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Freising (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Freising
In Freising lebten Juden bereits im Mittelalter,
auch wenn es vermutlich nicht zur Bildung einer jüdischen Gemeinde gekommen ist.
Das "Freisinger Rechtbuch" von 1328 beinhaltet besondere Vorschriften im Blick
auf Juden. Möglicherweise gab es bis zur Judenverfolgung in der Pestzeit 1348/49
eine jüdische Ansiedlung im Süden der Stadt hinter dem Münchner Tor (in der
Bahnhofstraße, besteht nicht mehr). Hier könnte man sich auch ein Bethaus
und eine Mikwe an einem heute noch vorhandenen Bachlauf vorstellen. In späteren
Jahrzehnten (bis höchstens um 1470) könnte eine jüdische Niederlassung im
Nordosten der Altstadt gelegen haben, wo noch im Stadtplan von 1810 ein heute
nicht mehr bestehendes, 1828 abgebrochenes "Judentor" eingetragen ist (zu
sehen in der Ansicht Freisings von Matthäus Merian von 1642 ).
Vgl. Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtbefestigung_Freising mit Abschnitt zum
"Judentor"; hier wird eine mögliche jüdische Ansiedlung "vor dem Tor... auf dem
Schelmbuckel" vermutet. Zum "Judentor" und den anderen Freisinger Stadttoren
siehe auch ein Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" vom 1. Januar 2015:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/freising/freising-auf-den-spuren-der-freisinger-stadttore-1.2287683.
Die Darstellung Merians von Freising mit dem "Mohrentor" (Nr. 22; anderer Name
für das "Judentor" siehe
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ac/Merian_freising.jpg).
1380 bis 1384 wird ein Jude aus Freising in den Steuerlisten der Stadt Augsburg
genannt (Jacob Freisingen; 1404 wird noch seine Witwe Jacobin Freysing
genannt), im selben Jahr einer aus Freising in Nürnberg und 1381 zwei aus
Freising in Regensburg. Möglicherweise war es 1380 oder kurz zuvor zu einer
Vertreibung der Juden aus Freising gekommen, wofür die Tatsache spricht, dass
1413 der Bischof dem Domkapitel zusicherte, keine Juden mehr in der Stadt zu
dulden.
Im 15. Jahrhundert war Freising 1464 Versammlungsort einer großen
Verhandlung zwischen Kaiser Friedrich und Vertretern verschiedener jüdischer
Gemeinden. Auch 1488 könnte Freising nochmals ein solcher Versammlungsort
gewesen sein (vgl. Vorladungsschreiben Archiv des Erzbistums München und
Freising, Heck 261, abgedruckt in Amperland, 1991 Heft 1, S. 41, s.Lit.).
Im Freisinger Dom existierte vermutlich seit dem 15. Jahrhundert ein Relief, das
einen auf einer Sau reitenden Juden darstellte und die folgende Inschrift
getragen haben soll: "So wahr die Maus die Katz nit frist, wird der Jud kein
wahrer Christ". Dieses Relief soll 1921 noch vorhanden gewesen sein, es besteht
heute jedoch nicht mehr. Vgl. Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Judensau unter Nr. 15 und ausführlicher dazu
https://jhva.wordpress.com/2015/10/23/auf-der-suche-nach-der-freisinger-judensau/.
Erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten sich jüdische
Personen/Familien wieder in Freising niederlassen. 1870 wurden vier jüdische
Einwohner gezählt, 1910 26 (0,2 % von 14.946 Einwohnern), 1925 17 (0.1 % von
14.974 Einwohnern), 1933 16, am 1. November 1938 11, am 27. Oktober 1939 3, am
28. Oktober 1939 keine jüdischen Einwohner mehr. Die jüdischen Einwohner
gehörten nach den Handbüchern der jüdischen Gemeindeverwaltung zur jüdischen
Gemeinde in München.
1881 gründete der jüdische Kaufmann Ignatz (Isac) Raphael Neuburger (geb.
1853 in Bad Buchau) eine Modewarenhandlung in der Bahnhofstraße 4.
Hier wohnte er zusammen mit seiner Frau Lina (Helene) geb. Erlanger (geb. 12.
