Steinfeld und Wilhelm Heimann, als Lehrer Dr. Ernst Fränkl
und Leopold Regensburger, als Schochet Saly Cohen, als Synagogendiener Ernst
Röder. 1932/33 bestand der Vorstand der Gemeinde aus sechs Mitgliedern:
1. Vorsitzender war Dr. Eugen Strauß, 2. Vorsitzender Stadtrat Benno Arnold,
Schriftführer Ludwig Friedmann, Schatzmeister Max Schloss. Die Repräsentanz
hatte 12 Mitglieder unter dem 1. Vorsitzenden Dr. Teutsch, dem stellvertretenden
Vorsitzenden Julius Guggenheimer und dem Schriftführer Heinrich Hausmann.
Rabbiner war inzwischen Dr. Ernst Jacob (Rabbiner von 1925 bis 1939),
Lehrer waren weiterhin Dr. Ernst Fränkl und Leopold Regensburger, Oberkantor
Wilhelm Heimann. Jüdischen Religionsunterricht erhielten im Schuljahr 1932/33
149 Kinder. Neben den bereits im 19. Jahrhundert gegründeten jüdischen
Vereinen gab es inzwischen auch eine Ortsgruppe des Central-Vereins sowie des
Hilfsvereins der deutschen Juden, einen Jüdischen Jugendverein, eine Ortsgruppe
des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten, den Verein für die Interessen des
liberalen Judentums sowie eine zionistische Ortsgruppe.
Mit der nationalsozialistischen Zeit kam auch für die
Augsburger Juden eine Zeit zunehmender Repressalien, der Entrechtung und der
wirtschaftlichen Verdrängung. 1933 wurden 1030 jüdische Einwohner in der Stadt
gezählt. Von März 1933 bis zum November 1938 wurden in Augsburg 52 jüdische
Firmen unter dem zunehmenden Druck und Boykott liquidiert und 49
"arisiert". Danach erfolgte die "Zwangsarisierungen" der
noch bestehenden jüdischen Gewerbebetriebe. Es verschwanden innerhalb weniger
Monate alle noch bestehenden jüdischen Einzel- und Großhandelsgeschäfte,
jüdische Rechtsanwalts- und Arztpraxen. Bis
Januar 1939 waren nach einer Meldung an den Regierungspräsidenten
"sämtliche jüdischen Gewerbebetriebe nunmehr entweder aufgelöst,
abgewickelt oder gewerbepolizeilich abgemeldet". Nur noch eine jüdische
Gaststätte war geöffnet, die freilich ausschließlich für Juden offnen
durfte. Zwar sind bis 1938 zahlreiche jüdische Gemeindeglieder
ausgewandert, doch zogen von kleineren Orten weitere jüdische Familien in der
Stadt zu. 356 bis 450 jüdische Personen wurden aus Augsburg in sieben
Transporten nach Riga, Piaski, Theresienstadt und Auschwitz deportiert (Liste
der ermordeten Juden aus Augsburg).
Nach 1945 kehrten nur wenige ehemalige Augsburger Juden
in die Stadt zurück. Unter den wenigen war Rechtsanwalt Ludwig Dreifuß
(1883-1960), der - gesundheitlich von der Zeit im KZ Theresienstadt schwer
gezeichnet - an 1. September 1945 von der amerikanischen Militärregierung zum
Augsburger Oberbürgermeister ernannt wurde. 1946 bis 1948 war er, nachdem die
CSU die Stadtratsmehrheit erreicht hatte, als Sozialdemokrat
Bürgermeister. 1946 wurde die Jüdische Kultusgemeinde Augsburg-Schwaben
gegründet. Ihre Mitglieder waren wenige frühere Augsburger Juden, dazu
sogenannte Displaced Persons (Überlebende von Konzentrationslagern oder
Flüchtlinge auf Grund neuer Pogrome in Polen/Osteuropa). 1970 zählte die
Gemeinde 239, 1987 247 Mitglieder.
In den 1990er-Jahren nahm die Zahl der
Gemeindeglieder durch Zuzug von "Kontingentflüchtlingen" aus
den Ländern der ehemaligen Sowjetunion stark zu, sodass 2007 die Gemeinde etwa
1.800 Personen zählte.
Zur Geschichte des Betsaales /der Synagogen
Betsäle
Bereits 1808 richtete der Bankier Jakob Obermayer in dem von ihm
erworbenen Haus D 100a einen kleinen Betsaal für Andachten und
Gottesdienste der jüdischen Familien in der Stadt ein.
Im Zusammenhang mit der Gründung einer Israelitischen Kultusgemeinde in
Augsburg, die 1861 von der Regierung genehmigt wurde, kaufte der Bankier
Isidor Obermayr im Auftrag der Gemeindeglieder 1858 für 13.000 Gulden
das Haus Wintergasse A 13 (nach starker Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder
aufgebaut als Haus Wintergasse 11) und ließ es zu einer Synagoge
umbauen.
Die Synagoge von 1864/65
Nachdem sich freilich innerhalb weniger Jahre die Zahl der
Gemeindeglieder verdoppelte (1861 283, 1867 449 jüdische Einwohner), plante die
im Entstehen befindliche jüdische Gemeinde die Einrichtung eines jüdischen
Gemeindezentrums, zu dem neben der Synagoge
auch die Rabbiner- und Lehrerwohnungen gehören sollten. Den
Beschluss zum Baubeginn fasste eine Gemeindeversammlung der jüdischen
Gemeinde im März 1864:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. März 1864: "Durch die von unserm allseits segensreich wirkenden Rabbinen Herrn
Dr. Hirschfeld vermittels Predigt gegebene Anregung wurde unmittelbar hierauf eine Gemeinde-Versammlung berufen und einstimmig der Bau einer Synagoge
beschlossen, und sollen wir bereits das nächste Synagogen-Neujahr an einer für
die hiesige Gemeinde angemessenen Gottesstätte begrüßen." |
Offenbar wurde noch im Frühjahr 1864 mit dem Umbau begonnen. Im
Vorderhaus wurden nun die Rabbiner- und Lehrerwohnungen eingerichtet. Hierin
sollten in der Folgezeit nach Rabbiner Dr.
Hirschfeld u.a. die Rabbiner Dr. Heinrich Groß
(Rabbiner 1875 bis 1910) und Dr. Richard Grünfeld wohnen. Durch das Mittelportal gelangten die Gemeindeglieder in die
in einem rückwärtigen Gebäude neu errichtete Synagoge. Über die feierliche Einweihung
am 7. April 1865 durch Rabbiner Dr. Hirschfeld berichtete die "Allgemeine Zeitung des Judentums"
in ihrer Ausgabe vom 2.
Mai 1865:
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2.
Mai 1865: "Augsburg, am 14. April. Die hiesige neue Synagoge wurde Freitag am 7. dieses
Monats eingeweiht. Die Einweihung einer Synagoge in einer durch eingetretene
günstige Zeitverhältnisse neugebildeten Gemeinde hat schon an und für sich
eine höhere Bedeutung. Ganz besonders aber zeichnet sich diese Feierlichkeit
durch den wahrhaften Kiddusch HaSchem (sc. Heiligung des Gottesnamens =
etwas, das Achtung vor dem Judentum bewirkte) aus, den die, von Herrn Rabbiner
Dr. Hirschfeld, gehaltene Einweihungsrede gemacht. Vor einem sehr zahlreich
versammelten Publikum, in dem die christlichen Konfessionen ein bedeutendes
Kontingent bildeten, und in Anwesenheit von Repräsentationen der königlichen
Regierung, des Stadtmagistrates, wie sämtlicher Stadtbehörden und des
Offizierkorps hielt Herr Dr. Hirschfeld eine Einweihungsrede, welche nicht bloß
durch ihren rhetorischen Wert, sondern auch die kühne Darstellung des liberalen
Geistes im Judentume lebhafte Sensation hervorrief. Die Journale besprechen
sämtlich diese Rede mit ungeteiltem Beifall. Selbst die 'Allgemeine
Zeitung' sprach sich lobend über die 'herzdurchwärmenden Worte'
aus, mit welchen 'Herr Rabb. Dr. Hirschfeld jede Exklusivität von der
Schwelle des geweihten Tempels zurückwies'! Die Aufforderung, die Predigt
dem Druck zu übergeben, erging von vielen Seiten und mehrere reiche christliche
Bürger erklärten im Vorhinein, die Einen 50, die Andern 100 Exemplare der
gedruckten Rede zur Verbreitung derselben zu nehmen. Es ist wahrscheinlich, dass
sie im Druck erscheint." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Ben Chananja" vom 19. April 1865: "Augsburg,
10. April (1865). Der Bau der hiesigen Synagoge ist nun vollendet und fand
die Einweihung derselben am 7. dieses Monats in Gegenwart der Sommitäten
der königlichen Regierung, wie sämtlicher Stadtbehörden, der
katholischen und protestantischen Geistlichkeit und einer großen Anzahl
von Personen aus allen Ständen und Konfessionen. Herr Rabbiner Dr.
Hirschfeld, unser berühmter Landsmann, hielt die Einweihungsrede. So viel
Eklat derselbe schon durch seine Kanzelreden hier machte, so glich keines
demjenigen, welches diese Rede hervorrief. Alle Blätter, alle Kreise
beschäftigen sich damit. Der Regierungspräsident, Herr von Lerchenfeld,
Bruder des ehemaligen Ministers und gegenwärtigen Staatsrates, an dem man
nur Gemessenheit in Wort und Tat gewöhnt ist, trat am Schlusse der Feier
zu dem Redner hin und sprach sich in den enthusiastischsten Worten über
den Eindruck, den diese Rede auf ihn gemacht, aus. Demselben Beispiele
folgte der erste Herr Bürgermeister und die hervorragenden geistlichen
Persönlichkeiten beider Konfessionen. Es hat die Rede die Feierlichkeit
fast weniger gehoben, als eigentlich verdunkelt, indem Alles unter dem
überwältigenden Eindrucke, den die Rede hervorgerufen, nur mit dieser
und ihrem durch Sprache, Gedanken wie Geistesblitze glänzenden Gehalte
sich beschäftigt und man beinahe die Veranlassung aus dem Auge
verliert." |
Bereits in der 1865 eingeweihten Synagoge befand sich eine Orgel, die erste
im Bereich von Bayern.
Auf Grund der weiter stark steigenden Zahl jüdischer Gemeindeglieder war die
Synagoge bereits nach wenigen Jahren zu klein. Zu den Gottesdiensten an den
hohen Feiertagen mussten daher parallele Gottesdienste eingerichtet werden, in
den 1890er-Jahren im Schiessgrabensaal, der als "Feiertagssynagoge"
diente. 1899 liest man in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums":
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. August 1899:
"Augsburg, 3. August. Wegen Platzmangel in der
hiesigen Synagoge wird auch in diesem Jahre wieder ein Filialgottesdienst, und
zwar im Schiessgrabensaale, während der hohen Feiertage abgehalten werden. Mit
der Leitung desselben wurde Herr Rabbinatskandidat Dr. Schlesinger aus Breslau
betraut. Den kantoralen Dienst bei demselben haben Herr 2. Kantor Ernst Fränkel
(gemeint: Fränkl) und ein früherer Kantor Herr Julius Friedmann aus Nürnberg übernommen. Der
Hauptgottesdienst in der Synagoge wird wie bisher von Herrn Distriktsrabbiner
Dr. Groß, Herrn 1. Kantor Steinfeld und Herrn Alexander Neuburger hier
abgehalten werden." |
Immer wieder waren Arbeiten an der Synagoge durchgeführt
worden, um für die Sicherheit des Gebäudes auch bei zahlreichen Besuchern
garantieren zu können. 1891 war der Ein-/Ausgang verbreitert worden, um
die Gefahren bei einer aufkommenden Panik vermindern zu können. In der
nachfolgenden Berichterstattung der orthodoxen Zeitschrift "Der
Israelit" wird in diesem Zusammenhang freilich Kritik an Arbeiten am
Heiligen Schabbat und an der Orgel laut:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1891:
"Augsburg, 3. August (1891). In öffentlicher Magistrats-Sitzung
wurde mitgeteilt, dass die berufene Visitations-Kommission über die
größeren hiesigen Versammlungslokale Bericht erstattet habe. Es wurde
betont, dass die Verbreitung des Ausgangs der Synagoge - (woran
nebenbei bemerkt, auch am Heiligen Schabbat gearbeitet wurde -) die
Gefahren einer Panik etc. nicht genügend vermindere. Überhaupt sei es
Sache der Kultusverwaltung endlich für den Neubau einer Synagoge
Sorge zu tragen, anstatt in einem engen Hause und in enger Straße, und in
einem nichtjüdischen Gasthof-Saale Gottesdienst abzuhalten (Anmerkung des
Korrespondenten: Vielleicht bleibt dann die Orgel weg; denn bekanntlich
besuchen gerade diejenigen, welche die Orgel in die Synagogen eskamotieren,
dieselben das ganze Jahr fast gar nicht. -)." |
Die alte Synagoge blieb jedoch noch einige Jahre
Zentrum des jüdischen Gemeindelebens. Gewöhnliche wie besondere Gottesdienste
wurden abgehalten. Über besondere Ereignisse wie die Goldene Hochzeit von Elias Veit und seiner Frau in der
Synagoge (1902) erschienen Presseberichte:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1902:
"Augsburg, 20. August (1902). Das seltene Fest der diamantenen
Hochzeit beging in voller geistiger und körperlicher Frische das verehrte
Elias Veit'sche Ehepaar dahier. Aus diesem anlasse fand am Sonntag, 17.
August, in der schön dekorierten Synagoge ein feierlicher
Festgottesdienst statt. Als das Jubelpaar, geführt von den Urenkeln und
begleitet von den Enkeln, Söhnen und Töchtern, das Portal des
Gotteshauses betreten hatte, schallte ihm das vom Chor präzis intonierte
'Boruch Habo' von Japhet zur Begrüßung mächtig entgegen.
Die von Herr Rabbiner Dr. Finkelscherer - München in Vertretung des
leider erkrankten Herr Distrikts-Rabbiner Dr. Groß gehaltene tief
empfundene und sehr wirkungsvolle Festrede pries nächst der Gnade des
Höchsten die Zufriedenheit und Bescheidenheit des Jubelpaares, das stets
sein höchstes Glück im Wirken für die Familie gesucht und auch gefunden
habe, unter stetem Hinblick und Vertrauen auf die Gnade des himmlischen
Vaters, die ihm so ersichtlich beschieden sei. Nach dem Schlussworte:
(hebräisch und deutsch:) 'Diesen Tag hat der Herr geschaffen, wir wollen
uns seiner freuen!' intonierte der Chor das 'Mismor Lesodo' von Japhet. Es
folgte sodann der Segen des Herrn Rabbiners, worauf das herrliche
'Halleluja' von Lewandowsky durch den verstärkten Synagogenchor, unter
Leitung des Herrn Kantor Fränkl, äußerst wirkungsvoll erklang. Von
allen Seiten beglückwünscht, verließ sodann das gottbegnadete Jubelpaar
tief gerührt das Gotteshaus, um den Nachmittag des seltenen Festes im
Kreise der Familie bei fröhlichem Mahle zu verbringen, das genügend
Gelegenheit bot, durch ernste und heitere Toaste und durch sehr gelungene
humoristische Darbietungen, manche Erinnerungen in den Gedankenkreis der
beiden 'alten Leutchen', unter sichtlicher Freude derselben,
zurückzurufen.
Mögen die vielen guten Wünsche, von denen wegen ihrer besonderen
Herzlichkeit und Wärme diejenigen des hohen Stadtmagistrats und der
wohllöblichen Kultusverwaltung Augsburg besondere Erwähnung verdienen -
letztere hat außerdem erhebenden Festgottesdienst das Jubelpaar auch
dessen Familie auch noch durch eine Deputation und ein sehr sinniges
Geschenk hoch erfreut - sich voll und ganz erfüllen, auf dass dem
verehrten Paare der denkbar schönste Lebensabend beschieden sei!" |
Planungen zum Neubau einer
Synagoge
In dem oben zitierten Artikel der Zeitschrift "Der Israelit" von 1891
war die Forderung nach dem Neubau einer Synagoge bereits deutlich
formuliert worden.
Zudem drängte die Stadt auf einen Neubau, da die alte Synagoge in einen
zunehmend baufälligen Zustand geriet. 1900 beschloss die jüdische Gemeinde den Bau einer neuen
Synagoge. Doch sollten bis zur Umsetzung des Beschlusses noch mehrere Jahre
vergehen. 1903 konnte das Degmair'sche Gartengut an der Halderstraße
erworben werden, das sich als Grundstück für ein neues jüdisches
Gemeindezentrum eignete. Beim 25jährigen Dienstjubiläum des Gemeindevorstehers
Justizrat Ludwig Bauer wurde die Hoffnung geäußert, dass dieser sein
Lebenswerk noch "durch den dringend notwendigen Bau einer neuen
Synagoge" krönen könne:
25-jähriges Dienstjubiläum des ersten Gemeindevorstehers Justizrat Ludwig Bauer
(1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. Juni 1905:
"Augsburg, 14. Juni (1905). Am 7. dieses Monats feierte hier
Herr Justizrat Ludwig Bauer sein 25jähriges Jubiläum als erster
Vorsteher der israelitischen Kultusgemeinde. Justizrat Bauer hat es
während der langen Zeit verstanden, der israelitischen Gemeinde nach
innen und außen den Frieden zu erhalten, den Vorsitz in Sitzungen in
vollendeter Weise zu führen und auftretende Gegensätze durch seine
Unparteilichkeit zu mildern oder zu beseitigen. Seiner Initiative
verdanken viele Schöpfungen der Gemeinde ihre Entstehung. Mit Eifer und
Begeisterung ist er allezeit für den Fortschritt im Judentum eingetreten.
