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Pretzfeld (Kreis
Forchheim)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Pretzfeld bestand eine jüdische Gemeinde bis 1875.
Ihre Entstehung geht in mittelalterliche Zeiten zurück. Vermutlich
konnten sich einige aus Nürnberg beim Pogrom 1298 geflohene Juden hier
(wie auch in Ebermannstadt und Waischenfeld) niederlassen. Erstmals wird 1326
ein jüdische Bewohner des Ortes genannt: damals bürgte Suezzlein von
Pretzfeld für neu aufgenommene jüdische Bürger in Nürnberg. Vermutlich
ist er mit einem 1324 in Nürnberg aufgenommenen Suzlein identisch und ist
möglicherweise in dieser Jahr von Pretzfeld nach Nürnberg gezogen. 1338 wird
er mit seinem Sohn Isaak genannt; möglicherweise starben beide zwischen 1338
und 1349 den Märtyrertod. 1452 bis 1462 lebten in dem damals den Herren
von Wiesenthau gehörenden Ort sieben jüdische Geldhändler, die Bewohnern der
näheren Umgebung sowie der Familie von Wiesenthau Darlehen gaben. Zur
Eintreibung der Schulden mussten sie mehrfach vor dem Landgericht Bamberg Klage
erheben. Ob die im Ort noch vorhandene Straße "Judengasse" auf
das Mittelalter zurückgeht oder erst später den Schwerpunkt der jüdischen
Ansiedlung im Dorf bezeichnete, ist nicht bekannt.
Auch im 16. Jahrhundert werden Juden am Ort genannt, wie die
Steuerrechnungen des Amtes Forchheim und Protokollbücher des Landgerichts
Bamberg für die Jahre 1525 bis 1611/12 zeigen. 1593 waren es drei jüdische
Familien am Ort, 1608 bereits 13 Familien, 1629 23 Familien auf verschiedenen
ritterschaftlichen Lehen. Durch die Folgen des Dreißigjährigen Krieges ging
die Zahl der Juden zurück. 1661 sind wieder drei jüdische Familien am Ort,
1700 dreizehn Familien. Für die Wiederherstellung des heruntergekommenen
Schlosses lieh die Schlossherrenfamilie von Stiebar über 16.000 Gulden von
jüdischen Darlehensgebern. Überwiegend lebten die jüdischen Familien jedoch
inzwischen vom Klein- und Hausierhandel. Bis 1736 war ihnen der Viehhandel nicht erlaubt.
1716 wurde offenbar ein zwölfjähriges Mädchen von einem jüdischen
Bewohner ermordet. Dieser gestand den Mord, ließ sich taufen und wurde später
in Bamberg gerädert. Die Geschichte wurde als "Ritualmord"
von Pretzfeld tradiert.
1762 belehnte der Fürstbischof (in Personalunion in Würzburg und
Bamberg) Adam
Friedrich von Seinsheim (1708-1779) seinen Bruder, den Grafen
Josef Franz Maria von Seinsheim (1707-1787) mit dem Rittergut
Pretzfeld.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad (Mikwe) und einen eigenen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben in der Gemeinde war ein jüdischer Lehrer
am Ort, der meist auch als Vorsänger und Schächter tätig war genannt. Um 1811/18
(vermutlich noch einige Jahre danach) handelte es sich um Lehrer Jakob Levi Müller aus Stadtlengsfeld (genannt in der
Ortsmatrikel-Zusammenstellung von 1811 als "Rebba, Vorsinger, Schächter,
siehe unten). Ab 1826 wohnte der Lehrer in einem der Synagoge angebauten Haus
(Schlossberg 5, siehe unten bei Synagogengeschichte). Die gut erhaltene, 1997 renovierte Mikwe könnte bereits aus der Zeit
Mitte des 14. oder des 15. Jahrhunderts
stammen. Zu ihr führen 26 Kalksteinstufen hinab. Sie ist von dem
Privatanwesen Schlossberg 5 jedoch nur selten zugänglich.
Im 19. Jahrhundert lebten die jüdischen Familien zunächst vor allem vom
Vieh- und Schnittwarenhandel. Ab 1823 ist auch ein Eisen- und Lederhändler
genannt. Das kamen in der Mitte des 19. Jahrhunderts einzelne Handwerker
(Seilermeister, Seifensieder, Metzger). Über die Zahl der jüdischen Einwohner
liegen für das 19. Jahrhundert folgende Angaben vor: 1811 65 jüdische Einwohner
(8,8 % von insgesamt 739 Einwohnern), 1824 die Höchstzahl von 87 jüdischen
Einwohnern (11 % der Gesamteinwohnerschaft), 1840 78 (9,5 % von 824), 18457 70 (8,9 % von 790), 1852 48 (6,2
% von 770), 1875 8 (1,0 % von 773), 1890 und 1900 je 4, 1911 3.