Oktober 1858 in Bad Buchau, gest. 11. März
1901 in Freising) und den in Freising geborenen Kindern
Alfred (geb. 1882, durch Kriegseinsatz 1914-1918 dauernde körperliche
Beeinträchtigung), Siegfried (geb. 1883, im Ersten Weltkrieg mit EK I
ausgezeichnet) und Emma (geb. 1891). Im Mai 1928 verstarb Isac
Neuburger; das Familienunternehmen wurde nun von den drei Kindern weitergeführt. 1931 konnte
von ihnen das nebenstehende Gebäude Bahnhofstraße 6 zur
Vergrößerung des Kaufhauses erworben werden. Die Familie Neuburger genoss
hohes Ansehen in der Stadt Bereits Ignaz Neuburger hatte regelmäßig für
karitative Zwecke gespendet und einen Teil des Familienvermögens an den
Kindergarten oder das Waisenhaus gegeben. Er hatte sich zudem an der
Finanzierung des Freisinger Kriegerdenkmals beteiligt.
Familiengeschichtliche Informationen zur Familie Neuburger siehe über
https://www.geni.com/people/Isak-Ignatz-Neuburger/6000000025954826070 und
https://www.geni.com/people/Alfred-Neuburger/6000000079491172024, von dort
aus weitere Links zu anderen Familienmitgliedern.
Weitere Familien: die beiden Brüder Bernhard Holzer (geb. 1867 in
Stein am Kocher als Sohn von Jakob
und Fanny Holzer) und Oskar Holzer
(geb. 1869 in Stein am Kocher)
eröffneten 1892 ein Warenhaus (Textil-, Mode- und Kurzwarengeschäft Gebr.
Holzer) in der Oberen Hauptstraße 9, wo sie mit ihren
Frauen (Henriette geb. Neumeier, geb. 1874
Oberdorf beziehungsweise Hanna geb. Neumeier, geb. 1877 in
Oberdorf) sowie mit ihren in Freising
geborenen Kindern (Irma [geb. 1896] und Siegfried [geb. 1897] beziehungsweise
Ilse [geb. 1897] und Martin [geb. 1899]) wohnten. Der Sohn Martin Holzer wurde
später Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und unterhielt eine eigene Firma in
Freising. Diese musste er 1933 aufgeben, nachdem ihm die Schuld an
Auseinandersetzungen zwischen SA-Einheiten und der Freisinger SPD im Juli 1932
zugeschoben wurde. Er konnte 1938 noch nach Palästina emigrieren.
Vgl. weitere Informationen zur Familie über
https://www.geni.com/people/Bernhard-Holzer/6000000033230895431 (mit Fotos
der "Stolpersteine" der Familie Holzer in Freising)
Vgl. Gedächtnisblatt KZ Dachau zu Oskar Holzer
https://www.gedaechtnisbuch.org/gedaechtnisblaetter/?f=H&gb=7829, auch
eingestellt als pdf-Datei.
Marcus Lewin (geb. 1870 im polnischen Jarotschin) war seit 1901 in
Freising, wo er Johanna geb. Krell heiratete (gest. im Juli 1921). Der Familie
Krell gehörte ein Kaufhaus (zunächst Textilgeschäft) am Marienplatz (Untere
Hauptstraße 4; nach dem Tod von Katharina Krell war seit 1930 Marcus Lewin
Eigentümer des Kaufhauses). Marcus und Johanna Lewin hatten eine Tochter
Hildegard (geb. 25. September 1910).
Max Schülein (geb. 1877 in Ingolstadt)
war seit ca. 1900 Teilhaber und Prokurist der 1868 gegründeten Eisengießerei und
Maschinenfabrik Josef Frimberger an der Münchner Straße. Die Firma hatte ein
Verwandter von Max Schülein - Otto Schülein übernommen. Seit 1912 war die
Firma im Besitz von Kommerzienrat Anton Schlüter/München, seitdem Firma
"Schlüter", hier heute Einkaufszentrum "Schlüter Hallen Freising", Münchner
Straße 32). Schülein wohnte in Freising auf dem Werksgelände, ab 1925 in der
Oberen Domberggasse 15, dann in der Bahnhofstraße 1; er war alleinstehend. 1933
richtete sich die NS-Hetze gegen die Firma, da diese immer noch einen Juden
beschäftigte. Max Schülein floh im November 1938 nach München und lebte zuletzt
1942 im Ghetto in Milbertshofen, von wo aus er ins KZ Piaski deportiert wurde
(für tot erklärt).