Auch der hiesige 'Verein für jüdische Geschichte und Literatur' erfreute
sich seiner besonderen Fürsorge. Hoffentlich krönt Herr Justizrat
Bauer noch sein Lebenswerk für die Gemeinde durch den dringend
notwendigen Bau einer neuen Synagoge, die dem Ansehen und der Bedeutung
unserer alten Gemeinde entspricht." |
Im Oktober 1911 wurde ein öffentlicher Architektenwettbewerb ausgeschrieben.
Nach dessen erfolgreichem Abschluss wurde in einer Generalversammlung der
israelitischen Kultusgemeinde im Februar 1912 der Beschluss zum Bau der Synagoge
gefasst:
Beschluss zum Bau der Synagoge (1912)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. März 1912: "Die Generalversammlung der
Israelitischen Kultusgemeinde Augsburg beschloss einstimmig die
Erbauung einer Synagoge mit Gemeindehaus auf einem bereits erworbenen
Bauplatze an der Halderstraße. Ein Preiswettbewerb wird ausgeschrieben.
Für die in Anschlag zu bringenden Kosten wird das Gemeindevermögen und
ein bereits gesammelter Baufonds als Deckung
betrachtet." |
Der Plan der
Architekten Fritz Landauer (1883-1968) und Dr. Heinrich Lömpel (1877-1951) wurde in den
Jahren 1914 bis 1917 auf einem
Grundstücke an der Halderstraße verwirklicht. Am 30. April 1914 war
die Grundsteinlegung zum Neubau. Damals war der Rohbau schon so weit
fortgeschritten, dass nur wenige Besucher zur Feier zugelassen wurden. Unter schwierigsten
Bedingungen - im August 1914 hatte der Erste Weltkrieg begonnen - konnte der
Bau als "Notstandsarbeit" Stück und Stück weiter durchgeführt und am
4.
April 1917 eingeweiht werden.
Die
Einweihung der neuen Synagoge am 4. April 1917
Am 18. Mai 1917 erschien in der Allgemeinen Zeitung des
Judentums ein ausführlicher Artikel zur neuen Augsburger Synagoge:
|
(mit dankbarer Benutzung der verschiedenfachen Artikeln und
Einzelmittelungen in den "Münchener Neuesten Nachrichten" und der
"München-Augsburger Abendzeitung", die sämtlich nichtjüdischen
Federn entstammend, des reichsten Lobes voll sind).
Unparteiische kundige christliche Fachleute fällen das
Urteil, dass das soeben eingeweihte Heiligtum in Augsburg zu den besten und
wertvollsten Lösungen des modernen Kultbaues gehört: die neue Synagoge der
Israelitischen Kultusgemeinde Augsburg an der Nordseite der Halderstraße, dem
freien Platz zwischen Schrannen- und Turnhalle gegenüber. Auf den im Jahre 1912
ausgeschriebenen Wettbewerb für eine Synagoge nebst Verwaltungs- und
Beamtengebäuden liefen 47 Arbeiten ein. Das Preisgericht, drei Herren der
Kultusgemeinde und vier Künstler (die Professoren an der Münchener Technischen
Hochschule Theodor Fischer und Karl Hocheder, Königlicher Baurat G. Kurz in
Augsburg und Stadtbaurat Holzer ebenda), zeichneten zwei davon je mit einem
ersten Preise aus: nämlich das Projekt "Sem I", dessen Entwurf sich
auch auf alle Einzelheiten der Innenausstattung bezieht. Nachdem die Gemeinde im
Juni 1913 die durchgearbeitete Pläne genehmigt, begann in September der Bau.
Beim Kriegsbeginn standen Wohn- und Verwaltungsgebäude im Rohbau, ebenso der
Tempel mit der gewölbten Eisenbetonkuppel. Nach mehrmonatiger Pause setzte man
seit Herbst 1914 wenigstens die schützenden Dächer auf, beschloss im Januar
1915, den Bau als Notstandsarbeit energisch durchzuführen, und erledigt von
März 1916 an trotz der ungeheuren Hindernisse, welche Beschlagnahme und Fehlen
wichtiger Rohmaterialien ergaben, den Innenbau außer einigen Kleinigkeiten im
dekorativen Beiwerk binnen Jahresfrist.
Architektonischer Schwierigkeiten waren für die Grundrisslösung und den
stilistischen Ausdruck zu überwinden. Die Westostrichtung der Halderstraße und
die erforderliche Ostorientierung des Kultusbaues machten es unmöglich, den
Tempelbau selbst mit der Achse zur Straße zu stellen. Eine harte Nuss zu
knacken gab es weiter, weil zwei Gemeinde- und Verwaltungsgebäude verlangt
waren, das ziemlich tiefe Grundstück nach der Front jedoch schmal ist. Die
Architekten fanden dafür die wohl einzig mögliche logische Lösung, den ganzen
Baukomplex in den gegebenen Raum einzufügen. Sie zogen die zwei Wohnhäuser
für die Gemeindebeamten, die auch
|
die israelitische Schule enthalten, bis zur
Straßenlinie vor, die Formen den Augsburger Renaissancebauten annähernd, und
verbanden sie durch eine lockere, dreitorige Säulenhalle. Diese, straßenwärts
mit hübschen Schmiedgittern abgeschlossen und sonst vornehm zurückhaltend,
leitet in einen schmucken Zierhof, hinter dem sich die Synagoge als Zentralbau
erhebt. So ist diese dem Straßenlärm entrückt, obwohl sie mit ihrer
proportionierten Kuppel den Gesamtkomplex beherrscht. Ihr Aufbau tritt auch nach
außen übersichtlich in Erscheinung. Die Westostrichtung des Straßenweges
stört auf diese Weise nirgends, indem der gleichsam in drei Abschnitten
erfolgende Zugang von Westen her, also mit ostwärts zielendem Blick auf die
Bundeslade, ins Gotteshaus eintreten lässt. Diese Übergänge durch
Säulenhalle, Zwischenhof, Vorhalle ins Tempelinnere steigern den Eindruck
wohlüberlegt und kommen zur Andacht sammeln. Zugleich ermöglichst es diese
Gliederung, die Gesamtanordnung der Überlieferung des Augsburger Stadtbildes
anzupassen. Es war heutigen strebsamen Künstlern keine Kleinigkeit, sich in ein
richtiges Verhältnis zu der von Meister Elias Holls Stil noch heutzutage
durchdrungenen Einheitlichkeit des Augsburger Stadtbildes zu setzen. Die
Profanbauten als nach draußen maßgebendes Bauglied an der Straßenflucht
ließen neuzeitlich abschattierte Anklänge ans Augsburger Barock anbringen.
Trotzdem ist deren stilistischer Zusammenklang mit dem Hauptbau voll geglückt.
Der Tempel wirkt stark repräsentativ, dabei ist doch auch das feierlich
Zurückgezogene des Kultzwecks betont. Die Fensterbildung mit dem Steinfiligran
und die Ausformung der Kuppel bringen das Orientalische genügend zur Geltung.
Knüpfen wir den Blick auf bemerkenswerte und schöne Einzelheiten an einen
raschen Rundgang. Bildhauer Walter Sebastian Resch's (München; AZJ liest
fälschlich "Rasch") Schlussstein über dem
Mitteltor
der Säulenhalle nach alten Motiven trägt die Jahresziffer 1298, darüber den
städtischen Greif und das Davidszeichen: zusammen ein wappenmäßiges Symbol
der vielhundertjährigen Geschichte der Augsburger Judenschaft. Sodann fesselt
im anschließenden Zierhof ein mächtiges Becken in Ruhpoldinger Marmor, das ihn
so zum Brunnenhof stempelt; Tierkörper, ein Lebensbaum mit nestbauendem Vogel
tragen es. Den Sinn deutet am Sockel ein hebräischer Spruch: 2Kommt, ihr
Durstigen alle, hier fließt die Quelle!" Diesen Brunnen schuf unter
Teilnahme der Architekten der Münchener Bildhauer Killer, auf den auch die
jetzt noch unfertige keramische Ausstattung der Vorhalle in ihrem grauen Putz
und mattschimmernder braun-violette Terrakotta zurückgehen wird. Eine
Davids-Figur soll diesen Raum schmücken. Von dieser Vorhalle führt eine Stiege
in Treuchtlinger Marmor mit keramischem Wandsockel aufwärts, wo die Frauen eine
geräumige Kleiderablage und dann ihre Empore betreten. Die Männer dagegen
gelangen durch eine weite, lichte Halle mit Garderobe in das Tempelinnere. In
diesem erzeugen Form, Licht und Farbe gemeinsam eine erhabene Feierstimmung. Die
durchsichtige Raumverteilung und die logische Hinleitung des Auges auf die
beherrschende Ostwand beeinträchtigen das Herausströmen von Romantik und
Mystik aus allen Ecken und Winkeln keineswegs. Gebrochen und zerstreut nur
fällt das Licht ein. Die kleinen, farbig-feinen Fenster unter den
Seitenemporen, nach Entwürfen der Münchener Hofglasmalerei F.H. Zeller
hergestellt, stellen technisch etwas Neues vor: statt Blei fasst Eisenbeton die
Glasstücke zusammen, was musivisch, an der Außenwand seltsam pikant aussieht.
Die gewaltigen Fenster an den drei lichtfreien Gebäudeseiten zerlegen zierlich
durchbrochene Steinplatten in eine Vielheit kleiner Lichtschächte. Am Abend
beleuchten die Glühlampen im Sternenkranz der Kuppel und die Leuchtkörper der
riesigen Metallkugeln aus der Riedinger-Fabrik zu Augsburg. Nicht weniger
harmonisch sind die Farben abgestimmt; aus mildem Halbdämmer schimmern |
Metalle
und Steine. Grau, sattes Grün, Violett herrschen vor, dazu gesellen sich
braun-violetter Marmor an der Estrade der Ostseite, hart blitzendes Schwarz der
Marmorsäulen, welche die Frauenemporen tragen, flimmerndes Gold, in den
Mosaiken funkelndes Messing. Sogar die Beizung des Gestühls lehnt sich dem
ausgeglichenen Ton an. Die Sitze im Schiff wie auf den Emporen geben sämtlich
den Blick auf den Altaraufbau der Ostwand frei. Zunächst ungehemmt nach oben
schweifend, erkennt er die stattlichen Raummaße; lehnt er sich aber vom
Totaleindruck auf die Einzelerscheinungen, so packt ihn die Ostwand mit dem
heiligen Schrein. In mosaikgeschmückter Nische, vertieft in den Rückwand, thront
hier die Bundeslade. Violett-bräunlicher Marmor umrahmt den dunklen
Samtvorhand; über goldgestockten Löwen schwebt die Krone des Gesetzes.
Bewusste Steigerung durch eine reizvolle Treppe mit durchbrochener
Marmorbrüstung erhebt die Predigtkanzel über den Vorbetertisch. Zwei stolze
Pfeiler flankieren die Wand, siebenarmige Leuchter, von Flügelgreifen gehalten,
bekrönen sie. Unter dem Bogen der Ostwand in eingedrückten Gewölben fanden
der Chor und die in Form und Farbe dem Grundton angepasste überaus klangschöne
Orgel (aus der Anstalt Kaulen, Augsburg ihre Stelle. Vier gleiche Giebel bekrönen
nach den Himmelsrichtungen die Wände; darüber ragt mächtig und doch nicht
lastend die kupfergedeckt Kuppel ins Blaue. So gewährt der quadratische Zentralbau
mit diesem sich öffnenden weiten Kuppelrund das Gefühl umfriedender Ruhe. Von
künstlerischen Allegorien seien genannt an den Emporebrüstungen die bunt
modellierten Schilderzeichen, welche die zwölf Stämme versinnbildlichten, und
vier reichvergoldete Reliefs mit Symbolen in hebräischen Lettern, zu deuten als
die Gesetzgebung, das heilige Feuer, die vier Kronen und der Frieden: wie viele
andere Plastiken des Baues Arbeit des Bildhauers Rasch in München.
Die Werktagssynagoge, vom G.G. Klemm (München) ausgemalt, und der Trausaal mit
edler Innenarchitektonik hängen im Südosten als stattlicher Anbau am Tempel.
Wie sie bekunden die mannigfachen Nebenräume, Rabbiner- und Kantorzimmer, die Stiegenhäuser,
die Repräsentationsräumlichkeiten im Verwaltungs- und Schulhaus und im
Beamtengebäude die wohlbedachte Hingabe und fachliche Fähigkeit der
Architekten Landauer und Lömpel für gleichmäßige Rücksicht auf
Gesamtwirkung und liebvolle Einzelgestaltung. Erinnert der äußere Aufbau mit
dem freilich steileren Südgiebel und der darüber zur Höhe strebenden Kuppel
den vergleichenden Betrachter an das Pantheon in Rom, so anderseits der
geschickte Ausweg zwischen dem gegebenen Terrain und der rituell geforderten Gebäuderichtung
die Münchener Besucher aus Kennerkreisen an Theodor Fischers Erlöserkirche in
der dortigen Vorstadt Schwabing. Wie daselbst uralte Anforderungen des
christlichen Kirchenbaues moderner Geist erfüllt, so bedeutet nämlich die neue
Augsburger Synagoge ein ähnliche Vermählung von Vergangenheit und Gegenwart
für das israelitische Kultgebäude. So schreiben wir denn einem feinsinnigen
nichtjüdischen Kritiker des herrlichen Gotteshauses, Dr. Georg Jakob Wolf, sein
einer ausführlichen Schilderung eingeschobenes Gesamtlob nach, "trotz der
gebotenen orientalischen Anklänge sei doch etwas sehr Selbständiges
geschaffen: ein bau des 20. Jahrhunderts, der für die geistige und ethische
Richtung des deutschen Judentums unserer Zeit einen vorzüglichen Ausdruck gibt
und gewissermaßen die kürzeste Formel des zeitgenössischen Synagogenbaues
darstellt. Lömpel und Landauer haben damit etwas Vorbildliches geschaffen, und
die Augsburger Kultusgemeinde, die in weitblickender Opferfreudigkeit und in
verständnisvollem Eingehen auf Absichten und Vorschläge der Architekten die
Mittel zu dem schönen Bau zur Verfügung stellte, kann zu dem gelungenen Werk,
um das natürlich auch hochgemuter Stiftersinn sich verdient machte, ebenso
beglückwünscht werden wie die beiden Baukünstler selbst".
Der Kostenaufwand dieses Schmuckkästchen unter den in den letzten Jahrzehnten
erbauten deutschen Synagogen betrug |
fast 800.000 Mark, die nach München,
weniger nach Augsburg gingen.
Die Kultusgemeinde verabschiedete sich mit einer besonderen Feier im Anschluss
an den Sabbatgottesdienstes des 31. März von ihrem bisherigen Gotteshaus in der
Wintergasse, das ihr 60 Jahre eine Stätte der Erbauung gewesen. Distriktsrabbiner
Dr. Grünfeld hielt dabei eine historische Abschiedspredigt. Endlich am
Vormittag des 4. April wurde der Neubau, dessen glückliche Verschmelzung
maurisch-byzantinischer Formen mit Augsburger neuzeitlichem Stil allgemein
bewundert wurde, feierlich seiner religiösen Bestimmung übergeben.
Der Eröffnungs- und Einweihungsakt fand im Trausaal statt. Dazu versammelten
sich die Vertreter der staatlichen, städtischen, militärischen und geistlichen
Behörden als Ehrengäste nebst anderen Persönlichkeiten: der Regierungs-, der
Oberlandesgericht-, der Eisenbahnpräsident, die beiden Bürgermeister und die
Vorstände der Gemeindekollegien, der stellvertretende Divisionskommandeur, der
Benediktinerabt, Dr. P. Glogger, der protestantische Dekan Detzer mit Pfarrer
Anthes, die Rabbiner Professor Dr. c. Werner (München) und Dr. Freudenthal
(Nürnberg) usw. Nach einem Prolog, den die Tochter des Synagogenkommissars Dann
sprach, wurden die Schlüssel den zwei preisgekrönten Bauleitern überreicht.
Sie verliehen ihrer Freude über die vollbrachte Arbeit und ihrer Wehmut über
das Verlassen der mehrjährigen Arbeitsstätte Ausdruck. Darauf übergaben sie
die Schlüssel dem Vorsitzenden der Gemeinde, Justizrat Bauer, der auf den konfessionellen
Frieden hinwies, wie er in Augsburg Katholiken, Protestanten und Juden vereine.
Ferner hob er rühmend hervor, wie die Mitglieder der Gemeinde mit seltener
Opferwilligkeit alle Lasten auf sich genommen und ohne jeden fremden Zuschuss
das Werk vollendeten. Er dankte den Behörden und wies darauf hin, dass die
Frage des Neubaues zwar seit Jahrzehnten die Gemeinde beschäftigt man aber
gewartet habe, bis als Vorbedingungen die finanzielle Grundlage und ein schöner
Bauplatz gesichert waren, der Stadt Augsburg ein würdiges monumentales Werk zu
verschaffen. Unter den durch den Krieg bedingten denkbar schwierigsten
Verhältnissen seien die Arbeiten zum Abschluss gebracht wurden, und die
Architekten hätten ein Werk geschaffen, das die Israelitische Gemeinde mit
Stolz erfülle, der Stadt zur Ehre, den Erbauern zum Ruhme gereiche. Ach der
Verwaltung und dem Ausschuss der Gemeinde gebühre Dank. Unter der reich
gesegneten Regierung König Ludwigs III. könnten die Staatsbürger aller Konfessionen
ihre Kräfte frei entfalten; möge der Landesvater, der mit vorbildlicher
deutscher Treue den Staatsbürgern voranleuchte, bald in den Stand gesetzt sein,
die Saat seiner segensreichen Tätigkeit in Frieden zu genießen. Der Redner
übergab nun die Schlüssel dem Oberbürgermeister Geheimen Hofrat von Wolfram,
welcher versicherte, der Neubau solle unter dem Schutze der Stadt wohl geborgen
sein. Dann gab letzterer Ordensauszeichnungen für den Vorsitzenden der
Gemeinde, den Rabbiner, den aufsichtführenden Architekten und den
meistbeteiligten maurer bekannt. Hierauf erfolgt der feierliche Einzug der
Ehrengäste in die Synagoge. Beim Festgottesdienst, den Bezirksrabbiner Dr.
