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Synagoge in Schmieheim
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Kippenheim
Die
Schmieheimer Genisa und der sogenannte "Höfer-Fund" aus Kippenheim
(Abschlussberichte
über zwei von Uwe Schellinger betreute Projekte)
Übersicht:
1. Die Schmieheimer Genisa
(Bericht von Uwe Schellinger und Renate Kreplin)
2. Der
sogenannte "Höfer-Fund" aus Kippenheim
1. Die
Schmieheimer Genisa (Bericht
von Uwe Schellinger und Renate Kreplin)
Anfang
des Jahres 2001 konnte der Förderverein Ehemalige
Synagoge Kippenheim e.V. von den jetzigen Besitzern des ehemaligen Schmieheimer
Synagogengebäudes die Reste der Genisa der jüdischen Gemeinde Schmieheim
entgegennehmen. Während im württembergischen Raum einige Genisa-Funde in
ehemaligen Synagogen zu verzeichnen sind, sind aus Baden bisher kaum solche
Funde erhalten. Somit kommt der Schmieheimer Genisa eine landesgeschichtlich
besondere Bedeutung zu. Als Genisa wird ein Raum zur Aufbewahrung nicht mehr
verwendeter religiöser Schriften oder Gegenstände einer jüdischen Gemeinde
bezeichnet. Seit jeher war es in den jüdischen Gemeinden ein frommer und
selbstverständlicher Brauch, solche Gegenstände nicht einfach wegzuwerfen,
sondern sie aus Gründen der Pietät aufzubewahren, sie gleichzeitig aber einem
nicht gestatteten Zugriff zu entziehen. Gelegentlich wurden dort nicht nur
Objekte der Religionspraxis, sondern auch anderweitige Gegenstände und
Literatur hinzugegeben. Für den Zweck der Aufbewahrung diente zumeist ein
spezieller Ort auf dem Dachboden der örtlichen Synagoge. Das Auffinden von Genisot
bietet eine außerordentliche Gelegenheit, einen Einblick in die Frömmigkeits-
und Alltagspraxis landjüdischer Gemeinden zu erhalten.
In Absprache mit der Jüdischen Gemeinde
Emmendingen/Ortenau stellte der Förderverein einen Antrag bei der Stiftung
Kulturgut Baden-Württemberg. Mit einer Fördersumme von 13.000 € ermöglichte
die Stiftung die Restaurierung der Textilobjekte
sowie die Säuberung und Sicherung der Papierobjekte, die aus dem 18. und
19. Jahrhundert stammen. Die Arbeiten an den Objekten wurden von der
Restauratorin Gisela Illek aus Bahlingen (Textilobjekte) und der Freiburger
Historikerin Monika Müller (Papierdokumente) durchgeführt. Die Projektleitung
lag für den Förderverein bei Uwe Schellinger.
Besonders
interessant sind drei erhaltene Mappot, die in der Genisa gefunden wurden, also
drei so genannte "Beschneidungswimpel", "Torawimpel" oder
"Torabinder". Eine solche durchschnittlich etwa 3 m lange und 20 cm
breite Stoffbahn – Mappa - wurde anlässlich der Beschneidung eines jüdischen
Jungen aus Windeln zum Teil kunstvoll gefertigt, bestickt oder bemalt. Zu ihrer
Bar Mizwa nahmen die Jungen diese Stoffbahnen dann in die Synagoge mit, wo sie
von nun an als "Torabinder" zum Zusammenhalten der Torarollen
verblieben und die enge Verbundenheit des Gemeindemitglieds zur Tora
veranschaulichen sollten. In aufwändiger Arbeit konnten
aus dem vorherigen Papierdurcheinander schließlich über vierzig
Papierdokumente rekonstruiert werden. Hier handelt es sich zumeist um Gebetbücher
oder um kleiner oder größere Kalender. Die
Ergebnisse der Arbeiten konnte der Förderverein am 4. September 2005, dem
"Europatag der Jüdischen Kultur", der Öffentlichkeit präsentieren.
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Kalender aus dem Jahr
5543
(1782/83) |
Stoffsäckchen, vermutlich zur
Aufbewahrung der Tefillin |
Die gefundenen
Mappot, Name rechts: "Josef Bar Jaakow"
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Weitere
Informationen: Uwe Schellinger M.A. E-Mail
Presseartikel: ("Badische
Zeitung" vom 5. September 2005, Artikel von Juliana Eiland-Jung; interner
Link): "Eine
Flaschenpost aus der Vergangenheit".