Zur Firmengeschichte Anton Schlüter München vgl.
http://www.landtechnik-historisch.de/historische-landmaschinen/schlueter-anton/
und Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Schlüter_München sowie
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlütergut und dazu Artikel in der
Süddeutschen Zeitung vom 25. Oktober 2018:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/freising/archivstueck-des-monats-fabrikanten-gruft-1.4185214
sowie Artikel vom 6. September 2016
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/freising/blick-in-die-geschichte-geldverdienen-als-triebfeder-1.3150462
In den Jahren nach der
Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 sind mehrere der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert (letzteres gelang nur zwei
jüdischen Freisingern, Martin und Siegfried Holzer). Der Boykott der jüdischen
Geschäfte traf vor allem das von Marcus Lewin geführte Kaufhaus. Er
verließ 1936 Freising, um nach München-Schwabing zu ziehen. Sein Geschäft hat er
vermietet, musste es aber 1939 weit unter Werk verkaufen. Im Oktober 1938
verloren die Neuburgers auf Anweisung der Nazis ihre deutschen Vornamen
und mussten sich nun Sally (für Siegfried), Assur (für Alfred) und Tana (für
Emma) umbenennen. Kurz vor dem Novemberpogrom 1938 wurde das Warenhaus der
Gebrüder Holzer "arisiert" und an Hans Obster verkauft. Beim Novemberpogrom
1938 zog in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ein wütender Mob von
3000 Personen durch die Innenstadt. Jüdische Personen wurden öffentlich an den
Pranger gestellt, die Geschäfte der Familien Neuburger und Holzer wurden
beschmiert und demoliert (beim Kaufhaus Neuburger wurden die Fensterscheiben
eingeschlagen). Mehrere der jüdischen Männer wurden nach dem Novemberpogrom in
das KZ Dachau verschleppt. Der spätere Freisinger Oberbürgermeister (1948-1970)
Max Lehner, der Anwalt war und Juden vor Gericht vertreten hatte, musste
beim Novemberpogrom ein Schild tragen, auf dem stand: "Juda verrecke". Die drei
Geschwister Neuburger flohen nach dem Pogrom nach München. Sie mussten
ihr Haus im Mai 1939 weit unter Wert an die Sparkasse verkaufen. Im ersten und
zweiten Stock des Anwesens zog die Freisinger NSDAP ein. Auch die Holzers
flohen nach München, wo Oskar Holzer 1939 starb. Seine Frau Hanna und die
Tochter Ilse wurden später in das Ghetto Theresienstadt deportiert und sind
umgekommen. Auch Bernhard und Henriette Holzer sind 1943 im Ghetto
Theresienstadt umgekommen. Siegfried Holzer war nach Frankreich geflohen, wurde
dort jedoch verhaftet und nach Auschwitz deportiert und ermordet. Irma Holzer
ist nach jahrelanger Zwangsarbeit im KZ Piaski in Polen umgekommen. Marcus Lewin
starb am am 12. Juli 1942 angesichts der drohenden Deportation an Suizid in
München (im Sammellager in Berg am Lain).
Von den aus Freising deportierten jüdischen Personen überlebte nur Hildegard
Lewin und Martin Holzer.
Von den in Freising geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Bernhard Holzer
(1867), Hanna (Hannchen, Hanni) Holzer geb. Neumeier (1877), Hedda Holzer geb.
von Marck (1895), Henriette (Henni)
Holzer geb. Neumeier (1874), Ilse Holzer (1897), Irma Holzer (1896), Siegfried
Holzer (1897), Marcus (Markus) Lewin (1870), Alfred (Assur, Azur) Neuburger
(1882), Emma (Tana) Neuburger (1891), Siegfried (Sally) Neuburger (1883), Max
(Moses) Schülein (1877).
Zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit wurde am Haus von Marcus Lewin
(Untere Hauptstraße 2) eine Gedenktafel angebracht mit der Inschrift: "Zur
Erinnerung an Marcus Lewin, den Eigentümer dieses Hauses, und an die Familien
Holzer, Krell, Neuburger und Schülein. Sie alle wurden Opfer der
nationalsozialistischen Judenverfolgung" (siehe Foto unten). 2005, 2007 und zuletzt 2016 wurden in
Freising auf Initiative der damaligen Freisinger Gymnasiastin Katharina Prokopp
"Stolpersteine" für folgende jüdische Personen verlegt: in der
Bahnhofstraße 4 für Alfred Neuburger, Siegfried Neuburger und Emma Neuburger; in
der Oberen Hauptstraße 9 für Bernhard Holzer, Oskar Holzer, Henriette Holzer
geb. Neumeier, Hanna Holzer geb. Neumeier, Hedda Holzer geb. von Marck, Irma
Holzer, Siegfried Holzer, Ilse Holzer sowie für Dr. Martin Holzer; in der
Unteren Hauptstraße 2 für Marcus Lewin und Hildegard Lewin; in der Bahnhofstraße
1 für Max Schülein.