Das Schloss Pretzfeld wurde 1852 von den Grafen von Seinsheim an den
jüdischen Großhändler Joseph Kohn aus Nürnberg verkauft. Nach seinem Tod
teilten sich die Besetzrechte die beiden Töchter Lina Herz und Maria
Wimpfheimer. Lina Herz stiftete 1894 ein Wohnhaus zur Errichtung einer
Kleinkinderbewahranstalt und eine Winterschule für Mädchen. Ein
Stiftungskapital von 25.000 Goldmark stand zur Verfügung. Dafür erhielt sie
von der bürgerlichen Gemeinde Pretzfeld 1918 das Ehrenbürgerrecht. Zwei Jahre
nach dem Tod von Lina Herz drangen Nationalsozialisten beim Novemberpogrom 1938
gewaltsam in das Schloss ein und richteten eine Sachschaden von 20.000 Mark an. Nach 1950 wurde der 1937 emigrierte Enkel von Lina Herz - Fritz
Hermann - der alleinige Eigentümer des Schlosses. Später wurden seine beiden
in England lebenden Söhne Besitzer des Schlosses.
Gegen neun beim Novemberpogrom 1938 Beteiligten fand im April 1948 ein Prozess
vor dem Landgericht Bamberg statt. Zwei wurden freigesprochen, sieben erhielten
Gefängnisstrafen von vier Monaten bis zu zwei Jahren und drei Monaten.
Von den in Pretzfeld geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Julius Heller (1861,
später in Nürnberg wohnhaft), Lehmann Heller (1868, später in Nürnberg
wohnhaft), Meier (Maier) Heller (1869, 1919 bis 1936 Lehrer in Leutershausen,
zuletzt in Fulda wohnhaft), Wilhelmine
Pfefferblüth geb. Lindner (1870, später in München wohnhaft).
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer und Vorsänger
Über Lehrer Jakob Levi Müller aus Stadtlengsfeld
Lehrer
Jakob Levi Müller, um 1811/18 (vermutlich auch noch in den folgenden
Jahren) "Rebba, Vorsinger, Schächter" in Pretzfeld. Die
Bildunterschrift lautet übersetzt: "Dies ist ein Bildnis des
vornehmen (Ehrentitel: Kazin) Jakob, Sohn des ehrenwerten Alexander
Müller Segal (= Levi) aus der Heiligen Gemeinde Stadtlengsfeld,
derzeit Vorbeter und Treuhänder in der Heiligen Gemeinde
Pretzfeld".
Das Bild wurde sehr wahrscheinlich - auf Grund des Monogramms AS - von dem
adligen Dilettanten August Graf von Seinsheim (1789-1869)
gezeichnet,
der 1816/17 im Nazarenerkreis in Rom war und aus der Familie Seinsheim
stammte, die zwischen 1764 und 1852 Eigentümer von Schloss Pretzfeld war.
Vermutlich hat der Maler den Dargestellten bei einem Besuch in Pretzfeld
kennengelernt und gezeichnet, als Erinnerungsbild oder als Freundesgabe.
Quelle: Privatbesitz; mit freundlicher Unterstützung durch Prof.
Dr. Michael Thimann, Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgeschichtliches Seminar und Kunstsammlung.
Zu August Graf von Seinsheim siehe Artikel
in der Deutschen Biographie. |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
90. Geburtstag von Dr. Moritz Weichselbaum (in Fürth 1892)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Januar 1892:
"Fürth, 23.Januar (1892). In seltener Frische des Geistes und Rüstigkeit
des Körpers begeht heute der Nestor der hiesigen Ärzte, Herr Dr.
Moritz Weichselbaum, das 90. Geburtsfest. Am 23. Januar 1802 in Pretzfeld
geboren, übt er seit 5. Februar 1829 die ärztliche Praxis hier aus. Er zählt
heute noch zu den von der Stadt ernannten Armenärzten.