Die Ergebnisse der Aufarbeitung liegen vor in dem Beitrag:
| Monika Müller: Leben mit zwei verschiedenen Zeiten:
Die jüdischen Kalender aus dem Bestand der Schmieheimer Genisa. In: Die
Ortenau Bd. 86 2006 S. 269-286. |
2.
Der sogenannte "Höfer-Fund" aus Kippenheim
Der Kippenheimer Metzgermeister Hans Höfer entdeckte
bei Renovierungsarbeiten in seinem Haus zu Anfang der 1990er Jahre in der
Dachisolierung zahlreiche Dokumente, die eindeutig auf die früheren jüdischen
Besitzer des Hauses hindeuten. Bis 1936 lebten in dem Haus jüdische Familien. Es ist
noch ungeklärt, weshalb das Material dort zu finden war, möglicherweise wurde
es als unwichtig angesehen und zur Isolierung verwendet, wahrscheinlich aber
handelt es sich um bewusstes Depot, das vornehmlich für Geschäftsunterlagen
angelegt wurde. Teilweise reichen die Stücke (Rechnungen, Briefe,
Kalender etc.) bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Gefunden
wurden ca. 800 Einzelschriftstücke. Hans Höfer hat seinen spektakulären Fund
in großzügiger Weise dem Förderverein für eine archivische und
wissenschaftliche Bearbeitung zur Verfügung gestellt. Die entdeckten Dokumente
erlauben in einzigartiger Weise einen Einblick in das Werden und Wirken einer
landjüdischen Geschäftsfamilie. Der genaue Inhalt und Aussagewert der
Unterlagen ist noch offen, zu erwarten sind jedoch detaillierte Aufschlüsse über
Umfang und Intensität von Geschäfts- und Handelsbeziehungen einer jüdischen
Kaufmannsfamilie aus Kippenheim. Allerdings befanden sich die Unterlagen bei
ihrem Auffinden in einem teilweise bedenklichen Zustand und bedurften intensiver
restauratorischer und erhaltender Maßnahmen, um Verschmutzungen, Schädlingsfraß,
Risse, Schimmelbefall etc. zu beseitigen oder auszubessern. Durch einen entsprechenden Antrag des Fördervereins
konnte die "Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg" mit Sitz im
Wissenschaftsministerium für eine Kooperation zur Sicherung und Erschließung
des Fundes gewonnen werden. Im Dezember 2000 wurde ein entsprechender
Projektantrag des Fördervereins positiv aufgegriffen.Daraufhin konnten die Materialien in das
Hauptstaatsarchiv Stuttgart überführt werden, wo die weiteren Schritte
erfolgten, so etwa erste Säuberungsmaßnahmen und Glättungen.
Im Verlauf des Jahres 2002 wurden die Materialien durch
eine externe Restaurierungswerkstatt instandgesetzt. Inzwischen wurden die
Arbeiten an der archivischen Erschließung der Unterlagen durch einen
Mitarbeiter des Hauptstaatsarchivs Stuttgart abgeschlossen. Es erfolgte auch eine Verfilmung des Materials, um die Originalpapiere zukünftig zu schützen.
Seitdem steht dieser
bemerkenswerte Fund aus der Geschichte des südbadischen und spezieller des
Kippenheimer Landjudentums der
wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung.
Weitere
Informationen: Uwe Schellinger M.A.
E-Mail
Link:
Bestandsverzeichnis des Hauptstaatsarchivs Stuttgart
online für die Recherche zum "Höfer-Fund"
Die Ergebnisse der Aufarbeitung liegen vor in
den Beiträgen:
| Uwe Schellinger: Der Kippenheimer Höfer-Fund:
Quellen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Ortenauer Landjudentums im
19. Jahrhundert. In: Die Ortenau 87. 2007. S. 463-480. |
| Lina-Mareike Dedert: Badisches Landjudentum am
Beispiel der Familie Weil zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Magisterarbeit,
Historisches Seminar der Universität Freiburg. Freiburg 2008. |
| dies.: Waren für die Weills: eine Untersuchung der
Lieferantenstruktur der Eisenwarenhandlung Weill aus Kippenheim anhand des
"Höfer-Fundes". In: Die Ortenau 88 2008 S. 315-332. |
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