Zu den "Stolpersteinen" in Freising siehe Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Freising. Über die
2016 verlegten "Stolpersteine" siehe Artikel im "Münchner Merkur" vom 29.
November 2016:
https://www.merkur.de/lokales/freising/freising-ort28692/neue-stolpersteine-in-freising-7028873.html
Nach 1945 bestand in Freising eine jüdische DP- (Displaced Persons-)
Gemeinde. Die jüdische Verwaltung des Lagers war in der Captain-Snow-Straße 10.
Das Lager bestand von 1946 bis 1951. Die Höchstzahl der Lagerbewohner lag bei
240 Personen (August 1947, zusammen mit Nandlstadt). Vorsitzende des Lagers
waren Gil Eisenberg, Osiacz Kaufstädter und Abraham Szylot. Im Lager gab es eine
jüdische Volksschule und als jüdischen Sportverein "Hakoach Freising".
Im Nebenzimmer der Gaststätte im Erdgeschoss des ehemaligen Hotels "Zur Gred"
(Bahnhofstraße 8) war in der Zeit des Bestehens des Lagers eine Synagoge und die
Gemeinderäume der DP-Gemeinde eingerichtet. Nach
Gründung des Staates Israel sind die meisten Lagerbewohner dorthin ausgewandert.
DP-Lager
http://www.after-the-shoah.org/freising-juedische-dp-gemeinde-jewish-dp-community/
Zusätzlicher Hinweis: der amerikanische 1st Lieutenant Kurt Klein
(geb. 1920 in einer jüdischen Familie in
Walldorf [beide Eltern wurden nach der Deportation ermordet], gest. 2002 in
Guatemala) verhörte nach Kriegsende in Freising Kriegsgefangene, unter anderen
auch den SS-Obersturmbannführer und Hitlers Fahrer Erich Kempka, der in seiner
Vernehmung über den Selbstmord Hitlers und die anschließende Leichenverbrennung
unter seiner Leitung berichtete.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Klein
Fotos
Es sind - außer
dem Foto der Gedenktafel rechts - noch keine
Photos zur jüdischen Geschichte in Freising vorhanden |
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Gedenktafel am
"Marcushaus" Untere Hauptstraße 2: "Zur Erinnerung an Marcus Lewin, den
Eigentümer dieses Hauses, und an die Familien Holzer, Krell, Neuburger und
Schülein. sie alle wurden Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung"
Das "Marcushaus" am Marienplatz hat seinen Namen von Marcus Lewin;
das Haus wurde 2007/2010 umfassend renoviert.
Vgl.
https://www.stadtheimatpflege.de/index.php/anzeigen-33/60.html
Foto des Marcushauses bei
Mikimedia Commons |
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
November 2013:
Vortrag von Guido Hoyer über das
Schicksal der jüdischen Familien in Freising und Moosburg
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Artikel von Thomas
Radlmaier in der "Süddeutschen Zeitung" vom 27. November 2013: "Dunkle
Jahre einer Stadt:Das Leiden der Freisinger Juden
75 Jahre nach der Pogromnacht: Der Politikwissenschaftler und Freisinger
Stadtrat der Linken, Guido Hoyer, schildert in einem Vortrag das Schicksal
von jüdischen Familien in Freising und Moosburg, die im Nationalsozialismus
Diskriminierung, Gewalt und Deportation erlitten haben. Nur zwei der
Verfolgten haben den Holocaust überlebt..."
Link zum Artikel |
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Dezember 2014:
Über die Verlegung von
"Stolpersteinen" in Bad Tölz, Dachau und Freising
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Artikel von Peter
Becker in der "Süddeutschen Zeitung" vom 4. Dezember 2014 (auszugsweise
zitiert):
"Stolpersteine: 'Die Leute sollen dort wirklich drüberfallen'
Acht Stolpersteine in Bad Tölz und Freising,
zehn in Dachau: In den Städten rund um München gehören die Gedenkmarken im
Boden längst zum Ortsbild. Gestritten wurde darüber nicht - im Gegenteil.