Grünfeld abhielt, machte der Tempel im Anblick seiner strahlenden Beleuchtung,
mit dem Goldmosaik auf grünem Untergrunde, allseits tiefen Eindruck, und man
darf getrost das Schlusswort eines berufenen Beurteilers unterschreiben, wenn er
frei nach Schiller sagt: das Werk, wie es heute vollendet vor uns steht, lobt
seine Meister!
Nachtrag der Redaktion: Zur Festfeier sollte eine großzügige
Geschichte erscheinen; die Schwere der Zeit und die anderweitige Beschäftigung
des tüchtigen Rabbiners Dr. Grünfeld haben es nur zu einer kleinen Schrift
kommen lassen, die trotz der Anspruchslosigkeit ihres Titels durch einfachen
Stil und durch reiche Belehrung ungemein wohltuend wirkt (sc. "Ein Gang
durch die Geschichte der Juden in Augsburg". Festschrift zur Einweihung der
neuen Synagoge in Augsburg am 4. April 1917. Verfasst von Dr. Richard Grünfeld,
Distriktsrabbiner. Buch. und Kunstdruckerei J.Z. Himmer, Augsburg). Sie ist in
zwei Teile geteilt: 1. Die alte Gemeinde, 2. Die neue Gemeinde. Der in der
Abhandlung vorkommenden Einzelheiten sind so viele, dass es unmöglich ist, an
dieser Stelle einen erschöpfenden Auszug zu geben. Ich begnüge mich daher mit
der Hervorhebung einiger weniger Daten: Trotz mancher Verfolgungen und schwerer
Bedrückungen war die Lage der Juden in Augsburg eine leidliche; im dreizehnten
Jahrhundert waren manche Juden Bürger. Jehuda Hachassid in Regensburg empfahl für
die der Hebräischen
|
Unkundigen das Beten in der Landessprache. Die ersten
berichte über die Judengemeinde in Augsburg stammen aus dem Jahre 1212; die
älteste jüdische Urkunde ist 1356 datiert. Unter den Rabbinern begegnen wird
einigen hervorragenden Männern; der berühmteste ist R. Meir Ben Baruch aus
Rothenburg, der eine Zeitlang auch in Augsburg tätig war. Sehr entehrend war
die Form des Judeneides, die eine Zeitlang in Augsburg üblich war.
Bemerkenswert ist, dass der Übergang eines Christen zum Judentum mit dem Tode
bestraft wurde. Sehr interessant ist die Zusammenstellung der seltensten
Judennamen, S. 40ff. Aus der neueren Geschichte ist zu erwähnen, dass nach
langer, gezwungener Entfernung der Juden drei reichen Familien (Bankiers) das
Wohnrecht in Augsburg gewährt wurde; der reichste darunter ist wohl Arnold
Seligmann, der später den Titel eines Freiherrn von Eichtal erhielt. Ein
Gemeindeausschuss wurde erst 1861 gewählt. Über die Augsburger Synode finden
sich S. 59ff. wichtige Mitteilungen. Eine Reihe von Notizen wird über den
hochgelehrten Rabbiner Dr. Heinrich Kroß gegeben, von dessen Arbeiten und von
dessen Tode auch in unserer Zeitung die rede war. Der jetzige erste Vorsteher,
Herr Justizrat Ludwig Bauer, bekleidet sein Amt seit 1888. Der Neubau der
Synagoge, über die in dem vorstehenden Aufsatz ausführlich behandelt wird (die
frühere stammte aus dem Jahre 1863), war bereits 1900 beschlossen. Die Gemeinde
zählt bei 1.200 Seelen 376 Zensiten. Die lehrreiche Schrift, der die
vorstehenden Notizen entnommen sind, schließt mit folgendem Satz:
Möge die neue Synagoge auf der Halderstraße - das ist unser inniger
Wunsch für die Gemeinde werden: ein Haus des Segens und des Friedens, der
Andacht und der Erhebung, eine Pflegestätte frommer religiöser Gesinnung, eine
Quelle der Belehrung und des Trostes, eine Pflanzstätte lautesten Patriotismus
und echter unverfälschter Menschenliebe!"
Außer der oben erwähnten Festschrift ist mir, unmittelbar vor der Drucklegung
dieses Artikels, ein Heftchen zugegangen: "Reden bei der Einweihung der
neuen Synagoge zu Augsburg am 4. April 1917". Es enthält ein Gedicht von
Martin Cramer, ferner die Ansprachen der Architekten Lömpel und Landauer, die
Begrüßungsrede des Herrn Justizrats Ludwig Bauer, des Oberbürgermeisters Geh.
Hofrat von Wolfram und endlich die Ansprachen des Herrn Rabbiners Dr. Grünfeld
vor des Hauses Pforten beim Entzünden der ewigen Lampe, dessen gediegene
Festpredigt, sein Weihegebet und endlich das Gebet für König und Vaterland. Alle Ansprachen und Reden machen einen erhebenden, des wichtigen Ereignisses
würdigen Eindruck."
|
Verzicht auf das Festmahl zur Einweihung und Überweisung
des Betrages an die städtische Ernährungshilfe (1917)
Artikel
in der Zeitschrift "Im deutschen Reich" im April 1917: "Aus
Augsburg, 5. April (1917) berichtet man uns: Im Magistrat gab
Oberbürgermeister von Wolfram ein Schreiben der Verwaltung der
israelitischen Kultusgemeinde bekannt, wonach es diese bei dem Ernst der
Zeit und der Lebensmittelknappheit als nicht passend erachtet, an die
Einweihung der neuen Synagoge ein Festmahl anzureihen, es vielmehr
vorziehe, statt dessen den Betrag von 1000 Mark der städtischen
Ernährungshilfe zu überweisen. Der Oberbürgermeister gab weiter
bekannt, dass Oberbaurat Holzer das ihm von der israelitischen Kultusgemeinde
für seine Beratung beim Synagogenneubau angebotene Ehrengeschenk von 500
Mark gleichfalls für wohltätige Zwecke überlassen habe und entbot
beiden Gebern den herzlichsten Dank des Magistrats." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. April 1917: "In der Magistratssitzung zu Augsburg gab
Oberbürgermeister von Wolfram ein Schreiben der Verwaltung der
israelitischen Kultusgemeinde bekannt, wonach es diese bei dem Ernst der
Zeit und der Lebensmittelknappheit als nicht passend erachtet, an das
bevorstehende Fest der
Einweihung der neuen Synagoge ein Festmahl anzureihen, es vielmehr
vorziehe, statt dessen den Betrag von 1000 Mark der städtischen
Ernährungshilfe zu überweisen gemäß einer alten jüdischen Tradition,
wonach bei festlichen Anlässen die Vornahme wohltätiger Werke üblich
ist. Der Oberbürgermeister gab weiter
bekannt, dass Oberbaurat Holzer das ihm seitens der israelitischen Kultusgemeinde
für seine Beratung beim Synagogenneubau angebotene Ehrengeschenk von 500
Mark gleichfalls für wohltätige Zwecke überlassen habe und entbot
beiden Gebern den herzlichsten Dank des Magistrats." |
Kurze Beschreibung der Synagoge (1917)
Artikel
in der Zeitschrift "Im deutschen Reich" im Juni 1917: "Eine neue Synagoge hat
die jüdische Gemeinde Augsburgs innerhalb der Kriegszeit erbaut und
feierlich eingeweiht. Der würdig-edle Bau ist eine neue Zierde der
altehrwürdigen Fugger-Stadt, ein Stolz der nicht sehr großen, aber sehr
angesehenen jüdischen Gemeinde und ein Ruhm der Erbauer, der Münchener
Architekten Fritz Landauer und Dr. ing. Heinrich Lömpel. Der
kuppelüberwölbte, ruhig-stolze Bau gruppiert in wohltuende natürlicher
Harmonie die sonstigen Zweckräume, Alltagsbetsaal, Trauungssaal,
Vorhalle, Verwaltungsräume zu einer Art von einleitendem,
architektonischen Vorspiel für die Synagoge selbst, die ihrer hehren
Aufgabe einen stimmungsweckenden, festlich-erhebenden und weihevollen
Ausdruck gibt. Eine neue Sehenswürdigkeit der altberühmten Stadt." |
Nach der Einweihung der neuen Synagoge wurde die alte Synagoge in der
Wintergasse geschlossen. Das Gebäude wurde umgebaut und als Hutfabrik
verwendet. Im Zweiten Weltkrieg wurde die ehemalige Synagoge in der Wintergasse vollständig
zerstört.
Einige Angaben zur neuen Synagoge: Der Kuppelbau ist am
byzantinischen Zentralbau orientiert. Der Innenraum ist nahezu quadratisch
angelegt. Die Höhe beträgt bis zur Laterne über der Kuppel 27 Meter. Es sind
fast 800 Plätze für Männer und Frauen getrennt vorhanden. Die Wände sind mit
grünem Raubputz versehen. Das Netzwerk in den Kuppelgewölben ist aus
vergoldeten und farbigen Mosaiksteinen zusammengesetzt. Die lila-braun schimmernden
Wandverkleidungen bestehen aus Stukko-Lustro-Lack (künstlicher Marmor). Für
die Ritualeinrichtung und die Säulen wurde grauer, schwarzer und weißer Marmor
verwendet. Die Synagoge hat sechs Rundbogenfenster sowie 28 tief in das
Kuppelgewölbe geschnittene Fenster. Die Lichterreihen in der Kuppel sowie die
vier großen Kugellampen mit ihren je 96 Lichtquellen sollen den Sternenhimmel
darstellen.
Die äußerst gelungene Architektur der neuen Synagoge beziehungsweise des
jüdischen Gemeindezentrums wurde in den folgenden Jahren immer wieder
dargestellt und bei Veranstaltungen präsentiert:
Tagung des Verbandes Bayerischer Israelitische Gemeinden zu
Augsburg mit ausführlicher Besichtigung der Synagoge (1920)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 17.
März 1926: "Die Tagung des Verbandes Bayerischer Israelitischer
Gemeinden zu Augsburg. Es galt diesmal die Verfassung endgültig unter
Dach zu bringen und das Beamtenrecht des Verbandes abschließend zu
regeln. Dass dies gelungen ist und wie es gelungen ist, ist in dem
einleitenden Artikel bereits eingehend ausgeführt worden. 6 Jahre lang
hat der Verband auf Grund einer vorläufigen Verfassung nach den
Beschlüssen der Verfassungsgebenden Versammlung in Nürnberg vom 20. und
21. April 1920 seine Tätigkeit ausgeübt und dabei ersprießliche Arbeit
geleistet. Allzu lange, möchte man beinahe glauben, hat es gedauert, bis
es gelang, die vorläufige Verfassung des Verbandes zu einer endgültigen
auszubauen. Doch wer dies glauben möchte, verkennt die Art und Weise der
Arbeit, welche geleistet werden muss, um die normativen Grundlagen einer Organisation
zu gewinnen. Er verkennt, dass es sich hierbei nicht etwa um eine allein
juristische, logische und stilistische Leistung handelt, sondern um eine
Leistung am Menschen und mit Menschen. Um ein Kunstwerk gewissermaßen,
dessen Material Menschen sind. Und der Mensch ist, wie Leo Baeck in seinem
jüngst gehaltenen Vortrag 'Mensch und Welt' treffend ausführte, das
schwierigst zu behandelnde Material, an dem sich ein Künstler versuchen
kann. Weil dieses Material dem Gestalter nicht nur die Trägheit des
Stoffes, sondern den eigenen Willen als Hindernis entgegensetzt. Welche
Fülle von Interessengegensätzen ist hierbei zu überbrücken, welch
hartnäckige Vorurteile sind zu beseitigen, welche Trägheit, welches
Unverständnis und welch gegenseitiges Misstrauen ist zu
überwinden.
Aber mehr noch als dies, eine solche Verfassung ist nicht das 'Werk'
einzelner Köpfe, sie ist vielmehr der Ausdruck eines organischen
Wachstums der hinter ihr stehenden Gemeinschaft. So schafft sich eine
Gemeinschaft eine Form, in die sie hineinzuwachsen bemüht ist, um
andererseits diese Form ihrem natürlichen Wachstum anzupassen. Dass nunmehr
6 Jahre, nachdem die |
vorläufige
Verfassung zustande kam, sich der Verband Bayerischer Israelitischer
Gemeinden seine endgültige Verfassung gegeben hat, ist das Zeichen eines
inneren Wachstums des Verbandes, das Zeichen einer inneren Kräftigung und
Festigung. Und so ist festzustellen, dass die schweren Zeiten, die die
deutsche und insbesondere auch die bayerische Judentum mitgemacht haben,
wie alles Schwere, das jemand, ohne sich restlos aufzugeben, getragen hat,
neue Kräfte wachgerufen und zur Entfaltung gebracht haben; Kräfte, von
denen mit Sicherheit erwartet werden kann, dass sie zum besseren
führen.
Vielleicht war es ein Symbol, dass die diesjährige Tagung des Verbandes
mit der Besichtigung eines Kunstwerkes begann - auf architektonischem
Gebiete - der neuen Synagoge der Augsburger Gemeinde.
Die Augsburger Synagoge, die am 4. April 1917 eingeweiht worden ist, ist
das neueste Bauwerk dieser Art in Deutschland. Seitdem sind leider weitere
Bauten - man braucht die Gründe nicht zu nennen - trotz des vorhandene
Bedürfnisses unterblieben. Der Bauauftrag erfolgte auf Grund eines im
Jahre 1912 ausgeschriebenen Wettbewerbes, bei welche der Architekt
Dipl.-Ing. Fritz Landauer, der den Münchnern besonders als der Schöpfer
des Gefallenendenkmals bekannt sein dürfte, und der auch bei
Synagogenwettbewerben in Wien und in Würzburg (hier an erster Stelle!)
als Preisträger hervorging, für ein Projekt allein, für ein zweites,
unter Mitarbeit von Architekt H. Lömpel, je einen 1. Preis davontrug. Das
letztere Projekt wurde mit gewissen Abänderungen der Ausführung
zugrundegelegt.
Die Augsburger Synagoge gilt allenthalben als ein Werk von hervorragender
kunstgeschichtlicher Bedeutung, als eine hervorragende künstlerische
Lösung des Gotteshauses der deutschen Juden. 'Ein Bau des 20.
Jahrhunderts, der für die geistige und ethische Richtung des deutschen
Judentums unserer Zeit einen vorzüglichen Ausdruck gibt und
gewissermaßen die kürzeste Formel des zeitgenössischen Synagogenbaues
darstellt', urteilt der Münchner Kunsthistoriker Dr. Gg. Jakob
Wolf.
Die Aufgabe, die hier den Künstlern gestellt war, war keine leichte. So
bestand vor allem die rein örtliche Schwierigkeit, an einer von Westen
nach Osten führenden Straße ein Gebäude zu errichten, das aus
Kultgründen nach Osten orientiert sein musste. Die weitere Schwierigkeit,
die zu überwinden war, bestand darin, dass zwei Gemeinde- und
Verwaltungsgebäude zusammen mit dem Gotteshaus errichtet werden mussten,
die Straßenfront, die zur Verfügung stand, aber nur eine
verhältnismäßig geringe ist. Es war daher ein glücklicher Gedanke der
Schöpfer zu nennen, dass sie die Verwaltungsgebäude an die Straßenfront
legten und den Besucher des Gotteshauses von der Straße aus durch eine
Säulenhalle in einen Brunnenhof und von dort durch eine Vorhalle in das
Tempelinnere führen, ihn so dem Lärm und Getriebe des Tages langsam
entrückend. Den tiefen Eindruck, den das Innere des Gotteshauses auf den
Beschauer ausübt, schildert der Orientalist Dr. August L. Meyer wie
folgt:
'Das Innere nun, ein 26 Meter hoher Zentral-Kuppelbau, ist von
außerordentlicher Schönheit des Verhältnisse. Ebenso wie bei dem
Außenbau ist hier nirgends etwas äu0erlich von orientalischen Bauten
entlehnt, aber überall merkt man, wie die intelligenten Architekten den
tiefsten Sinn byzantinischer und maurischer Baukunst erfasst und in
modernem Sinn für ihre Zwecke verwendet haben. Das Licht ist stark gedämpft,
die kleinen Fenster der Kuppel sind diskret bemalt, die großen
halbkreisförmigen Öffnungen der Tonnen von einem reichen steinernen
Netzwerk durchwirkt, und auch hier die kleinen Scheiben von zierlichen
Mustern überzogen. So kann das Tageslicht nur zerstreut hereindringen,
gedämpft bis zu jenem Grad von Helligkeit, den die Raumbenutzung erfordert.
In dieser Beleuchtung nun erhält das leicht in Violett schimmernde Grau
des Lahnmarmors der unteren Partie und das tiefe, von Goldmosaik
durchwirkte Grün der Kuppel und der weit geschwungenen Tonnenbogen einen
besonders starken Stimmungswert von höchst feierlichem Klang.