Den vielen Glückwünschen für sein Wohlergehen schließen wir die
unsrigen an." |
Zum Tod der aus Pretzfeld stammenden Regina Burgunder
geb. Long (gest. 1906 in New York)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. April
1906: "New York. In ihrem 83. Jahre verschied Frau Regina
Burgunder geb. Long, Witwe des Herrn Seligmann Burgunder. Die
Verstorbene, die in Pretzfeld geboren war, und ihr verstorbener Gatte
erfreuten sich in weitesten Kreisen großen Ansehens. Oktober 1902 war es
ihnen vergönnt, die goldene Hochzeit zu feiern". |
Zur Geschichte der Synagoge
1620 wird ein "Schulklopfer" am Ort genannt,
dessen Aufgabe die Einladung zu den Gottesdiensten war. Damals war somit eine Synagoge
vorhanden. 1624 wird in der Pfarrbeschreibung festgehalten: "...dann
außerhalb des Schlosses im Dorf an der Stiebar'schen Vogteibehausung von
hintenwärts in einem Winkel zwischen anderen gemeinen Häusern, wo zuvor ein
Stadel gestanden, jetzt eine jüdische Synagoge oder Schul, von welcher 'Wolfsspeluncken'
der Junker Georg Sebastian Stiebar jährlich ein ansehnliches Stadtgeltt und Aufhebens
hat". Demnach gab es einen Zugang zur Synagoge von hintenwärts, das heißt
aus der Richtung des Schlosses. Nach dem Grundsteuerkataster kam das Grundstück
der Synagoge und Schule erst 1626 in den Besitz der jüdischen Gemeinde
(Grundstück des Hauses Nr. 130 auf heutigem Grundstück Am Schlossberg 5). 1686
wurde der Platz vor der Synagoge von der jüdischen Gemeinde dazu erworben.
Damit konnte man einen direkten Zugang von der Straße her schaffen.
Über 200 Jahre war die Pretzfelder Synagoge Mittelpunkt des jüdischen
Gemeindelebens am Ort. Nach der Auflösung der jüdischen Gemeinde wurde das
Grundstück mit der Synagoge und der Schule verkauft. Um 1900 wurde das
Grundstück weiter verkauft. Die ehemalige Synagoge wurde abgebrochen, das
angebaute Schulhaus in eine Scheune verwandelt.
Im jüdischen Schulhaus (Am Schlossberg 5) fand von 1826 an für wenige
Jahrzehnte der Unterricht der jüdischen Kinder statt. Zuvor hatten sie die
christliche Schule in Pretzfeld besucht. Im Jahr der Gründung der Schule 1826
gab es 26 schulpflichtige jüdische Kinder. Im Schulhaus wohnte auch der
jüdische Lehrer, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig war. 1832 wird
über den Zustand des jüdischen Schulhauses berichtet: "Das Lehrzimmer der
israelitischen Religionsschule dahier ist neben der Synagoge zur ebenen Erde,
kalt, feucht, ungesund, mit einem schlechten Ofen versehen und kann im Winter
ohne einen bedeutenden Holzaufwand nicht benützt werden. Der Lehrer hält also
während der Wintermonate, über eine Stiege, in seinem Wohnzimmer Schule, und
hat dieses bisher lediglich aus gutem Willen getan, um der jüdischen Gemeinde
die Heizungskosten zu ersparen... Da aber dieses Schulehalten im Wohnzimmer mit
mancherlei Nachteilen und Unannehmlichkeiten verbunden ist, so ist sehr zu
wünschen, dass das Lehrlokal verbessert und das Holz zur Beheizung desselben
durch die israelitische Gemeinde beigeschafft werde..."
Adresse/Standort der Synagoge: Auf dem Grundstück
im Bereich des Grundstückes "Am Schlossberg 5".
Darstellungen / Fotos
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 663-664; III,2 S. 1153-1154. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 147. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 218-219. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 245-246.
|
| Klaus Guth (Hg.) u.a.: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken
(1800-1942). Ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988. zu
Pretzfeld S. 270-282 (mit weiteren Quellenangaben). |
| Georg
Knörlein: Jüdisches Leben im Forchheimer Land. Verlag Medien
und Dialog. Haigerloch 1998. S. 15-16.
|
| Michael Nitz: Die Mikwe in Pretzfeld. In: Volker Liedke
(Hg.): Ars Bavarica - Gesammelte Beiträge zur Kunst, Geschichte, Volkskunde
und Denkmalpflege in Bayern und in den angrenzenden Bundeslängern. Bd.
27/28 S. 143-147. |
| Hans-Peter
Süss: Jüdische Archäologie im nördlichen Bayern. Franken und
Oberfranken. Verlag Dr. Faustus Büchenbach 2010 (Reihe: Arbeiten zur
Archäologie Süddeutschlands Band 25). Zu Pretzfeld S. 104-106.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Pretzfeld Upper Franconia.
Jews are mentioned in the 14th century and in the 16th and 17th centuries,
resided on estates belonging to the nobility. In 1719 they were restricted to
the cattle trade and in the late 18th century, most of their letters of
protection were canceled and they left. The community numbered 75 in 1812(total
779) and ended in 1866 when it was attached to Hagenbach.
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