In dem Warenhaus an der Oberen Hauptstraße in Freising, das einst der
jüdischen Familie Holzer gehörte, befindet sich heute ein
Bekleidungsgeschäft. Acht Stolpersteine sind in einer Reihe in den
Bürgersteig davor eingelassen. Eingraviert sind darauf die Namen der von den
Freisinger Nationalsozialisten vertriebenen oder deportierten Familie. 13
Stolpersteine gibt es in Freising. Es ist nicht die einzige Stadt in der
Region, die auf diese Weise an die Schicksale jüdischer Bürger in der Zeit
des Nationalsozialismus gedenkt. Dachau hat zehn Stolpersteine in die
Bürgersteige entlang Straßen seiner Innenstadt versenken lassen, Bad Tölz
acht.
In Freising geht die Initiative auf eine Schülerin zurück. Katharina Prokopp
hatte als Gymnasiastin im Jahr 2003 von dem Projekt des Kölner Künstlers
Gunter Demnig gelesen. Daraufhin recherchierte sie Häuser von vertriebenen
Freisinger Juden. Mit einem Brief wandte sich die Schülerin an den damaligen
Freisinger Oberbürgermeister Dieter Thalhammer (SPD). Unterstützt hat sie
der Stadtrat und der Landessprecher des Vereins der Verfolgten des
Naziregimes (VVN) Guido Hoyer, nach eigenem Bekunden selbst 'ein absoluter
Befürworter' der Stolperstein-Aktion.
Der Stadtrat sprach sich 2004 mit großer Mehrheit für das Projekt von
Katharina Prokopp aus. Die ersten vier Stolpersteine wurden 2005 verlegt.
Zwei Jahre später kamen neun weitere dazu - darunter die vor dem ehemaligen
Warenhaus der Familie Holzer. Die ersten Stolpersteine waren über
Patenschaften finanziert. An den Kosten der weiteren Gedenktäfelchen
beteiligten sich die Stadt und Privatpersonen. Ein
Landschaftsarchitekten-Büro aus dem Landkreis übernahm die kostenlose
Verlegung.
'Ein Zeichen der Versöhnung'. So mehrheitlich in Freising die
Entscheidung zugunsten der Stolpersteine ausfiel, so geschah dies auch in
Dachau...".
Link zum Artikel |
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August 2016:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Freising
Anmerkung: In Freising kam es - wie im Artikel vom Dezember 2014 genannt - auf Grund der Recherchen der damaligen
Freisinger Gymnasiastin Katharina Prokopp zur Verlegung von "Stolpersteinen"
für 13 Personen aus vier jüdischen Familien. Die Verlegungen waren im
September 2005, April 2007, September 2016 und November 2016. Vgl. Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Freising.
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Artikel von Kerstin
Vogel in der "Süddeutschen Zeitung" vom 21. September 2016: "Freising.
Finanzausschuss stimmt zu: Vier weitere Stolpersteine
Freising erinnert an vier Opfer des Nationalsozialismus. Anders als in
München gibt es keine Bedenken gegen die Aktion.
So umstritten die "Stolpersteine" bei den Nachbarn in München sind: In der
Stadt Freising wird diese Form des Gedenkens an die Opfer des
Nationalsozialismus in Deutschland begrüßt und gepflegt. Der Finanzausschuss
des Freisinger Stadtrats hat der Verlegung von vier weiteren derartigen
Steinen am Montag daher auch einmütig zugestimmt. Erinnert werden soll damit
an die NS-Opfer Martin Holzer, Hildegard Lewin, Emma Reißermeyer und Georg
Ziegltrum. Den Antrag, diese vier weiteren Stolpersteine verlegen zu dürfen,
hatte die Kreisgruppe der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
eingereicht. Nach einer Prüfung und Befürwortung durch Stadtarchivar und
-historiker Florian Notter hatte sich im Juni bereits der Ältestenrat mit
dem Thema befasst und die Fachämter der Verwaltung um Stellungnahmen in
technischer Hinsicht gebeten. Dort gab es ebenfalls keine generellen
Bedenken gegen die neuen Stolpersteine. Bei der Verlegung solle lediglich
darauf geachtet werden, dass diese Mahnmale nicht ständig von motorisiertem
Verkehr überfahren würden.
Nach Freising kamen die Steine 2005, auf Initiative von Katharina Prokopp.