Der östliche Abschnitt des Zentralbaues ist als der hauptsächlichste
Kultraum in eigenartiger Weise betont und leicht von dem übrigen Teil
abgehoben: durch zwei mächtige, von großen geflügelten Greifen
gehaltene siebenarmige Leuchter, die sich auf zwei die Estrade
flankierenden Pfeilern in feierlicher Wucht über die Brüstung der
Frauenempore erheben. An den drei Vorderwänden der Frauenempore sieht man
sechs medaillonartige Schilde, die paarweise vereint die nach den
Segensworten von Jakob und Moses gebildeten Symbole der zwölf Stämme in
bunter Fassung wiedergeben. Nicht minder gelungen als diese Reliefs sind
die gro- |
ßen,
welche die Kuppelzwickel schmücken. Die Reliefs sind jeweils von
hebräischen Umschriften begleitet. Es würde zu weit führen, diese
Stücke im einzelnen zu beschreiben, es sei nur kurz hingewiesen auf die
Darstellung von Quelle, Palmbaum und Taube mit Friedenszweig, das heilige
Feuer auf dem Altar, den geflügelten Löwen mit den Gesetzestafeln. Alle
diese Stücke sind nicht nur von großer Anschaulichkeit, sondern von
einer sehr persönlichen, dekorativen Monumentalität.'
Bei der Besichtigung der Synagoge durch die Besucher der Tagung am
Sonntag, dem 21. Februar 1926, führte der Synagogenvorsteher, Herr Albert
Dann, folgendes aus:
'Der Bau ist im Jahre 1914 begonnen und im Jahre 1917 glücklich beendet
worden. Es war außerordentlich schwer, die geeigneten Arbeiter und die
bestellten Materialien rechtzeitig zur Stelle zu haben. Es mussten
fortgesetzt Eingaben an die Regierungsbehörden gemacht werden, um dies zu
erreichen. Der größte Werk wurde auf die Ausgestaltung der Ostfront
gelegt, die vollständig in Marmor durchgeführt ist. Die verschiedenen
Kapitelle über den Säulen sind alle in der Form gleich, in der
Ausführung jedoch grundverschieden, ebenso die Bekleidungskörper für
die Heizung. Auch die vielen Hunderte von kleinen Fensterchen sind jedes
mit einer anderen Bemalung versehen. Der Hauptvorteil der Augsburger
Synagoge besteht darin, dass die Plätze in der Herren- und in der
Frauensynagoge so angeordnet sind, dass der Rabbiner und der Vorsänger
von allen gleich gut gehört und gesehen werden können. Auf der Estrade
sind die Plätze für den Rabbiner und den Synagogenvorstand und für 2
Kantoren angebracht. Rechts und links sind Logen für die volksschulpflichtigen
Knaben und im ersten Stock für die volksschulpflichtigen Mädchen
eingebaut. Das Vorbeterpult hat eine schwere Marmorplatte, deren Neigung
mit einem Druck der Hand geregelt werden kann. Bei Trauungen dient die
Platte als Tisch und kann durch einen Knopf in wagrechter Stellung
festgehalten werden.
Herr Dann führte weiter aus, dass die hiesige Verwaltung, bevor sie an
die Einrichtung der neuen Synagoge ging, zuerst alle die neuen Synagogen
in den verschiedenen deutschen Städten durch eine Kommission besichtigen
ließen und dass alle praktischen Neuerungen, die bei diesen Reisen
gefunden wurden, mit nach Augsburg übernommen worden sind, während
Fehler, die sich anderwärts im Laufe der Zeit herausgestellt haben, dort
vermieden wurden. Die oben erklärte Einrichtung des Vorbeterpultes stammt
von Offenbach, ein Schrank, in welchem die Toravorhänge und Decken
aufbewahrt sind, von Mainz, die Einrichtung für die Aufbewahrung der
Torarollen während der Vorlesung aus der Haftarah aus Stuttgart.
Es wurde noch eine Führung durch das Haus veranstaltet und der
wundervolle Blick von der Frauensynagoge aus gezeigt, es wurden die
Erholungsräume besichtigt und der Tresor gezeigt, und die
Werktagssynagoge und der Trausaal besucht. Die auswärtigen Gäste waren
von der praktischen Einrichtung und von dem herrlichen Bau und seiner
vornehmen Wirkung restlos befriedigt.
Hierauf übernahm Herr Dr. Fränkel, Lehrer der Israelitischen
Kultusgemeinde, die Aufgabe, die hebräischen Inschriften zu erklären und
die zahlreichen Symbole, die dem weihevollen Gotteshause ein spezifisches
Gepräge geben, zu deuten:
'Dem Betenden wird die Heiligkeit des Ortes gekündet durch die in
vergoldeten großen Buchstaben weithin leuchtenden wichtigen Worte am
vorderen großen Ostbogen: 'Wisse, vor wem du stehst!' Längst der
Emporenbrüstung sind 6 wichtige Sätze aus der Ethik angebracht. Die
fünf hohen Feste sind symbolisiert durch 'Gerste', 'Traube', 'Krone',
'Schofar' und Weizen' entsprechend dem Bibeltexte für Pessach, Sukkos,
Jom-Kippur, Rosch Haschono und Schewuos. Die Emporenbrüstung wird
unterbrochen von schildartigen Zeichen, die in ihrer bunten Fassung einen
besonderen Reiz ergeben. Es sind die Symbole der 12 Stämme Israels, wie
sie uns die Bibel in den Segensworten Jakobs und Moses überliefert hat.
Der Stamm 'Levi', aus dem der Hohepriester war, ist symbolisiert durch den
'Brustschild' mit den 12 Steinen: 'Jeder Stamm sollte ihm gleichartig
sein; jeder Mensch soll uns ein Edelstein sein, sein Bestes suchend und
fördernd.' 'Juda' ein junger 'Löwe': 'Sei stark wie ein Löwe, zu
erfüllen den Willen deines Vaters im Himmel!' Die Deutung erstreckte sich
dann, ebenso aufklärend, auf die übrigen Symbole. Besonders wurden die 4
'Reliefs' des Gewölbes in ihrer Großartigkeit gezeigt, darstellend 1.
die 'Theorie der Religion' - ein geflügelter Löwe mit der Tora-Rolle und
den Gesetzestafeln unter dem Lebensbaum; 2. die 'Praxis der Religion', das
Leben - ein Opfer-Symbol. Die Opferflamme, das heilige Feuer auf dem
Altar, der Lebensbaum mit goldenem 'Kranze', und dessen Inschrift: 'Dein
Opfer sei beständig...'. - Die 'Ethik'. Drei gleiche Kronen und eine
mächtige Krone darüber leuchten vom dritten Relief hernieder, nach den
'Sprüchen der Väter': 'Drei Kronen gibt es: Die Krone der Gelehrsamkeit,
des Priestertums und des Königtums - aber die Krone des guten Namens
überstrahlt sie alle' - sie trägt jeder gute, zuverlässige,
charaktervolle Mensch. 4. Die 'Wirkung der Religion'. Symbol: Die 'Quelle'
(Gottesfurcht ist eine Lebensquelle), der 'Palmbaum' (der Gerechte blüht
gleich einer Palme, langsam, aber dafür lange), die 'Taube mit dem
Friedenszweig' (sie bringt Kunde vom Herrn: 'Frieden, Frieden! Dem
Gott-Nahen und Gott-Fernen!').
Im Ring der Kuppel, bestrahlt von einem prachtvollen Sternenkranz,
schließen dann die weihevollen Worte Salomos, anlässlich der Einweihung
des Tempels, die Sinnbilder zusammen. (Die Buchstaben-Ornamente sind dabei
eine neue Wirkung für sich.) Nachdem im Anschluss an den letzten Satz der
Kuppel-Inschrift: 'Mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle
Volker' die Universalität des Judentums zur Sprache gekommen war, schloss
Herr Dr. Fränkl, im Anschluss an den letzten Satz in der Festschrift des
leider infolge Krankheit abwesenden Herrn Rabbiner Dr. Grünfeld, mit dem
Wunsche, dass auf den nunmehr beginnenden wichtigen Beratungen der Tagung
Gottes reichster Segen ruhen möge.' |
Anschließend
an die Besichtigung des Gotteshauses begab man sich in den großen
Börsensaal gegenüber dem Rathaus, wo die Eröffnung der Tagung
stattfand. Im folgenden bringen wir eine eingehende Darstellung der
anlässlich der Eröffnung gehaltenen Ansprachen, des
religionswissenschaftlichen Vortrages von Rabbiner Dr. Stein (Schweinfurt)
und des Berichtes des Präsidenten des Rates. Über den Gang der
sachlichen Beratungen, über deren wesentliche Ergebnisse der Leitartikel
dieser Nummer informiert, bringen wir in der nächsten Nummer
Ausführlicheres.
Am Abend des ersten Tages hatte die Kultusgemeinde Augsburg die Mitglieder
des Rates und der Tagung sowie sonstige im jüdisch-gemeindlichen Leben
Augsburgs und seiner näheren Umgebung stehende Persönlichkeiten zu einem
Festabend in den 'Drei Mohren' eingeladen, wo sie von der Gastgeberin in
großzügiger Weise bewirtet wurden. Die am Nachmittag in den Sitzungen
des Rates und der verschiedenen Ausschüsse gepflogenen Beratungen hatten
bereits positive Ergebnisse gezeitigt, sodass man auf ein gutes Gelingen
der Tagung hoffen konnte und eine zuversichtliche Stimmung auch über dem
Festabend lag. Neben den einleitenden Worten des Vorsitzenden der
Kultusgemeinde Augsburg Dr. Eugen Strauß fielen besonders auf die
humorvolle Tischrede des Schatzmeisters Rosenzweig, die launigen, den
Damen gewidmeten Verse von Oberlandesgerichtsrat Wilmersdoerfer und ein
lustiges Poem des Justizrates Sinauer. Die Dankbarkeit gegen die
bewährten Führer, Oberlandesgerichtsrat Dr. Neumeyer, den Präsidenten
des Rates und Oberstlandesgerichtsrat Professor Dr. Silberschmidt, den
Präsidenten der Tagung, kam spontan zum Ausdruck. Gegen das Ende
vereinigten Musik und Tanz die Erschienenen noch einige Stunden in
fröhlichster Stimmung, welche der Gastgeberin wohl der beste Dank für
ihre vielen und großen Bemühungen gewesen sind." |
Einweihung der Gefallenengedenktafeln (1921)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. November 1921:
"Augsburg, 3. November (1921). Am Sonntag Vormittag 10 1/4 Uhr wurden
in der Synagoge Kriegergedenktafeln eingeweiht. Die beiden Tafeln aus
karrarischem Marmor tragen außer den Namen der 24 im Weltkrieg gefallenen
Kultusgemeindemitgliedern die Inschrift: 'Die Gemeinde ihren Gefallenen.
Sie starben auch für uns. 1914-1918.' Namens der Kultusgemeinde übernahm
deren erster Vorstand, Herr Justizrat Dr. Epstein, die Tafeln mit dem
Versprechen, dass das Andenken der so früh Gestorbenen stets in Ehren
gehalten und die Gemeinde sich dauernd daran erinnern werde, dass die
Glaubensgenossen dieses Opfer ihres Lebens für die Allgemeinheit gebracht
haben. Herr Dr. Grünfeld hielt nach einem von Herrn Oberkantor Heymann
gesungenen Psalm die Gedenkrede." |
Anmerkung - nach dem
Kriegerdenkmal des jüdischen Friedhofes an den Haunstetter Straße sind
aus der jüdischen Gemeinde Augsburg gefallen (vgl. Liste
des Hauses des Bayerischen Geschichte): Fritz Bissinger, Rud.
Bernheimer, Leopold Klopfer, Leopold Schwarz, Paul Rosenstiel, Sali
Thannhauser, Manfred Reis, Jul. Rosenberg, Siegfried F. Lemle, W.
Günzburger, Moritz Schloss, Max Rosenberg, Siegfried Metzger, Felix Aub,
C. Friedländer, Julius Bingen, Alfred Haymann, Arthur Stein, David
Rosenau, Lud. Binswanger, Julius Baer, Dr. F. Lammfromm, Martin Strauss
cand.iur., Hugo Bein. |
Beitrag von Albert Dann über Erfahrungen mit dem
liberalen Synagogengottesdienst in Augsburg (1929)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 11. Januar
1929: "Austausch gottesdienstlicher Erfahrungen.
An die Vereinigung für das liberale Judentum e.V. Berlin SW
48.
Die Weltkonferenz für das liberale Judentum, der anzuwohnen ich die Ehre
und die Freude hatte, hat meine Gedanken seitdem außerordentlich
beschäftigt und ich habe mit großem Interesse in Ihrem Blatt die
verschiedenen Ausführungen und Ansichten verfolgt. Ich bin jedoch der
Meinung, dass mit allen diesen Artikeln und Abhandlungen keinerlei
Vorschläge gemacht worden sind. welche praktisch verwendbar sein
könnten.
Ich finde, dass sich die wenigsten Teilnehmer intensiv mit dem Vorschlage
des Mr. Bernheim aus Louisville befasst haben und halte es für
außerordentlich wünschenswert, ja für notwendig, dass die Laien sich
mehr mit der Frage des liberalen Judentums im allgemeinen und mit
der Hebung und Verbesserung des Gottesdienstes im besonderen
beschäftigen. Ich möchte diese meine Anschauung wie folgt
begründen:
Der Gottesdienst wird in jeder Gemeinde anders gehandhabt, oftmals in
einer Weise, welche nicht den Wünschen und Empfindungen der
Synagogenbesucher entspricht. Es wäre zu erwägen, ob man nicht den
Vorständen der Kultusgemeinden nahe legen sollte, kleine Kommissionen auf
Reisen zu entsenden, um Anregungen zu sammeln wie der Gottesdienst in
anderen Gemeinden gehandhabt wird.
Die hiesige (=Augsburger) Gemeinde hat seinerzeit, bevor man an die
innere Ausstattung der neuen Synagoge gegangen ist, eine solche Kommission
ausgesandt, welche nicht nur die Einrichtungen der verschiedenen Synagogen
genau besichtigt hat, sondern auch Gelegenheit nahm die Gottesdienste zu
besuchen. Es sind damals sehr wichtige Neuerungen von auswärts nach
Augsburg übernommen worden, und nur diesem Umstand ist es zu verdanken,
dass der Gottesdienst sehr zur Zufriedenheit der Gemeindemitglieder
umgestaltet worden ist. Sowohl in Bezug auf Anwendung der deutschen
Sprache, als auch in gesanglicher Hinsicht kann unser Gottesdienst am
Freitagabend und am Samstagmorgen als vollkommen gelungen bezeichnet
werden. Ersterer dauert 35 Minuten, letzterer 65 Minuten in der Regel,
ohne außergewöhnliche Einschaltungen.
Vielleicht dienen Ihnen diese meine Anregungen, was mich sehr freuen
würde.
Mit vorzüglicher Hochachtung! Ihr ergebener
Albert Dann.
1. Vorsitzender der Ortsgruppe Augsburg der Vereinigung für das liberale
Judentum." |
Artikel des Architekten Fritz Landauer über
Synagogenbau-Kunst (1930)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Mai
1930: "Synagogenbau-Kunst. Betrachtung und Anregung. Von Dipl-Ing.
Fritz Landauer, Architekt BDA., München.
Vorbemerkung: Der Münchener Architekt Fritz Landauer, der durch den Bau
der Augsburger Synagoge allgemein bekannt geworden ist, ging soeben wieder
bei einem Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für einen
Synagogen-Neubau in Hamburg als Preisträger hervor. Die vor kurzem
eingeweihte Synagoge in Plauen ist ebenfalls nach einem Entwurf Landauers
erbaut. Die Schriftleitung hat Herrn Architekt Landauer zu einer
Erklärung seiner jüngsten Arbeiten eingeladen. Den folgenden grundsätzlichen
Äußerungen zu dem Thema 'Synagogenbau-Kunst' wird später ein besonderer
Aufsatz über die Synagoge von Plauen folgen. Bei dieser Gelegenheit sei
auf die letzte besonders instruktive Abhandlung von Rabbiner Joseph
Carlebach über die rabbinischen Vorschriften, die sich auf den
Synagogenbau beziehen, hingewiesen. Carlebach verbreitet sich hier (Jeschurun
16. Jahrgang 1929: S. 190ff.) ausführlich über Oraun (Toraschrein) und
Almemor, über Männer- und Frauen-Synagoge, über die äußere Anlage,
endlich über die Anordnung der Sitze, und zwar werden bei all diesen
Themen regelmäßig die rezipierten Vorschriften von Maimonides und
anderer rabbinischer Autoritäten herangezogen. An dem bekannten neueren
Werk von Krautheimer über Mittelalterliche Synagogen erkennt Carlebach
die Sicherheit und Feinheit des Urteils in bautechnischen und
baukünstlerischen Fragen an, stellt dagegen zahlreiche Irrtümer auf dem
Gebiet der jüdischen Vorschriften fest.
Die Schriftleitung lädt mich ein, etwas über meine jüngsten Arbeiten
auf dem Gebiete des Synagogenbaus dem Leser vorzulegen, insbesondere meine
neuen Entwürfe für den Tempel zu Hamburg.
Diese Aufforderung der Schriftleitung ist besonders erfreulich als
Symptom: es ist noch keine große Zeitspanne vorüber, da galt die
Baukunst beim größeren Publikum als letzte der Künste; denn man hatte
kein Verhältnis zu ihr - höchst sonderbarerweise; sollte dem Menschen
doch das Haus, in dem er das Leben zubringt, persönlich am nächsten
liegen, ihn das Gesicht der |
Straße,
welche er täglich so und so oft durchwandert, am unmittelbarsten
ansprechen. Im letzten Jahrzehnt aber ist die Baukunst wieder Führerin
geworden in der Ausprägung des Zeitgeistes, ähnlich wie in früheren
Epochen.