Die ersten Stolpersteine, mit denen in Freising an die Schicksale der
Freisinger Juden erinnert wird, wurden bereits 2005 in der Innenstadt
verlegt. Die Gymnasiastin Katharina Prokopp hatte 2003 von dieser Aktion des
Kölner Künstlers Günter Demnig erfahren, Kontakt zu ihm aufgenommen und
damit den Anstoß für diese Form des Gedenkens gegeben. Diese Mahnmale seien
'sehr wichtig, weil sie daran erinnern, welches Unrecht damals auch in
unserer Stadt geschehen ist', sagte Bürgermeisterin Eva Bönig (Grüne) am
Montag vor der Abstimmung über die neuen Steine: 'Und sei es nur, dass
Kinder und Jugendliche nachfragen, warum die da liegen.' Die übrigen
Ausschussmitglieder schlossen sich dieser Auffassung an. Es sei
'beispielhaft, wie Freising mit der Vergangenheit umgeht', sagte etwa Benno
Zierer (FW), während Hubert Hierl (CSU) darum bat, der Verlegung dann auch
einen würdigen Rahmen zu geben.
Richard Grimm mahnte dann noch ganz praktisch, diese Aktion mit der
anstehenden Neupflasterung der Innenstadt zu koordinieren, was seitens der
Verwaltung zugesichert wurde. Auch die in der Altstadt bereits verlegten
Stolpersteine würden bei der Neugestaltung berücksichtigt, so die Zusage."
Link zum Artikel |
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November 2016:
Weitere vier "Stolpersteine"
werden verlegt
Anmerkung: Von den vier "Stolpersteinen" erinnern zwei an die früheren
jüdischen Einwohner Dr. Martin Holzer und Hildegard Lewin. |
Artikel von
Alexander Fischer im "Merkur" vom November 2016: "Neue 'Stolpersteine' in
Freising. Den Nazi-Opfern einen Namen geben
Freising – Es gibt vier weitere 'Stolpersteine' in der Stadt. Insgesamt sind
es damit siebzehn. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und der
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VNN-BdA) hatte die Verlegung
der Mahnmale für Opfer des Naziregimes angeregt. Der Stadtrat stimmte zu.
Gestern wurden die 'Stolpersteine' für die Nazi-Verfolgten Emma Reissermeyer
und Georg Ziegltrum sowie für Dr. Martin Holzer und Hildegard
Lewin gesetzt. Die ersten beiden an der Wippenhauserstraße 18 und an der
Haydstraße 23, die anderen beiden an der Oberen Hauptstraße 9 vor dem
ehemaligen Modehaus 'Obster' und an der Unteren Hauptstraße 2, vor
dem Markushaus. Außerdem hat man noch zwei der Steine ausgetauscht, bei
denen sich neue Daten ergeben hatten, wie Guido Hoyer, VVN-BdA-Vorsitzender
des Kreisverbandes Freising-Moosburg, erklärte. Laut Hoyer soll es nicht
mehr nur 'Stolpersteine' für Opfer, sondern auch für Verfolgte und
Überlebende des Nazi-Terrors geben. Als Beispiel nannte er Hildegard Lewin,
Tochter der Kaufhaus-Inhaberin Johanna Krell, die 1939 vor den Nazi-Schergen
nach Großbritannien floh und Zeit ihres Lebens nicht mehr zurückkehrte.
Gleiches gilt für Emma Reissermeyer, die erst nicht als Jüdin galt, dann
aber 1942 doch nach Theresienstadt deportiert wurde und bei der Gelegenheit
'spurlos verschwand'. Sie lebte nach der Befreiung bis zu ihrem Tod 1961 in
Gräfelfing. Der Wirtschafts- und Steuerberater Dr. Martin Holzer war
Jude und galt den Nazis als SPD-Sympathisant. Auch er musste fliehen und
verbrachte sein weiteres Leben in Tel Aviv. Georg Ziegltrum, einem
Immobilienberater, den die Nazis als 'Volksschädling' ansahen, blieb indes
der Tod nicht erspart. Er starb 1943 im KZ Neuengamme bei Hamburg. Beteiligt
an der Aktion war diesmal auch eine Abschlussklasse der Lycée
Jean-Renoir-Schule München, die einen Teil zur Finanzierung der vier neuen
'Stolpersteine' geleistet hat. Auf die Idee war man in Berlin während einer
Klassenfahrt gekommen, wie sich Schülersprecherin Carla Schwering erinnerte.
'Viele Opfer des Nazi-Regimes haben keinen Namen und kein Grab, in den
Lagern wurden ihnen Nummern zugeteilt, ihre Leichen verbrannt', betonte
Hoyer bei der Verlegung der Stolpersteine. OB Tobias Eschenbacher erachtete
es für 'wichtig, daran zu erinnern, dass auch in Freising eine Reihe von
Menschen von der Verfolgung durch die Nazis betroffen waren'."
Link zum Artikel
Vgl. Artikel von Simon Bauer in der "Süddeutschen Zeitung" vom 29. November
2016: "Freising. Gegen das Vergessen. Vier weitere Stolpersteine
erinnern an jüdische Bürger, die während des Nazi-Regimes in Freising
verfolgt wurden..."
Link zum Artikel |
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November
2019: Putzaktion für
die Freisinger "Stolpersteine" |
Artikel in "Blick-Aktuell"
vom 9. November 2019: "Freisinger Stolpersteine erinnern an
ermordete Juden.
Am Tag der Reichspogromnacht werden in vielen deutschen Städten sogenannte
Stolpersteine symbolisch geputzt – so auch in Freising. Die Steine erinnern
an Juden aus der eigenen Stadt. Sie sind meist vor den früheren Wohnungen in
den Boden eingelassen.
'Hier wohnte Sigfried Holzer, Jahrgang 1897, deportiert, ermordet in
Ausschwitz.' Geschichtsstudentin Julia Christof liest die Inschrift eines
Stolpersteins in der Freisinger Innenstadt. Es ist einer von neun Steinen,
der da vor ihr in den Boden eingesetzt ist. Im Haus der Familie Holzer haben
zwei Brüder mit ihren Frauen und Kindern gewohnt und hatten dort ein damals
beliebtes Stoffgeschäft. Zwei der Kinder gingen auch aufs Domgymnasium, für
Julia Christof ist das besonders emotional: 'Ich fühl' mich denen irgendwie
sehr, sehr nah, weil (…) die eben auch auf der Schule waren, wo ich war.'
Julia Christof, Geschichtsstudentin aus Freising.
Besuch von Ausschwitz war Schlüsselerlebnis. Insgesamt gibt es 15
Stolpersteine in Freising – sie stehen für 15 Schicksale jüdischer Bürger,
die in Freising gelebt haben. Teilweise sind die Steine dunkel angefärbt,
verdreckt oder mit Kaugummis verklebt. Das will Julia Christof heute ändern
und die Steine putzen. Eine Exkursion nach Ausschwitz war für sie das
Schlüsselerlebnis: 'Das kann man gar nicht in Worte fassen, was man dort
sieht und wie man sich dann dabei fühlt. Also Schuldig auch so ein bisschen
und zumindest verantwortlich, dass man irgendwie was tun muss (…) auch
gerade in dem aktuellen Rechtsdruck, den wir irgendwie erleben in
Deutschland.' Julia Christof, Geschichtsstudentin aus Freising
Stolpersteine lassen Passanten innehalten. Etwas tun müssen – das
Gefühl hat auch Kati Jindrich, sie ist evangelische Jugendreferentin, gerade
erst nach Freising gezogen und will Julia bei Ihrem Projekt unterstützen.
Beide putzen heute symbolisch die Erinnerungssteine an die Juden aus ihrer
Stadt. Es geht ihnen um Aufmerksamkeit. Kati Jindrich ist ganz besonders
wichtig, dass die Steine auch im Alltag wieder präsent werden: 'Das ist
unsere Geschichte und daran müssen wir uns erinnern. Das finde ich eben
ganz, ganz wichtig, dass Erinnerung leben muss.' Kati Jindrich, Evangelische
Jugendreferentin in Freising. Zusammen mit ihren Schülern hat die angehende
Geschichtslehrerin Julia Christof ein Buch geschrieben: 'Mit unbekanntem
Ziel verreist? Freisinger Juden im Nationalsozialismus'. "
Link zum Artikel
Vgl. Artikel von Florian Beck in der "Süddeutschen Zeitung" vom 14. November
2019: "Mit kleiner Geste Aufmerksamkeit schaffen. Vier
Freisingerinnen putzen die Stolpersteine in der Innenstadt. Damit erinnern
sie an die von Nazis gesteuerten Novemberpogrome..."