In unserer Zeit allgemeiner Verwirrung, Wandlung, Umschichtung - des
Umsturzes alter Werte und der Sehnsucht nach dem Aufbau neuer -, ist die
Vertiefung, die Besinnung auf das Wesentliche da, was gefordert
wurde, wonach auch weiterhin gerufen werden muss auf allen Gebieten
menschlichen Lebens und Wirkens. Diese Grundeinstellung muss auch für
eine erfolgreiche Entwicklung wahrhafter Baukunst - diese als Kulturfaktor
aufgefasst - und für den Schaffenden selbst erstes Gesetz sei; und
insbesondere muss dies gelten für den problematischsten Zweig, den
Sakralbau.
Das nach dem Krieg geprägte und allzu oft wiederholte Schlagwort 'neue
Sachlichkeit' braucht durchaus nicht Ungeistiges zu meinen, auch nichts
Nüchternes, Seelenloses. Für die anderen Baugebiete: Wohnhaus,
Geschäftshaus, Industriebau erheben neue praktische, wirtschaftliche,
konstruktive und kulturelle Bedingungen die neuen Lösungen. 'Neuzeitlich'
ist: klare Entwicklung aus dem Zwecke (der ein praktischer ebenso wohl als
ein höchst idealer sein kann); - ist: Anwendung neuer
Konstruktionsmethoden und Materialien sowie Entwicklung neue Formgedanken
hieraus; - ist aber auch Erfüllung der äußeren und inneren Gestaltung
mit dem wesentlichen und geistigen Gehalt der besonderen Aufgabe (dies
sind lauter Bedingungen, welche an sich nicht neu sind, sondern eine
Selbstverständlichkeit waren in den reifen historischen Kunstepochen).
Die Problemstellung des Sakralbaus (einer Synagoge oder Kirche) aber
hängt m.E. in erster Linie mit dem Wesen des Menschen selbst zusammen,
mit seinen feinsten und tiefsten Werten. Ist doch Gestaltung und
Stimmungswert eines solchen Raumes nichts anderes als ein hehrer Mittler -
gleich einem jüdischen Gesang oder einer Bach'schen Kantate - Mittler zur
Andacht und Erhebung und - wenn der Bau echt gestaltet ist -. gleichzeitig
selbst: Andacht, weil Widmung an das Höchste.
Um die heutige Aufgabe zu skizzieren, so wie sie sich mir darstellt, muss
ich einen wenn auch kurzen geschichtlichen Rückblick auf den Synagogenbau
geben. Eine Entwicklungsgeschichte im eigentlichen Sinne kann nach dem
heutigen Standes unseres Wissens nicht wohl geschrieben werden. Es ist uns
sehr wenig von selbständigen Gestaltungen jüdischer Gotteshäuser
bekannt; ja, soweit wir zu urteilen vermögen, scheint es, dass die Juden
im Verlaufe der Zeiten wenig Eignung oder Neigung zu eigenen
Bauschöpfungen zeigten. Man hat sich vielmehr, wie ersichtlich, der Bauform
und dem Zeitstil des Aufenthaltlandes angeschlossen; nur einige
Kulteinrichtungen, wie die Aufstellung von Almemor und Schrein und die
Anlage ein- oder zweiseitiger Galerien für die Frauen geben einen
gewissen Sondercharakter. Von einer organisch entwickelten Bau- und
Raumlösung aus den Bedingungen des Kultes und des jüdischen Wesens kann
aber keine Rede sein (Anmerkung: So sehen wir in der mittelalterlichen
Prager 'Alt-Neu-Schule' ein gotisches Kirchlein, dem alten Wiener Tempel
einen fast festlichen kleinen Ovalraum der Empirezeit, die liebenswürdig
ausgemalten Land-Synagogen Frankens - trotz des jüdischen Malers als
Zeugen suddeutscher, barocker, teilweise ländlicher Kunst). Es kann daher
ein charakteristischer Typ des Synagogenbaues als ein vorhandener Wert der
Tradition m.E. nicht festgestellt werden. - Nach der schlimmsten Bauepoche
(1870 bis 1900) setzte eine gründlichere und geistvollere Baugesinnung
auch bei Errichtung jüdischer Gotteshäuser ein, dies m.W. zuerst in
Deutschland; es geschah solches gleichzeitig, wenigstens zum Teil mit dem
Auftreten jüdischer Architekten als Erbauer (neuere Synagogen dieser
Epoche sind, als bessere Beispiele, jene von Berlin, Essen, Frankfurt am
Main, Mainz). |
Die
letzte Vorkriegssynagoge war die Synagoge in Augsburg (konzipiert
1913, vollendet 1917), deren Bau mir auf Grund eines allgemeinen
bayerischen Preisausschreibens übertragen worden war. Für die liberal
gerichtete Gemeinde strebte ich an, den gewünschten Zentralbau im
Stilsinne freier durchzubilden, aber so konsequent als möglich in
Hinsicht auf die Erfüllung der Bedingungen des Kultes und der
Konzentrierung der Beter auf den Gottesdienst. Ich versuchte eine
charakteristische Gestaltung des Ganzen und seiner Teile; es wurde ein der
Sammlung dienender offener Vorhof dem Eingang zum Tempel vorgelegt; unter
Anwendung des Dreiklanges: Form - Farbe - Licht wurde die Ausprägung
jüdischen Wesens in dem Raum und die Erzielung einer ergreifenden
Stimmung der Andacht und Weihe angestrebt. Der Kunsthistoriker Dr.
Eliasberg bezeichnete die Gestaltung mit dem Beiwort 'neujüdisch'.
Die Verhältnisse nach dem Kriege vereitelten weitere Ausführungen nach
erfolgreichen Projekten, z.B. Würzburg, Wien. Sie gaben dagegen Zeit zur
Selbstbesinnung sowie Antrieb zu neuem geistigen Erfassen - und damit zu
neuer Gestaltung auch auf diesem Gebiete. Zum ersten Male ward mir von der
Gemeinde zu Plauen i.V. die Aufgabe zuteil - wiederum für eine
liberale Gemeinde - ein Gemeindehaus mit Synagoge im neuzeitlichen Sinne
durchzuführen. Ich fand dort größtes Verstehen und Eingehen auf meine
Gedanken und mein Wollen sowie tätige Mitarbeit. Man war damit
einverstanden, dass eine neuzeitliche Synagoge und Kirchenbaukunst nur aus
einer Durchdringung der kirchlichen und kultlichen Tradition mit der
Kunstsprache der Zeit erstehen kann. Diese Zeitsprache ist nicht
Selbstzweck, sie hat vielmehr die Aufgabe, Gehalt zu formen - wie jede
Sprache! In unserem Falle: es muss, in einer edlen, gediegenen, d.i.
ehrlichen Bauweise ein folgerichtig entwickelter Organismus geschaffen
werden mit starkem und echtem Ausdruckswert so zwar, dass insbesondere der
Kultraum die Seele des Besuchers zum Mitklingen bringt und zur Andacht
führt; der Raum selbst muss zum weihevollen Symbol werden. Er erhielt -
im Plauener Bau - eine feierliche Geschlossenheit; die Raumform ist
einfachst und klar überschaubar, jedoch neuartig sowohl im Querschnitt
wie in der Ausgestaltung; er erhielt, wie ich glaube, einen typischen
Ausdruck des jüdischen Kultraumes, obwohl von der oft angewendeten
Zentralform abgegangen wurde. Rein sachliche Erwägung veranlasste mich,
den Tageslichteinfall in den unteren Raumteil zu verlegen, das Licht
fließt in zerstreuter Weise ein, reichlich hell, ohne zu stören, durch
die beiden gelagerten 16 Meter langen vergitterten Hauptfenster. Der obere
Raumkubus ist in Dämmer gehüllt, durch eine dunkle Holzstegdecke
abgeschlossen. Die Ausstattung ist schlicht und doch feierlich; es
herrscht betonte Konzentrierung auf die Ostseite, auf Estrade mit Almemor,
Lade und Kanzel. Der raue Verputz hat gründlich-graue Färbung, die
Galeriebrüstungen und die hohe Westwand tragen schmückende hebräische
Inschriften, die 10 Meter hohen Wände des Estradenraumes an der Ostseite
sind - gleich feierlichen Teppichen - mit Symbolen in zurückhaltender Sgraffitotechnik
farbig geschmückt. Der Schrein selbst, von schlanker 3 Meter hoher Form,
ist von dem blau schimmernden Vorhang bedeckt in feierlicher
Messingfassung.....
Es folgen Ausführungen über die Hamburger Synagoge... |
Vortrag von Martin
Buber in der Synagoge (1930)
Anzeige
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
Februar 1930:
"Israelitische Kultusgemeinde Augsburg.
Am Donnerstag, dem 20. Februar, abends 8.15 Uhr, spricht Martin Buber
in der Synagoge über Chassidismus". |
Wohltätigkeitskonzert in der Augsburger Synagoge
(1930)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
April 1930: "Wohltätigkeitskonzert in der Augsburger Synagoge. Zum
Besten erholungsbedürftiger Gemeindemitglieder veranstaltete der
Israelitische Frauenverein Augsburg jüngst in der hiesigen, für
musikalische Darbietungen akustisch vorzüglichen Synagoge ein lange in
der Erinnerung an das Gehörte und Empfundene nachwirkendes
Wohltätigkeitskonzert. Eine besondere künstlerische Note erhielt
dasselbe durch die gastweise Mitwirkung des Jüdischen Gesangvereins
München unter seinem erprobten Führer Kapellmeister Joseph Ziegler. Ob
es sich in der klanggeschlossenen, technisch bis zur letzten Konsequenz
der totalen Sauberkeit vorgedrungenen Wiedergabe um liturgische Gesänge
mit Kantorsolo und Orgel wie: 'Ma tobu' von Max Löwenstein, 'Hajom haaras
olom' von Emanuel Kirschner oder mit gesteigerter Schwierigkeit um den
prächtig zu Gehör gebrachten a capella-Chor 'Ribono schel olom' von S.
Almon handelte, endlich um den krönenden Abschluss bildenden Schlusschor
aus Psalm 42 von Felix Mendelssohn mit Orgel, welche der Augsburger
Organist der Synagoge, Herr N. Frei, meisterte, gewann der Hörer durch
feinnervige Abtönung und intelligente Phrasierung den Eindruck höchst
beachtlicher qualitativer Fähigkeiten des Chores der Münchener Gäste.
In Erstaufführung von 'Mo odom' mit Frau Sonja Ziegler als Sopranistin,
Chor und Orgel von Joseph Ziegler, der in diesem Opus wirklich Empfundenes
und Originelles zu künden hat, erwies sich der Komponist auch als
schöpferische Persönlichkeit auf dem Gebiete liturgischer Gesänge.
Außer Herrn Otto Neuburger, der mit kultiviertem Tenor eine Arie aus
'Samson' von G. F. Händel zu eindrucksvollem Vortrag brachte, und Frau Gertrude
Maßer - München, die im Präludium für Violine und Orgel von G.
Pugnani-Kreisler sehr geförderte violinistische Fähigkeiten einzusetzen
verstanden, traten auch die beiden Herren Kantoren M. Neu (München) und
W. Heimann (Augsburg) gesangssolistisch in friedlichen Wettbewerb und
bestätigten im Konzert alles das, was beide Gemeinden im Gottesdienst an
ihnen schätzen, wenn der Gesang durch reifes technisches Können zum
tonlichen und stofflichen Erleben des Gesamtinhalts der jeweiligen
Komposition wird. Ganz von selbst ergaben sich natürliche Höhepunkte im
'Elohai neschomoh' und 'Gebet' (Oberkantor Neu) und der Bariton-Arie aus
'Elias' und 'An den Wassern Babylons' von Dvorak (Kantor Heimann). Nach
fast zweistündigem, erbaulichem Genuss schied die Gemeinde mit höchster
Befriedigung von dem Wohltätigkeitskonzert des Israelitischen
Frauenvereins Augsburg. L. Zollitsch". |
|
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 30. April 1930: "Augsburg.
(Synagogenkonzert). Vor einiger Zeit - wir können leider erst verspätet hierüber
berichten - lud der Israelitische Frauenverein zu einem
Wohltätigkeitskonzert zum Besten erholungsbedürftiger Gemeindemitglieder
in unsere herrliche Synagoge ein. Der jüdische Gesangverein München
bestritt mit seinem hervorragenden Dirigenten Joseph Ziegler und seinen 3
Solisten in friedlichem Wettbewerb mit unserem beliebten hiesigen
Oberkantor W. Heimann und Herrn Otto Neuburger ein musikalisch
hochwertiges Programm. Herr Joseph Ziegler führte seinen technisch
vorzüglich geschulten Chor mit ausgereifter Meisterschaft. Der volle
weiche Bariton unseres Oberkantors W. Heimann fesselte in dem
stimmungsvoll vorgetragenen Solo aus 'Ma towu' von Löwenstein und Versen
17-24 des Psalm 'Lo omus' von Birnbaum und mehr noch in den dankbareren
beiden Soli 'Herr Gott Abraham' aus Elias (Mendelssohn) und 'An den Wasser
von Babylon' von Dvorak und erwies sich dadurch aufs neue als begnadeter
Sänger. Herr Otto Neuburger brachte die Tenor-Arie aus 'Samson' von
Händel zu wirksamstem Vortrag. Frau Sonja Ziegler (München) bewährte
sich als empfindungstiefe, sehr begabte Sopranistin und Gertrude Masser
(München) bewältigte das Präludium für Violine in ausgesprochener
Vollkommenheit. Die Darbietungen des Herrn Oberkantor M. Neu (München) 'Hajom
harras olom' von Kirschner und 'Elohai neschomoh', sowie das 'Gebet' eines
unbekannten Komponisten trugen den Stempel vollendeter Kunstauffassung.
Herr N. Frei, der ständige Organist der hiesigen Synagoge, zeigte sich
als meisterhafter Beherrscher unserer Steinmayer-Orgel und trug sehr zum
Gelingen des prächtig durchgeführten Konzertes bei." |
Die neue Synagoge in der Halderstraße sollte zunächst nur 21 Jahre als
Gotteshaus der jüdischen Gemeinde dienen.
Novemberpogrom 1938
Beim Novemberpogrom 1938
zerstörten am frühen Morgen des 10. November 1938 etwa 30 Nationalsozialisten
die Inneneinrichtung der Synagoge und legten Feuer. Dieses wurde jedoch wieder
gelöscht, da im Bereich um die Synagoge mehrere Wohn- und kommunale Großbauten
sowie gegenüber eine Tankstelle standen.
Während des Zweiten Weltkrieg
wurde das Synagogengebäude als
Kulissenlager des Stadttheaters zweckentfremdet. In die Verwaltungsgebäude der
Jüdischen Gemeinde zogen der Luftwaffen-Gaustab sowie die
Nationalsozialistische Volkswohlfahrt mit Kinderhort und Volksschule ein. Die
Kuppel der Synagoge wurde als Beobachtungsstand der Flugabwehrartillerie
verwendet.
Nach 1945 und bis zur Gegenwart
Nach 1945 kamen die Gebäude wiederum an die jüdische Gemeinde. Die Gemeindehäuser
wurden seit 1958 als Kulturzentrum verwendet mit einem Kindergarten,
einem Klassenraum und einem Veranstaltungssaal. 1964 wurde die kleine
Synagoge wieder eingeweiht, in der seitdem wieder Gottesdienste der jüdischen
Gemeinde stattfinden. Der Umbau wurde von dem jüdischen Architekten Hermann
Guttmann (1917-1977) vorgenommen. Seit 1965 bemühte sich der
Gemeindevorsitzende Senator Julius Spokojny um die vollständige Renovierung der
Synagoge. 1975 begann das Landratsamt Augsburg mit Sicherungsmaßnahmen. Bis
1985 konnte die Renovierung abgeschlossen werden. Am 1. September 1985 konnte
in Anwesenheit von etwa 120 Mitgliedern der ehemaligen Gemeinde, die aus aller
Welt angereist waren, die Synagoge mit einem Festgottesdienst wieder eingeweiht
werden. Gleichzeitig wurde das Jüdische Kulturmuseum eröffnet werden.
Letzteres ist 2005/06 umfassend renoviert worden und wurde am 7. November 2006
wiedereröffnet: www.jkmas.de.
2017 wurde das hundertjährige Bestehen der Synagoge gefeiert. Eine
weitere Sanierung der Synagoge und des Museums ist ab 2020 geplant.
Adressen / Standorte der Synagogen:
| Synagoge bis 1917: Wintergasse 11 |
| Synagoge von 1917 bis 1938 und von 1985 bis zur
Gegenwart: Halderstraße 6-8 |
Fotos / Darstellungen:
Die alte Synagoge
in der Wintergasse |
|
|
|
|
|
Blick in die
Wintergasse mit Synagoge
(Toraerker in Bildmitte) (Radierung von
E. Paul
Tauenhahn, Anfang des 20.
Jahrhunderts; aus der Sammlung von
Peter Karl
Müller, Kirchheim/Ries) |
Innenansicht - Blick zum
Toraschrein
(Quelle: Pinkas Hakehillot s. Lit. S. 589,
Grünfeld: Ein Gang..., Römer:
Schwäb. Juden S. 267) |
Batmizwa
("Konfirmation" der Mädchen)
in der alten Synagoge. In der Mitte:
Rabbiner Dr. Richard Grünfeld
(Quelle: Römer: Schwäb. Juden S. 276) |
|
|
|
|
|
Entwurf der
neuen Synagoge |
|
|
Wettbewerbsentwurf
"Westlicher Vorhof" der neuen Synagoge von Fritz Landauer.
Quelle: Architekturmuseum
Schwaben in Augsburg |
|
|
|
Historische Ansichten der Neuen Synagoge
(Die mit * bezeichneten Fotos aus der
Sammlung
Harburger: Quelle: Central
Archives for the
History of the Jewish
People, Jerusalem; veröffentlicht in
Th.
Harburger: "Die Inventarisation
jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler
in Bayern.
1998). |
|
|
Blick auf die Synagoge von
der
Halderstraße
(Quelle: Eschwege s. Lit. S. 144) |
Im Innenhof* |
|
|
|
|
|
|
|
|
Im Innenhof*: Blick
auf den "Lebensbrunnen". Dieser ist aus fränkischem Rotmarmor
und wird von zwei sphinxartigen Gestalten mit dem Kopf des Widders und dem
Körper
eines Adlers getragen. Eingraviert ist das Bibelwort:
"Kommet, ihr Durstigen alle,
hier ist die Quelle" (Jesaja 55,1) |
Blick von der Empore zum
Toraschrein
und zur Orgelempore;
Quelle: Römer: Schwäb. Juden S. 266. |
|
|
|
|
|
|
Blick zum Toraschrein; die
Inschrift links
und rechts der heiligen Nische heißt
übersetzt: "Wisse,
vor wem du stehst".
(Quelle: Eschwege s. Lit. S. 145) |
Blick über die südliche
Empore.
Eine der Kugellampen ist zu sehen
sowie die Orgel über dem
Toraschrein*.
|
Vorhalle (heute Kassenraum des
Museums)
mit David-Brunnen, eingerichtet zur
Reinigung der Hände vor dem
Betreten
der Synagoge. Links daneben Namenstafeln
aus Granit mit den Namen
der Gefallenen
des Ersten Weltkrieges*. |
|
|
|
|
|
Blick zur Kanzel vor dem
Toraschrein
(aus der Sammlung der Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries) |
|
|
|
|
|
|
|
|
Innenhof
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries) |
|
|
|
Die Karte
wurde im "Verlag Schocken Kommanditgesellschaft, Zwickau"
erstellt;
Beschreibung: "Augsburg: Die Synagoge. Der Offene Vorhof,
ein malerisches, weihevolles Bild". |
|
|
|
Die zerstörte Synagoge:
1938 - 1985 |
|
|
Der Innenraum ist
zwar erhalten; die gesamte Inneneinrichtung
(von den Bänken bis zur Orgel)
ist zerstört |
|
|
Die 1985 wieder
eingeweihte Synagoge |
|
|
Postkarte von 1985
mit dem wiederhergestellten Innenraum. Die Menora auf der
Orgelempore ist
noch nicht vorhanden (Quelle: Jüdisches Kulturmuseum) |
|
|
Neue Fotos der Synagoge
(Fotos: Hahn, Datum: 5.3.2006) |
|
|
|
|
Hinweisschilder führen zur
Synagoge |
Die Synagoge an
der Halderstraße - Blick von Süden |
|
|
|
|
|
Blick auf die Westfassade |
Innenhof. Blick
auf den "Lebensbrunnen". Dieser ist aus fränkischem Rotmarmor
und
wird von zwei sphinxartigen Gestalten mit dem Kopf des Widders und dem
Körper
eines Adlers getragen. Eingraviert ist das Bibelwort:
"Kommet, ihr Durstigen alle,
hier ist die Quelle" (Jesaja 55,1) |
|
|
|
|
|
|
|
Gedenktafel für die
jüdischen
Gefallenen des Ersten Weltkrieges |
Widmungstafel neben der
Eingangstür
zum Verwaltungsgebäude zur Erinnerung
an die Einweihung der
Synagoge |
Die Rundbogenfenster an der
südlichen Mauer der Synagoge |
|
|
|
|
|
|
|
|
Blick zum
Toraschrein |
Blick zur Frauenempore und
zwei
der nördlichen Rundbogenfenster |
|
|
|
|
|
|
|
In der kleinen
Synagoge, die bereits 1963/64 renoviert und seitdem für Gottesdienste der
Gemeinde genützt wird.
In der Mitte Blick zum Toraschein; recht Schulchan/Bima
zur Vorlesung der Tora. |
|
|
Gesamtansicht (Quelle:
Jüdisches Kulturmuseum Augsburg) |
|
|
|
|
Blick zum Toraschrein |
|
|
|
|
|
|
Symbolik rechts
und links oberhalb des Toraschreins |
Menora über Toraschrein |
|
|
|
Einzelne neuere Presseberichte
August 2010:
25 Jahre Wiedereröffnung der Augsburger Synagoge mit dem Jüdischen
Kulturzentrum |
Artikel von Jutta Olschewski im "Sonntagsblatt Bayern" vom 29.
August 2010 (Artikel):
"Unter dem orientalischen Sternenhimmel
Vor 25 Jahren wurde Augsburgs Synagoge mit dem ersten jüdischen Kulturmuseum wiedereröffnet
Der 1. September vor 25 Jahren war für die Israelitische Kultusgemeinde in Augsburg ein Freudentag. Erstmals nach der
'Reichspogromnacht' konnte man wieder Gottesdienst in der prächtigen Synagoge feiern.
'Dort drüben war, nein ist der Platz meines Vaters, dort oben der meiner Mutter.' Vielen der Festgäste lief ein Schauer über den Rücken, als der inzwischen gestorbene Verleger Ernst Cramer am 1. September vor 25 Jahren bei der Wiedereinweihung der Augsburger Synagoge unter dem Sternenhimmel der Kuppel mit diesen Worten seine Festansprache begann. Seine Eltern und sein Bruder waren von den Nationalsozialisten umgebracht worden.
Cramer war nicht der einzige überlebende Augsburger Jude, der an diesem Tag nach über zehnjähriger Renovierungszeit den Weg in die Heimatstadt wiedergefunden hatte. Der Journalist Gernot Römer, der sich damals schon seit 15 Jahren mit dem Schicksal der schwäbischen Juden beschäftigte, hatte die Adressen dieser Menschen ausfindig gemacht und sich dafür eingesetzt, dass die Stadt sie einlud.
'Dieses Ereignis konnte man doch nicht ohne die Überlebenden feiern', denkt er zurück.
'Als Ernst Cramer sprach, war für viele die Synagoge wieder gegenwärtig', erinnert sich Römer.
Kontakte zu Franz-Josef Strauß. Jahrzehntelang hatte das große Gebäude in der Nähe des Augsburger Bahnhofs ein Aschenputtel-Dasein geführt. Die einzige Synagoge in einer bayerischen Großstadt, die das Naziregime überlebt hatte, für die stark dezimierte jüdische Gemeinde zu renovieren, schien manchen zu kostspielig. Es soll Stimmen gegeben haben, erzählt der damalige Bauleiter vom Landbauamt, Georg Frisch, die sich an dem Standort ein Möbelhaus vorstellen konnten. Aber es gab auch den Holocaust-Überlebenden Senator Julius Spokojny (1923 bis 1996), den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde. Ohne das unermüdliche 35-jährige Antreiben des tiefreligiösen, orthodoxen Juden wäre das Gebäude vielleicht nicht wieder so prächtig auferstanden. Spokojny nutzte dazu auch seine Kontakte zu Ministerpräsident Franz-Josef Strauß und anderen Politikern und war mit dem katholischen Bischof Josef Stimpfle befreundet.
Der Geschäftsmann, der wie ein Wunder bei einem Erschießungskommando in Osteuropa mit dem Leben davongekommen war, hatte sich nach 1945 die Restaurierung des Gotteshauses zum Ziel gesetzt. Und die geschändeten Thorarollen sollten neu geschrieben werden. Auch für das erste jüdische Kulturmuseum in Bayern setzte er sich ein, das am Tag der Wiedereinweihung eröffnet wurde. Als sein
'Hauptexponat' bezeichnete Spokojny damals die Synagoge selbst.
Das Jugendstil-Gebäude war 1917 nach dreijähriger Bauzeit mitten im Krieg
'ohne helle Jubelklänge' eingeweiht worden. Die Münchner Architekten Friedrich Landauer und Heinrich Lömpel hatten eine dem Zeitgeschmack entsprechende Synagoge mit orientalischen Anklängen entworfen. Etwa 800 Gläubige fanden in ihr Platz. Die geschätzten Baukosten von 520000 Mark überschritt man damals
'wesentlich', ist im Archiv zu lesen. Der prächtige Kuppelbau, der von Gebäudegruppen und einem Brunnenhof umgeben ist, erinnert an Hofanlagen der ersten jüdischen Tempel. Den Bauingenieur Frisch fasziniert in dem Gebäude bis heute, wie das religiöse Symbol des
'Lichts' betont wird. Die damals üblichen Kohlefaserlampen, die in ungezählten Birnen die Kuppel ausleuchteten, dürften einen rötlichen warmen Schein verbreitet haben, meint er.
Wie ein Schuttabladeplatz. Dass die Juden in Augsburg eine repräsentative Synagoge bauten
'war für sie eine logische Entscheidung, nichts Außergewöhnliches', sagte der Publizist Cramer bei der Wiedereinweihung. Die Gleichberechtigung und Zugehörigkeit zum deutschen Leben sei für die jüdischen Bürger Augsburgs selbstverständlich gewesen. Zwei Jahrzehnte später wurde dieses Lebensgefühl zerstört.
Am 9. November 1938 in der sogenannten Reichskristallnacht legten Nationalsozialisten in der Synagoge einen Brand. Die Feuerwehr löscht - wohl nur um einen Brand in der Innenstadt zu verhindern. Nach der 1942 bei der
'Wannsee-Konferenz' beschlossenen 'Endlösung der Judenfrage' werden auch die schwäbischen jüdischen Mitbürger deportiert und ermordet. Der als amerikanischer Soldat zurückgekehrte John Englander sieht die Synagoge 1945 wieder:
'Als wäre sie als eine Art städtischer Schuttabladeplatz benutzt worden,' zitiert ihn Gernot Römer in einem Artikel.
Die Renovierung der Synagoge beginnt erst im Jahr 1975. Sie kostete 4,2 Millionen Mark. Diese Kosten teilte sich der Freistaat, der Bezirk Schwaben, die Stadt Augsburg und die Israelitische Kultusgemeinde.
INFO:
- Die Augsburger Synagoge wird zwischen 1914 und 1917 von den Architekten Friedrich Landauer und Heinrich Lömpel im Jugendstil errichtet. Die jüdische Gemeinde hat damals 1200 Gemeindemitglieder.
- In der 'Reichspogromnacht' am 9. November 1938 legen Nazis einen Brand, den die Feuerwehr löscht. 1944 Kriegsschäden an dem Gebäude.
- 1975 beginnt die Sanierung. Sie kostet 4,2 Millionen DM und ist 1985 beendet."
" |
|
April 2014:
Hundert Jahre seit Grundsteinlegung der
Augsburger Synagoge |
Artikel von Benigna Schönhagen in der
"Augsburger Allgemeinen" vom 30. April 2014: "Tempel im
neuen Zentrum der Stadt.
Vor 100 Jahren wurde der Grundstein der Augsburger Synagoge gelegt.
Die Gemeinde musste erst eine Antwort finden, wie ein angemessener
jüdisches Gotteshaus aussieht..."
Link
zum Artikel |
|
Dezember 2016:
Über die Geschichte der
Synagogenorgel aus Augsburg - seit der NS-Zeit in der Weßlinger
Christkönigskirche
Anmerkung: Im Jahr 1939 wurde die durch die Orgelbaufirma H. Koulen &
Sohn 1917 erstellte Orgel für 3.500 Reichsmark (etwa ein Zehntel des
Anschaffungspreises von 14.600 Goldmark) an die katholische Gemeinde Christ
König in Weßling verkauft und blieb dadurch erhalten. 1985 lehnte die
jüdische Gemeinde Augsburg eine Rückführung ab, da kein Bedarf bestand. Es
ist die einzige in Bayern erhaltene Synagogenorgel aus der Zeit vor 1938.
|
Artikel von Katja Sebald in der
"Süddeutschen Zeitung" vom 30. Dezember 2016: "Weßling. Weßlings
'Judenorgel' In der Nazizeit erwarb der damalige Weßlinger Pfarrer
für seine Christkönigkirche die Orgel der Synagoge in Augsburg - Historiker
Willibald Karl spricht heute von einem Notverkauf.
Die eigenwillig geformte Turmhaube der Christkönigkirche ist das Wahrzeichen
von Weßling, sie steht aber auch für die düstere Geschichte des 20.
Jahrhunderts: Gegen alle Widrigkeiten der Zeit stemmten die Weßlinger in den
Jahren 1938 und 1939 einen Kirchenneubau, den sie noch zwei Monate nach
Beginn des Zweiten Weltkriegs einweihen konnten. Dass sie mitten im Krieg
auch eine Orgel für ihr neues Gotteshaus anschaffen konnten, verdankten sie
dem Unglück der jüdischen Kultusgemeinde in Augsburg. Die Weßlinger
'Judenorgel' ist ein dunkler Fleck in der Geschichte des kleinen Dorfs, den
man gerne ausradieren wollte. Im Vorfeld zur Feier des hundertjährigen
Bestehens der Augsburger Synagoge wurden jetzt aber noch einmal Stimmen
laut, die eine Rückgabe der Orgel forderten..."
Link zum Artikel
Link zur Pfarrereiengemeinschaft Weßling:
http://www.pg-wessling.de/
|
Links: die aus der Synagoge in Augsburg stammende Orgel in der Katholischen
Kirche Christkönig in Weßling.
Foto aus Wikimedia Commons (verlinkt mit Wikipedia-Artikel "Synagogenorgel"
mit Quelle: Foto des bayerischen Baudenkmals mit der BLfD-Aktennummer
D-1-88-144-9 (Urheber: K. Baas). |
|
Dezember 2016/Oktober
2017: Diskussionen um die Verlegung
von "Stolpersteinen" oder alternativen Erinnerungszeichen
in Augsburg
Anmerkung: viele Jahre wurde in Augsburg diskutiert, ob in der Stadt
"Stolpersteine" des Künstlers Gunter Demnig verlegt werden
sollen. Im März 2016 wurde ein Kompromiss in der Richtung gefunden, dass
Stolpersteine auf öffentlichem Grund verlegt werden können oder auch ein
alternatives Erinnerungszeichen angebracht werden kann. Bei letzterem
handelt es sich um eine Manschette aus Bronze, das an Laternenmasten
angebracht werden kann. Letzteres ist zwar teurer, doch können auf ihm
mehrere Opfernamen zugleich eingraviert werden. Anträge zur Verlegung
oder Anbringung können von Angehörigen oder von bürgerschaftlichen
Initiativen gestellt werden; letztere sind vor allem die
"Erinnerungswerkstatt Augsburg" oder der "Initiativkreis
Stolpersteine". Am 4. Mai 2017 wurden die ersten 12 Stolpersteine auf
öffentlichem Grund (es gibt bereits zwei auf privatem Grund) an sechs
Standorten verlegt (Wertachstraße, Hermannstraße,
Maximilianstraße, Lindenstraße, ehemaliges Stadtbachquartier und
Martin-Luther-Platz). |
vgl. Artikel von Ina Kresse in der
"Augsburger Allgemeinen" vom 15. Dezember 2016: "So
erinnert Augsburg künftig an Opfer des NS-Regimes..."
Link
zum Artikel |
|
Artikel (Kommentar) in der "Augsburger
Allgemeinen" vom 6. Mai 2017: "Streit um Augsburger
Stolpersteine: Mehr Transparenz ist nötig..."
Link
zum Artikel |
Artikel von Andreas Jalsovec im
"Sonntagsblatt" vom 11. Mai 2017: "Gedenken an NS-Opfer. Augsburg bekommt
Stolpersteine
Es war ein langer Weg bis zu diesem Kompromiss: Stolpersteine und
Erinnerungsbänder erinnern im Augsburger Stadtgebiet an die Verfolgten, die
während der NS-Zeit ums Leben gekommen sind.
Auf diesen »Augsburger Weg« hat sich der Stadtrat im vergangenen Jahr
geeinigt. Neben den pflastersteingroßen Stolpersteinen des Künstlers Gunter
Demnig gibt es für die NS-Opfer auch Erinnerungsbänder aus Messing, die an
Masten angebracht werden. Zwölf Stolpersteine verlegte Demnig jetzt im
Stadtgebiet. Die Augsburger Erinnerungswerkstatt brachte zwei der
Messingbänder an, erläutert Nikolaus Hueck. Der evangelische Pfarrer ist
Mitorganisator der Erinnerungswerkstatt..."
Link zum Artikel |
Zur Diskussion um die
"Stolpersteine" in Augsburg Artikel von Christian Rost in der
"Süddeutschen Zeitung" vom 19. Oktober 2017: "'Die Stolpersteine sind keine
Grabsteine'. Stolpersteine in Augsburg. In Augsburg wird über den Opferbegriff gestritten - denn Stolpersteine sollen auch an Überlebende des NS-Regimes und ihre Familien erinnern. Doch das passt dem Kulturreferenten nicht..."
Link
zum Artikel |
|
Oktober 2017:
Dritte Verlegung von "Stolpersteinen" in
Augsburg |
Artikel von Fridtjof Atterdal in der
"Augsburger Allgemeinen" vom 15. Oktober 2017: "AUGSBURG.
Drei Stolpersteine und eine Menge Unverständnis
Zum Gedenken an Opfer der Nationalsozialisten wurden zum dritten Mal Erinnerungszeichen verlegt. Fünf Opfer hat die Stadt nicht anerkannt. Was Initiator Gunter Demnig sagt.
Zum dritten Mal sind in Augsburg am Samstag zum Gedenken an die Opfer des NS-Regimes Stolpersteine verlegt worden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig setzt an fünf öffentlichen Orten Erinnerungszeichen – einige davon nur symbolisch, weil sie von der Stadt nicht genehmigt worden waren. Ursprünglich sollte acht Opfern gedacht werden.