Link zum Artikel |
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Juli 2020:
An die ehemalige Synagoge des
DP-Lagers der Nachkriegszeit soll eine Gedenktafel erinnern
|
Artikel von beb in
der "Süddeutschen Zeitung" vom 9. Juli 2020: "Am ehemaligen Hotel "Zur Gred":
Freisinger Linke beantragt Gedenktafel
Die Stadtratsgruppe der Freisinger Linken beantragt, die Stadt möge mit
einer Gedenktafel am Haus Bahnhofstraße 8, dem ehemaligen Hotel "Zur Gred"
an die jüdische Gemeinde (1946-1951) erinnern, die dort ihre Gemeinderäume
und ihre Synagoge hatte. Dazu sollten umgehend Verhandlungen mit dem
Hauseigentümer aufgenommen werden. Die Linken begründen das damit, dass
Freisings jüdische Einwohnerinnen und Einwohner von den Nationalsozialisten
vertrieben und größtenteils ermordet worden seien.
Nach der Shoa hat es laut dem Geschichtsreferenten des Stadtrats, Guido
Hoyer (Die Linke), trotzdem jüdisches Leben in Freising gegeben: Überlebende
der Vernichtungslager und Todesmärsche hätten 1946 eine jüdische Gemeinde
gegründet, die bis 1951 bestand. Diese habe ihren Sitz in der Gred gehabt.
"Es gab dort Gemeinderäume und Wohnungen für jüdische Familien. Das
Nebenzimmer der Gaststätte im Erdgeschoss diente als Synagoge", erläutert
Hoyer dazu."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica Band III,1 S. 405-406. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 31. |
| Wolfgang Grammel: Zur Geschichte der Freisinger
Juden im Zeitraum 1880-1945.
https://www.grin.com/document/99543 |
| Sandra Pfeiffer: Spuren jüdischen Lebens in
Freising, Facharbeit (Gymnasium) 1996. |
| Rudolf Goerge: Spuren jüdischer Kultur und
jüdischen Lebens im Freisinger Raum. In: Amperland 1991, Heft 1 und 2.
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| Sonja Kochendörfer/ Toni Schmid: Freising
unterm Hakenkreuz, 1983. |
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Julia
Christof (und 14 Freisinger Gymnasiasten): Mit unbekanntem Ziel
verreist. Freisinger Juden im Nationalsozialismus. Verlag edition riedenburg,
Salzburg 2019.
www.editionriedenburg.at ISBN 978-3990820308 100 S. TB. € 9,90.
Zum Inhalt: 'Mit unbekanntem Ziel verreist ...' Dreister hätte das
'Freisinger Tagblatt' im November 1938 nicht lügen können, um zu
beschreiben, dass die letzten jüdischen Freisinger Bürger wegen des
zunehmenden Antisemitismus nach München abgewandert sind. Bereits lange
zuvor wurde diese Bevölkerungsgruppe diskriminiert. Ihre Existenz wurde
sukzessive vernichtet und ihr Leben bedroht.
Dabei waren ausgerechnet diese Männer und Frauen angesehene Bürger Freisings
gewesen. Keiner von ihnen hatte geahnt, was ab 1933 geschehen würde. Als
Kaufmannsfamilien waren sie täglich im guten Kontakt mit jenen Freisingern
gewesen, die nun zusahen, wie die Juden entrechtet, zur Auswanderung
gezwungen oder deportiert wurden. Was danach kam, ist hinlänglich bekannt:
Kinder, Jugendliche und Erwachsene wurde in Konzentrations- und
Vernichtungslagern gequält und ermordet.
Nur drei der hier porträtierten Freisinger überlebten den
Nationalsozialismus. Keiner kehrte jemals in seine bayerische Heimatstadt
zurück. Heute erinnern sogenannte 'Stolpersteine' an den Verlust. Mit der
temporären Ausstellung 'Wenn Steine sprechen könnten' und mit diesem Buch
ist nun ein weiteres Denkmal entstanden. Denn jenseits der öffentlich
sichtbaren Stolpersteine erfahren wir viele interessante Details über die
Lebens- und Leidenswege der betroffenen Familien und Einzelpersonen.
Das Schulprojekt, das die Grundlage für dieses Buch darstellte, wurde u.a.
mit folgenden Preisen ausgezeichnet: 1. Landespreis Bayern beim
Geschichtswettbewerb 2019/20 des Bundespräsidenten der Körber-Stiftung.
2. Landespreis beim bayerischen Schülerlandeswettbewerb
"Erinnerungszeichen", Juli 2019. |
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