Mit einem Trennschleifer schnitt Künstler Demnig im Beisein von Oberbürgermeister Kurt Gribl an der Ulmer Straße ein Stück aus dem Asphalt, gerade breit genug für zwei Pflastersteine. Doch nur auf dem einen Stein ist eine Messingplakette mit den Daten des Augsburger Stadtrats Leonhard Hausmann angebracht, der zweite Stein ist leer. Mit ihm sollte Hausmanns Ehefrau Wilhelmine gedacht werden, die von den Nationalsozialisten in Sippenhaft genommen worden war und Zeit ihres Lebens unter den Auswirkungen litt. Weil sie überlebte, lehnte der Stadtrat ihren Stein aber ab.
Enkelin aus Frankreich angereist. 'Wir durften den Namen 'Hartl' (Leonhard) im Beisein der Oma nie erwähnen', berichtet die aus Frankreich angereiste Enkelin Andrea Halbritter. Das Geschehen habe die Großmutter gezeichnet und traumatisiert.
'Natürlich muss man eine Auswahl treffen, wer einen Gedenkstein bekommt', so die
Nachfahrin. 'Aber ich verstehe nicht, warum Augsburg so einen anderen Opferbegriff verwendet, als andere Städte.
Oberbürgermeister Gribl, der auf der Veranstaltung nicht sprach, sagte am Rande, es sei gut, dass es mit dem Initiativkreis einen Dialog gebe. Doch es sei schade, dass es nach so langen Diskussionen nun doch wieder zu Unstimmigkeiten komme. In Augsburg gebe es neben den Stolpersteinen mit den Erinnerungsbändern und -Stelen weitere Formen des Gedenkens.
'Es geht darum, die jeweils richtige Form des Erinnerns zu finden', sagte er. Man werde sich aber mit jedem einzelnen Fall befassen und eine Entscheidung treffen, so der OB.
Opfer würden für ihr Überleben nachträglich bestraft. An der Branderstraße, dem ehemaligen Wohnort des NS-Opfers Alfred Samüller, wurde kein Stein verlegt, sondern nur des Mannes gedacht, der für seine Überzeugung von den Nazis zunächst im Gefängnis Katzenstadel und später in Dachau inhaftiert und 1939 wieder freigelassen worden war. Urenkel Alexander Riggle nahm den Stein entgegen und berichtete vom Leben seines Urgroßvaters. Auch er äußerte Unverständnis darüber, dass Opfer für ihr Überleben nachträglich bestraft würden.
Der Vorsitzende des Initiativkreis Stolpersteine, Thomas Hacker, bezeichnet die Situation mit der Stadt als festgefahren.
'Ich habe aus dem Kulturreferat die klare Aussage, dass es keine Ausnahmen geben
wird', sagt er. Das wiederspreche dem Stadtratsbeschluss zu den Stolpersteinen.
Wie berichtet, hat der Stadtrat entschieden, dass als Opfer des NS-Regimes gilt, wer unter den Nationalsozialisten zu Tode gekommen oder an den Folgen von Inhaftierung, Flucht oder Zwangsarbeit gestorben ist. Allerdings gibt es in dem Schriftstück, das den sogenannten
'Augsburger Weg' definiert, eine Ausnahmeregelung, die von einem Fachbeirat jeweils gesondert geprüft werden soll. Für eine solche Ausnahme müssten
'nachvollziehbare Gründe' vorliegen. 'Wir akzeptieren, dass jeder Fall geprüft
wird', so Hacker. Doch man müsse sich fragen, was die Aufgabe des Fachbeirates ist, wenn das Ergebnis schon vorher feststeht.
Europaweit 60.000 Steine. Künstler Demnig verteidigt sein Konzept, mit dem mittlerweile in Europa mehr als 60.000 Stolpersteine an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.
'Es sind keine Grabsteine', sagt er. 'Wer unter den Nationalsozialisten gelitten, wer im Konzentrationslager war, ist ein Opfer – auch wenn er es überlebt
hat' sagt er. Seine Stolpersteine führten auch Familien zusammen, die von den Nazis zerrissen wurden.
'Wer so etwas beschließt, dem fehlt jegliche Empathie', sagt er mit Blick auf den Augsburger Weg.
Neben den genannten, wurden im Findelgäßchen Stolpersteine für Josefa Miller und und in der Metzstraße für Clemens Högg verlegt. Eine symbolische Verlegung gab es für Josef Felder, Maria Rothkopf (geborene Miller) und Rosa Högg." |
|
September 2019:
Wo man in Augsburg jüdische
Geschichte erleben kann |
Artikel von Lisa Gilz in der "Augsburger
Allgemeinen" vom 15. September 2019: "Wo man in Augsburg jüdische
Geschichte erleben kann.
Das Jüdische Museum in Augsburg veranstaltet einen Tag der offenen Tür. Aber
Hinweise auf die Geschichte der jüdischen Gemeinschaft finden sich in der
ganzen Stadt.
Nach dem zweiten Weltkrieg sind nur 25 Menschen der Jüdischen Gemeinde
Augsburg wieder zurück in die Stadt gekommen - heute hat die Gemeinde wieder
1500 Mitglieder. Auf die Geschichte der jüdischen Gemeinde vor, während und
nach dem Krieg weisen Straßennamen, Stolpersteine und Gebäude in Augsburg
hin.
In der Dauerausstellung des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben können
Besucher die Spuren der jüdischen Vergangenheit und das aktuelle jüdische
Leben entdecken. Dr. Barbara Staudinger ist die Direktorin des Museum und
erklärt: 'Es ist unsere Aufgabe, die Geschichte zu tragen, zu ertragen und
dafür zu sorgen, dass sie nicht in Vergessenheit gerät.' Damit will die
jüdische Gemeinde sich nicht als Gruppe ausgrenzen, sondern durch Geschichte
darauf hinweisen, dass jeder Mensch ein Mensch ist und nicht durch Religion
oder Herkunft definiert werden soll. Zum Anlass des 20. europäischen Tags
der jüdischen Kultur veranstaltet das Museum einen Tag der offenen Tür. Aber
nicht nur in den Räumlichkeiten des Museums und in der Synagoge trifft man
in Augsburg auf die Geschichte der jüdischen Gemeinde.
Die jüdische Familie Landauer bescherte Augsburg das erste Warenkaufhaus.
Während die jüdische Gemeinde in Augsburg heute wieder wächst, bewegen
die Mitglieder sich zurückhaltend in der Gesellschaft, weil sich noch nicht
jeder sicher fühlt. Vor dem Krieg war das anders. Augsburg als Textilstadt
war vor allem durch die Arbeit jüdischer Familien so erfolgreich. 1906
eröffnete die Familie Landauer das erste Warenkaufhaus in Augsburg. Sie
musste es 1934 verkaufen, aber bis heute wurde das Gebäude erhalten, auch
wenn es zwischendurch renoviert wurde. Seit letztem Jahr sind neue Geschäfte
in das ehemalige K&L Gebäude am Königsplatz gezogen. Mittlerweile teilen
sich die Bäckerei Schubert, Rewe, Starbucks, die Modekette Cos, und
Hunkemöller das Gebäude.
Augsburger Stolpersteine: An das Schicksal jüdischer Leben erinnern.
In ganz Europa verteilt erstreckt sich das weltweit größte Mahnmal, das sich
an mehreren Orten gleichzeitig befindet, aber zusammengehört: Die
Stolpersteine von Gunter Demnig. Der Künstler hat 1992 angefangen, die
Steine zu verlegen. Insgesamt 70.000 Steine erinnern an die Menschen, die in
der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben, deportiert oder
ermordet worden sind. In Augsburg gibt es insgesamt 21 Stolpersteine, die zu
diesem Mahnmal gehören. Eine Ausnahme zu den personenbezogenen Steinen,
bildet der Stolperstein für das Schirmgeschäft von Jakob Oberdorfer. Das
Geschäft befand sich in der Maximilianstraße 17 und wurde dem Eigentümer
1938 enteignet, ein Schicksal, das auch andere jüdische Geschäfte in der
Zeit traf.
Vom Judenberg zum Paul-Ben-Haim-Weg in Augsburg. Im Mittelalter
wurden Straßen häufig nach den Gruppen benannt, die in der Straße wohnten.
So gab es im Mittelalter die Judengasse und den Judenberg. Erhalten blieb
nur der zweite Straßenname - er ist wohl einer der bekannteren in Augsburg,
denn der Weg führt direkt aus der Innenstadt in die Altstadt. In Form von
Straßennamen gedenkt Augsburg aber auch wichtigen jüdischen Personen der
Stadt. Etwa mit der Oberbürgermeister-Dreifuß-Straße. Ludwig Dreifuß kehrte
nach dem Krieg nach Augsburg zurück und wurde von den Alliierten zum
Oberbürgermeister ernannt. Er bekam am 7. November 1952 das
Bundesverdienstkreuz verliehen. Auch Paul Ben-Haim bekam 1972 das
Bundesverdienstkreuz. Der israelische Komponist war von 1924 bis 1931
Kapellmeister in Augsburg. 2010 wurde nach ihm ein Fußweg entlang der
Wertach benannt: Der Paul-Ben-Haim-Weg."
Link zum Artikel |
|
November 2019:
Fünfte Verlegung von
"Stolpersteinen" in Augsburg |
Artikel in der "Stadtzeitung" vom 10.
Oktober 2019: " Gunter Demnig verlegt zum fünften Mal Stolpersteine in
Augsburg.
Treffpunkt zu Verlegung: Augsburg: Theresienstraße 1 | Mo, 04.11.2019,
14:30 Uhr.
Inzwischen erinnern in Augsburg bereits 33 Stolpersteine an ganz
unterschiedliche Opfer des Naziregimes: an politisch Verfolgte, an Juden und
an Jenische. 20 davon durften in den Boden eingelassen werden, 13 noch
nicht. Nun, beim 5. Besuch Gunter Demnigs, werden acht weitere Steine
feierlich verlegt, darunter erstmalig für Opfer der bis heute wenig
beachteten Krankenmorde durch die Aktion T-4 in 6 zentralen Tötungsanstalten
und nach deren Abbruch durch die sogenannte Entzugskost, sowie der Zeugen
Jehovas, die aus religiösen Gründen Kriegsdienst und Hitlergruß
verweigerten. Veranstaltungsort (Treffpunkt zur ersten Verlegung):
Theresienstraße 1. Die weiteren Verlegorte finden sich unter
www.stolpersteine-augsburg.de.
Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat mit dem 1992 gestartetem Projekt
'Stolpersteine' mit 70.000 verlegten Steinen in 1285 Kommunen und in 24
Staaten Europas das größte dezentrale Mahnmal der Welt geschaffen.
Veranstalter: Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung"
Link zum Artikel |
2017: Die Augsburger Synagoge wurde 100
Jahre alt
Ein besonderes
Jubiläum wurde 2017 gefeiert: Die Einweihung der Großen Synagoge in der Halderstraße jährte sich am 4. April 2017 das 100. Mal. Die Israelitische Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg feierte dies mit einem großen Festakt am 28. Juni, umrahmt vom Philharmonischen Orchester der Stadt Augsburg. Das Jüdische Kulturmuseum Augsburg-Schwaben organisierte anlässlich dieses in Deutschland seltenen Jubiläums von April bis Juni ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm mit Vorträgen, öffentlichen Führungen, Konzerten, Ausstellungen und einer Family
Reunion: Nachfahren von Juden, die die Nationalsozialisten aus Augsburg vertrieben,
konnten Ende Juni nach Augsburg reisen und sich auf Spurensuche begeben.
Weitere Informationen finden sich in der Website des Jüdischen
Kulturmuseums Augsburg-Schwaben: www.jkmas.de
Übersicht über das Jahresprogramm: http://www.jkmas.de/2017/01/100-jahre-synagoge-augsburg-jubilaeumsprogramm-des-juedischen-kulturmuseum/#more-6784
Link zum Artikel in hagalil.com vom 13. März 2017: "100 Jahre Synagoge
Augsburg..."
https://www.hagalil.com/2017/03/synagoge-augsburg/ |
Die Synagoge im
Jubiläumsjahr
(Pressefotos des Jüdischen Kulturmuseums
Augsburg-Schwaben www.jkmas.de
Franz Kimmel) |
|
|
|
|
|
|
|
Die Kuppel der
Synagoge |
Das
Westfenster |
|
|
|
|
|
|
Februar
2018: Rückblick auf
das Jubiläumsjahr 2017 - Interview mit Gemeinderabbiner Dr. Henry Brandt
|
Artikel
von Carina Sirch in der "Augsburger Allgemeinen" vom Februar 2018: "Schalom
Augsburg
Im vergangenen Jahr wurde die Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde
Schwaben-Augsburg 100 Jahre alt. Ein Interview mit Gemeinderabbiner Dr. h.
c. Henry Brandt.
Jüdisch. Was bedeutet das? Überwiegend denkt man bei diesem Thema immer an
die Vergangenheit, schreckliche Taten und Leid. Doch wie lebt es sich heute
als jüdischer Mitbürger in Augsburg? Um diese Frage zu klären, zieht es mich
zur Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben – Augsburg (IKG Schwaben –
Augsburg). Die Gemeinderäume befinden sich direkt an einer der ältesten
erhaltenen Synagoge Deutschlands in der Halderstraße 6–8. Im vergangenen
Jahr feierte diese 100-jähriges Jubiläum. Als eine der wenigen Synagogen
wurde diese nicht in der Reichspogromnacht 1938 dem Boden gleichgemacht.
Dennoch wurde sie geschändet und entweiht. Als ich mich an die IKG Schwaben
– Augsburg mit der Bitte wende, eine jüdische Familie in ihrem Alltag zu
begleiten, stoße ich auf Hindernisse. Keines der 1500 Mitglieder ist zu
einem Treffen bereit. Die Frage nach dem „Warum“ kreist durch meinen Kopf.
Doch der ehemalige Landesrabbiner und heutige Gemeinderabbiner Dr. h. c.
Henry G. Brandt hilft mir zu verstehen.
Henry Brandt: Der Hintergrund der meisten Mitglieder ist schwierig. Da sie
aus der ehemaligen Sowjetunion kommen haben sie gelernt „Je weniger ich
sage, besonders im öffentlichen Bereich, desto sicherer bin ich“. Die
Menschen waren es gewohnt, mit Gefahr zu leben; das merkt man noch heute in
deren Verhalten. Allerdings möchte man sich damit nicht selbst isolieren,
nein, es ist eher eine gewisse Unsicherheit, die vorherrscht.
Wie sieht der Alltag als jüdischer Mitbürger in Augsburg aus? Brandt:
Im Großen und Ganzen lebt es sich ganz normal. Die Menschen laufen nicht den
ganzen Tag herum und sagen: „Wir sind Mitglieder der jüdischen Gemeinde“.
Sie leben je nach ihrem Status, ihrem Beruf oder ihrer Situation wie jeder
andere auch. Ich glaube, dass bei fast allen das religiöse Motiv nicht im
Vordergrund steht. Ein Großteil der Gemeinde kam aus der ehemaligen
Sowjetunion. Bei vielen war in ihrer Heimat Religion seit einer langen Zeit
verpönt. Es gab sehr wenig Gemeinden und Synagogen. „Jude sein“ war für die
meisten eine ethnische Zugehörigkeit. Und so leben sie nun hier mit dem
Wunsch, sich zu integrieren. Im Laufe der Zeit kristallisierte sich das
Bewusstsein heraus, dass sie zur jüdischen Religion gehören. So kommt zum
Alltag das Element hinzu, dass sie am Wochenende, zu Feiertagen oder den
kulturellen Veranstaltungen in die Synagoge kommen und sich als Teil der
Gemeinde sehen.
Würden Sie die jüdische Gemeinde als aktive Gruppe bezeichnen?
Brandt: Ich würde sie schon als sehr aktive Gemeinde bezeichnen. Was man
aber nicht im rein religiösen Bereich interpretieren darf, sondern auch in
gesellschaftlichen Bereichen. Die jüdische Gemeinde erfüllt verschiedene
Funktionen. Wir haben viele Leute, die Hilfe bei der Integration brauchen.
Auch ältere Menschen, die Probleme mit der Sprache haben, besuchen uns. Der
Kontakt zu Gleichgesinnten, die ein ähnliches Schicksal hinter sich haben,
ist wichtig.
Bezieht sich das rege Interesse auch auf die Jugendlichen? Brandt:
Die Jugendlichen sind meist sehr beschäftigt und besonders im Studium sehr
engagiert. Sodass ich sagen würde, es könnte noch reichhaltiger werden. Die
jungen Leute sind sehr gut integriert und in der deutschen Sprache fließend.
Ist es heutzutage schwer, den Glauben auszuleben? Brandt: Eher nicht.
Wer will, der kann. Wenn man von seinem Glauben überzeugt ist, dann schafft
man das auch. Es gibt genügend Arbeiten, bei welchen man nicht samstags
arbeiten muss – sodass man zum Beispiel den Sabbat einhalten kann.
Der Sabbat ist ein Tag der Ruhe und Besinnung. Arbeit oder körperliche
Anstrengung ist verboten – das klingt sehr strikt. Würden Sie sagen, dass er
das Leben einschränkt? Brandt: Die Restriktionen stammen ursprünglich
von dem Gebot, keine kreative Arbeit zu verrichten. Im Laufe der Zeit haben
sich da verschiedene Interpretationen breitgemacht, die vieles regulieren.
Es gibt Leute, die versuchen den Sabbat zu 100 Prozent einzuhalten, aber das
ist nur theoretisch möglich. Und solche, die überhaupt nichts einhalten.
Dazwischen gibt es aber alles Mögliche. An und für sich ist der Sabbat so
angelegt, ein freudiger Tag zu sein um Muse für seine Familie zu haben. Er
soll ein Tag der Freude, der Erholung, geistig, seelisch aber auch
körperlich sein.
Wie haben Sie die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum der Synagoge
Augsburg empfunden? Brandt: Sie entsprachen dem, wie ich sie mir
vorgestellt habe. Klotzen und nicht kleckern. Dem Anlass angemessen und auf
der Bühne, die ihr zusteht.
Wie sieht die Zukunft der jüdischen Gemeinde aus? Brandt: Wir hoffen,
in absehbarer Zeit den gesamten Komplex zu sanieren. Wir planen weiter, hier
zu sein. Wie sich das entwickelt – wer ist schon Prophet – aber wir sehen,
dass die jüdische Gemeinde hier eine Zukunft hat. Wir sind voller
Zuversicht."
Link zum Artikel |
|
November 2019:
Bundesmittel für die Sanierung der
Synagoge und des Museums werden bereitgestellt |
Pressemitteilung der Stadt Augsburg vom 15. November 2019: "Bundesmittel
für Augsburger Synagoge werden von 6 auf 13 Millionen Euro erhöht
In der gestrigen Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses sind 7 Mio.
Euro für die Augsburger Synagoge in den Bundeshaushalt eingestellt worden.
Sobald ergänzende Mittel von Stadt und Freistaat zur Verfügung stehen,
können nun die Sanierungsarbeiten, die Neugestaltung des Museums und das
erweiterte Sicherheitskonzept umgesetzt werden.
Der Augsburger Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich (CSU) empfindet die
Zusage als wichtige Entscheidung: ' Das ist eine gute Nachricht für die
jüdische Gemeinde und für ganz Augsburg. Die israelitische Kultusgemeinde
Schwaben-Augsburg erhält damit Planungssicherheit für die Sanierung der
Synagoge. Ich bin dankbar, dass die Synagoge, dieses wunderbare Zeugnis
jüdischen Glaubens, saniert und zusätzlich auf neue Sicherheitsanforderungen
eingestellt werden kann. Der Einsatz für den notwendig gewordenen Mehrbedarf
hat sich gelohnt. Mein Dank gilt den Mitgliedern des Haushaltsausschusses,
insbesondere den Berichterstattern für den Kulturetat mit denen die
Verdoppelung der Mittel verhandelt wurde. Damit leistet der Bund einen
starken Beitrag für die Sanierung der Synagoge. Die weitere Finanzierung
wird der Freistaat Bayern leisten. Auch hier bin ich in intensiven
Gesprächen.
Die Synagoge ist ein über 100 Jahre altes Zeugnis jüdischen Glaubens und
Begegnungsort in unserer Stadt. Verbundenheit mit jüdischen Mitbürgern und
Entschlossenheit gegen jede Form von Antisemitismus sind in Deutschland
wieder wichtiger denn je geworden. Wir lassen die Synagoge als eine der
ältesten und schönsten in Deutschland mit den Sanierungskosten nicht allein
und stehen fest an der Seite der jüdischen Gemeinde in Augsburg.' Auch
Ulrike Bahr, Augsburger SPD-Bundestagsabgeordnete freut sich über die
Zusage: 'Die Ereignisse von Halle haben uns alle geschockt und unzweifelhaft
ist das Klima für Jüdinnen und Juden in Deutschland rauer geworden. Gerade
deshalb ist es wichtig, auf allen Ebenen ein Zeichen zu setzen und jüdisches
Leben und Kultur bei uns zu stärken und zu unterstützen! Darum freue ich
mich sehr, dass meine Gespräche mit unserem Haushälter und meine Werbung für
die Augsburger Synagoge erfolgreich waren und der Bund sich nun mit mehr als
50% an den voraussichtlichen Kosten beteiligen wird. Die Augsburger Synagoge
ist ein eindrucksvolles und in seiner Art einmaliges Zeugnis jüdischer
Kultur in Deutschland mit einer einzigartigen Bildausstattung. Die
Verbindung von Synagoge, aktiver Gemeinde und Museum ist für mich ein
zentraler Ort in der Stadt, an dem wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt
in der Friedensstadt erlebbar machen können. Darum ist es sehr gut, dass
Bund, Land und Stadt jetzt gemeinsam den Erhalt und die Erweiterung von
Synagoge und Museum mitfinanzieren. Mit Harald Güller, dem
haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag,
fordere ich darum den Freistaat auf, seinerseits den Landesanteil für die
Instandsetzung der Synagoge zügig in den Nachtragshaushalt einzustellen."
Link zum Artikel |
|
Dezember 2019:
Die Synagoge wird für 27 Millionen
Euro saniert |
Artikel
im "Donau-Kurier" vom 5. Dezember 2019: "Augsburger Synagoge wird für 27
Millionen Euro saniert
Augsburg Die Augsburger Synagoge zählt zu den wenigen in Deutschland,
die den Naziterror weitgehend unzerstört überstanden haben. Nun steht eine
große Sanierung an. Für Markus Söder ist das mehr als die Renovierung eines
Denkmals.
Die mehr als 100 Jahre alte Augsburger Synagoge soll für rund 27 Millionen
Euro generalsaniert werden. Die Arbeiten sollten im Lauf des kommenden
Jahres beginnen, sagte Architekt Martin Spaenle am Donnerstag aus Anlass
eines Besuchs von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in dem Gotteshaus.
Die Sanierung sei auch ein politisches Signal, sagte Söder. 'Für uns ist
jüdisches Leben ein besonderes Anliegen', sagte der CSU-Chef. Die Bekämpfung
des Antisemitismus sei eine Herausforderung. 'Ein Angriff auf Sie ist ein
Angriff auf uns', sicherte er der Israelitischen Kultusgemeinde in Augsburg
zu. Die Gemeinde muss zehn Prozent der Sanierungskosten selbst aufbringen,
die restlichen Kosten kommen aus verschiedenen Fördertöpfen. Der Bund trägt
allein etwa die Hälfte der Summe. Nachdem die letzte große
Modernisierungsmaßnahme etwa 40 Jahre her sei, stünden nun erneut erhebliche
Arbeiten an, erklärte Spaenle. So muss die gesamte Haustechnik und das
Abwassersystem erneuert werden. Für das Jüdische Museum in dem
Gebäudekomplex soll ein Multifunktionsraum geschaffen werden. Auch die
Sicherheitsmaßnahmen sollen in erheblichem Umfang ausgebaut werden. Seit dem
Attentat auf die Synagoge in Halle steht das Thema der Sicherheit der
jüdischen Gotteshäuser besonders im Fokus der Gemeinden und der Politik.
Die Augsburger Synagoge ist die einzige Großstadtsynagoge in Bayern, die den
Terror der Nationalsozialisten weitgehend unbeschadet überstanden hat. Die
Faschisten steckten zwar auch diese Synagoge in der Pogromnacht 1938 an,
wegen einer benachbarten Tankstelle ließen die Nazis das Bauwerk aber nicht
abbrennen. Im Jahr 2017 hatte die Synagoge das 100-jährige Bestehen
gefeiert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete das Gotteshaus
bei dem Festakt als eine der schönsten Synagogen Deutschlands. Beim Bau der
Synagoge kombinierten die Architekten Stilmerkmale der Antike, des
Jugendstils und der Neuen Sachlichkeit mit byzantinischen und orientalischen
Elementen. Als der Monumentalbau am 4. April 1917 eingeweiht wurde, sprach
der Rabbiner von einer 'Zierde der Stadt'. Das Bauwerk galt über Augsburg
hinaus als Idealtyp einer modernen Synagoge. Bis heute wird das Gotteshaus
mit der 29 Meter hohen Kuppel zu den herausragenden Synagogen Europas
gezählt."
Link zum Artikel |
|
Februar 2020:
Die Finanzierung der Synagoge ist
gesichert |
Artikel
in br.de vom 13. Februar 2020: "Freistaat gibt Millionensumme für
Augsburger Synagoge
Für 25 Millionen Euro soll in den kommenden Jahren die Augsburger Synagoge
saniert werden. Auch der Freistaat beteiligt sich an den Kosten: Laut dem
schwäbischen SPD-Abgeordneten Harald Güller werden 4,5 Millionen Euro
fließen. Mehrere Millionen vom Freistaat für die Augsburger Synagoge: "Damit
kann man jetzt sicherlich mit der Sanierung beginnen", meint Harald Güller,
schwäbischer SPD-Landtagsabgeordneter und haushaltspolitischer Sprecher
seiner Fraktion. Vor Beginn der Nachtragshaushalts-Beratungen im
Haushaltsausschuss bestätigte Güller dem BR-Studio Schwaben, dass der
Freistaat einen Zuschuss in Höhe von 4,5 Millionen geben will. Dieses Jahr
sollen davon 2,3 Millionen Euro freigegeben werden, die restlichen 2,2
Millionen Euro sind Güller zufolge für die kommenden Jahre eingeplant.
25 Millionen Euro für Synagoge Güller geht davon aus, dass die
Planungen für die Sanierung der historischen Synagoge in der Augsburger
Innenstadt etwa ein Jahr dauern werden. Die eigentlichen Sanierungsarbeiten
werden ihm zufolge dann drei bis vier Jahre beanspruchen. Die Gesamtkosten
werden auf 25 Millionen Euro beziffert. Der Bund soll die Hälfte dieser
Summe übernehmen. Die Israelitische Kultusgemeinde in Augsburg wird laut
Güller zehn Prozent der Kosten stemmen.
Augsburger Stadtgesellschaft ist gefragt. Der Augsburger
SPD-Abgeordnete sieht aber auch die Stadtgesellschaft in der Pflicht und
denkt dabei etwa an Benefizkonzerte und das Sammeln von Spenden. Die
Synagoge müsse als Baudenkmal erhalten bleiben. Außerdem müsse die Stadt ein
Zeichen setzen für ein gemeinsames jüdisches Leben mit anderen Religionen.
Unterstützung für jüdische Gemeinden. Gerade der Anschlag auf die
Synagoge in Halle an der Saale habe gezeigt, dass die
Sicherheitsvorkehrungen an jüdischen Gotteshäuser verbessert werden müssten,
so Güller. Die Kosten dafür könnten nicht der jüdischen Gemeinde überlassen
werden, hier sei der Freistaat gefordert."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur (Auswahl der verwendeten Literatur):
| Richard Grünfeld: Ein Gang durch die Geschichte der
Juden in Augsburg. Augsburg 1917. |
| Helmut Eschwege: Die Synagoge in der deutschen
Geschichte. Wiesbaden 1980. |
| Harold Hammer-Schenk: Synagogen in Deutschland. Geschichte
einer Baugattung im 19. und 20. Jahrhundert. Teil I S.
454.486.495ff.506.509.532.589; Teil II Abb. 450-455. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 583-594 (mit
zahlreichen Literaturangaben vor 1972). |
| Hans-Peter Schwarz (Hrsg.): Die Architektur der
Synagoge. Stuttgart 1988. S. 269-272. |
| Haus der Bayrischen Geschichte. Exkursionsblätter
zur Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Blatt. Auf den Spuren
jüdischen Lebens in Augsburg. 1990. |
| Peter Fassl: Die wirtschaftliche und soziale
Stellung der Juden in Augsburg im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. In:
Peter Fassl (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben.
Irseer Schriften Bd. 2 1994 S. 129-146. |
| Hans K. Hirsch: Die wirtschaftliche Verdrängung der
Juden in Augsburg. In: Peter Fassl (Hg.): Geschichte und Kultur der
Juden in Schwaben. Irseer Schriften Bd. 2 1994 S. 147-155. |
| Gernot Römer: Das Ende der jüdischen Gemeinde in
Schwaben. In: Peter Fassl (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in
Schwaben. Irseer Schriften Bd. 2 1994 S. 177-186. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 453-460. |
| Gernot Römer: Die Austreibung
der Juden aus Schwaben. Schicksale nach 1933 in Berichten, Dokumenten,
Zahlen und Bildern. Augsburg 1987. |
| ders.: Der Leidensweg der Juden in
Schwaben. Schicksale von 1933-1945 in berichten, Dokumenten und Zahlen.
Augsburg 1983. |
| ders.: Schwäbische Juden. Leben und
Leistungen aus zwei Jahrhunderten. Augsburg 1990. |
| Zu Oberbürgermeister/Bürgermeister Ludwig Dreifuß:
Gernot Römer: Schwäbische Juden S. 234-235. |
| Sabine Klotz: Fritz Landauer. Leben und Werk eines
jüdischen Architekten. Berlin 2001. vgl. die Seite
bei HaGalil.com |
| Bericht von 2006: "Volldampf voraus!"
Rabbiner, Vorsitzender und neuer Jugendleiter bringen die Augsburger
Gemeinde wieder in Schwung. In: Jüdische Allgemeine Nr. 03/2006 vom
19.1.2006 S. 20. |
| "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band I:
Oberfranken - Oberpfalz - Niederbayern - Oberbayern - Schwaben.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu. (mit umfassenden Quellen- und
Literaturangaben)
ISBN 978-3-98870-411-3.
Abschnitt zu Augsburg S. 397-413.
|
| Vortrag von Günther Grünsteudel: Musik
für die Synagoge - Jüdische Komponisten des 19. Jahrhunderts. Vortrag,
gehalten am 29. Oktober 2008 im Jüdischen Kulturmuseum Augsburg
(pdf-Datei, interner Link). |
| Gernot
Römer (Hrsg.) /Ernst Jacob/Walter Jacob: "An
meine Gemeinde in der Zerstreuung": die Rundbriefe des Augsburger
Rabbiners Ernst Jacob 1941-1949. Materialien zur Geschichte des Bayerischen
Schwaben Bd. 29 (Hrsg. von Rolf Kießling). Augsburg: Wißner Verlag 2007²
472 S. Link
zur Verlagsseite. |
| Benigna
Schönhagen: "Getrennt von allem, was uns gebliebe..." Der
Weg der Familie Kraus aus Augsburg. - "Apart from all that has remained...".
The Kraus Family of Augsburg.
Reihe:
Lebenslinien. Deutsch-jüdische Familiengeschichten. Ein
Zeitzeugenprojekt des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg-Schwaben Band 01.
Hrsg. von Benigna Schönhagen für das Jüdische Kulturmuseum
Augsburg-Schwaben.
Lifelines. German-Jewish Family Stories. An eyewitness project organized by
the Jewish Culture Museum Augsburg-Swabia. Augsburg
2008. |
| Monika
Müller: "Das Trauma der Verbannung ist nicht
auslöschbar." Der Weg der Familie Aub in Augsburg - "The trauma
of exile is indelible" - Paths Taken by the Aub Family of
Augsburg.
Reihe: Lebenslinien. Deutsch-jüdische Familiengeschichten. wie oben -
Band 02. Augsburg 2009.
|
|
Die Augsburger Synagoge - ein Bauwerk und seine Geschichte. Hrsg. im
Auftrag der Stiftung Jüdisches Kulturmuseum Augsburg Schwaben von Benigna Schönhagen
in Zusammenarbeit mit Tatjana Neef zum 25-jähirgen Jubiläum der
Wiedereinweihung der Augsburger Synagoge und der Eröffnung des Jüdischen
Kulturmuseums. Augsburg 2010. Deutsch-Englisch. 158 S. ISBN
978-3981224658. |
| "Ma
Tovu...". "Wie schön sind deine Zelte, Jakob..." Synagogen
in Schwaben. Mit Beiträgen von Henry G. Brandt, Rolf Kießling,
Ulrich Knufinke und Otto Lohr. Hrsg. von Benigna Schönhagen.
JKM Jüdisches Kulturmuseum Augsburg-Schwaben. 2014.
Der Katalog erschien zur Wanderausstellung "Ma Tovu...".
"Wie schön sind deine Zelte, Jakob..." Synagogen in Schwaben des
Jüdischen Kultusmuseums Augsburg-Schwaben und des Netzwerks Historische
Synagogenorte in Bayerisch-Schwaben.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Augsburg, Swabia. ... (
medieval period) ...
Permanent settlement was officially renewed in 1803 and after the Bavarian
annexation in 1806 the remaining residence restrictions were gradually removed.
In 1861, Augsburg became the seat of the district rabbinate. Though Liberals
formed a majority and an organ was introduced into the synagogue in 1865, prayer
services remained by and large traditional, preserving the unity of the
community. The Jewish population grew to 449 (total 50,057). By 1880 the Jewish
population was 1,031 with Jews a major factor in the city's commercial life,
controlling wholesale and retail trade, operating 20 banks, and pioneering
industry (especially cloth, shoes, and chemical products), where at least 10,000
workers were employed in Jewish-owned factories. Many of the city's outstanding
doctors and lawyers were also Jews and among the prominent Jewish cultural
figures were the director of the municipal theater and the conductor of the
local orchestra. A new synagogue, one of the most magnificent in germany, was
dedicated in 1917. The Jewish population in 1933 was 1,030. Under the Nazi
regime Jews maintained an active communal life, offering a broad range of
cultural and social services. A Jewish public school and old age home were
maintained, various institutions offered vocational and foreign language study
preparatory to emigration, and the Central Union (C.V.), Zionist Organization,
and Juedischer Kulturbund with its concerts and theater performances were all
active. A total of 445 Jews managed to emigrate, half to the U.S. and a third in
1938-39 after the synagogue was destroyed and Jewish stores were looted on Kristallnacht
(9-10 November 1938). Another 113 left for other German cities. The remaining
170 Jews were herded into a ghetto in late 1941; 19 were deported to the Riga
ghetto via Munich on 20 November 1941, another 129 to Piaski (Poland) via Munich
on 3 April 1942, and most of the others to the Theresienstadt ghetto up to 1945.
A postwar community, composed of former residents and East European
concentration camp survivors, numbered 229 in 1970.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|