Der alte jüdische Friedhof am Kirberg
(Fotos: Peter Zanger, Weilmünster) |
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Blick auf das Gelände des alten
jüdischen Friedhofes mit
Markierung des Grundstückes auf rechtem Foto |
Das Friedhofsgelände
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Fotos oben
von Martina Hartmann-Menz (Aufnahmen vom August 2021) mit dem Hinweis: "Das
Gelände des alten jüdischen Friedhofes ist steil, total verwachsen und
ungepflegt, Grabsteine existieren nicht mehr. Das Gelände wurde in der
Vergangenheit landwirtschaftlich genutzt, der große Apfelbaum mittig auf dem
Bild dürfte etwa 80 Jahre alt sein. Der Friedhof wurde um 1915 aufgegeben."
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Die Gedenkstätte
und der Gedenkfriedhof mit jüdischem Teil im Waldfriedhof beim Klinikum
Weilmünster
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 21.8.2009) |
Gedenkstein für die Opfer
der NS-Zeit
vor dem Hauptzugang zum Klinikum
Weilmünster |
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Inschrift:
"Von 1934-1939 wurden 278 Männer und Frauen zwangsweise
sterilisiert. Seit 1937 verschlechterten sich die Lebensbedingungen der
Kranken durch stattlich verordnete Sparmaßnahmen, was ab 1940 zu einem
Massensterben führte. 1941 wurde die Anstalt als Durchgangsanstalt
missbraucht: 735 Menschen aus der Anstalt Weilmünster und 1773 aus
anderen Anstalten wurden nach Hadamar verlegt und dort getötet. Die
jüdischen Patientinnen und Patienten wurden 1941 deportiert und an
unbekanntem Ort ermordet.
Das Schweigen ist durchbrochen. Wir gedenken der Opfer." |
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Hinweistafeln am
Eingang zum Gedenkfriedhof |
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Text: "Gedenkfriedhof für die Opfer
der NS-'Euthanasie'. Seit der Gründung der 'Provinzial-Irrenanstalt' 1897
gehört dieser Friedhof zum Klinikum Weilmünster. Bis Dezember 1996
wurden hier verstorbene Patientinnen und Patienten bestattet, wenn ihre
Familien sie nicht in den Heimatgemeinden beerdigen ließen. Auch Gräber
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung finden sich auf dem Gelände.
Seit 2003 ist der Friedhof als Gedenkstätte gestaltet. Er dokumentiert
die wechselvolle Geschichte des Umgangs mit behinderten und psychisch
kranken Menschen im zwanzigsten Jahrhundert.
Während des Ersten Weltkrieges starben viele Patientinnen und Patienten
der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Weilmünster. Sie wurden Opfer
mangelnder Ernährung, Beheizung und Versorgung. Innerhalb von drei Jahren
stieg die Sterberate von 10 auf 36 Prozent.
Psychisch kranke und behinderte Menschen gehörten zu den Verfolgten des
NS-Staates. Nach 1933 verschlechterte sich die Lebenssituation der
Patientinnen und Patienten in Weilmünster schrittweise. Sie wurden
zwangssterilisiert, waren nationalsozialistischem Personal ausgesetzt, sie
litten an Nahrungsentzug, mangelnder Pflege, Überbelegung und reduzierter
Beheizung.
Bereits 1937 begann die Sterblichkeit deutlich zu steigen. In einigen
Kriegsjahren wurden 40 bis 50 Prozent der Patientinnen und Patienten zu
Tode gebracht.
Unter den Opfern waren bereits 1940 überdurchschnittlich viele jüdische
Patientinnen und Patienten. Die Verbleibenden gehörten 1941 zu den ersten
Opfern der systematischen Mordaktionen. Ab 1941 lebten keine jüdischen
Patienten und Patientinnen mehr in der Landesheilanstalt
Weilmünster.
Als im Rahmen der 'Aktion T4' 1940 und 1941 über 70.000 kranke und
behinderte Menschen in den Gaskammern sechs großer Mordanstalten
umgebracht wurden, wurde die Landesheilanstalt Weilmünster zur größten
'Zwischenanstalt' für die Tötungsanstalt Hadamar bei Limburg. Von Januar
bis August 1941 wurden 2.595 Patienten und Patientinnen aus Weilmünster
nach Hadamar 'verlegt', zum größten Teil waren sie kurz zuvor aus
anderen Anstalten in großen 'Transporten' in die Zwischenanstalt gebracht
worden.
Nach dem Ende der 'Aktion T4' war das Leben in der Landesheilanstalt
Weilmünster durch deren Funktion als Vernichtungsanstalt bestimmt. Neben
das Töten durch den Entzug der Lebensgrundlagen traten wahrscheinlich
Medikamentenmorde.
Der später in Hadamar ermordete Ernst P. beschrieb in einem Brief an
seine Mutter, der in der Anstalt abgefangen wurde, die Situation im
September 1943: '...Die Menschen magern hier zum Skelett ab und sterben
wie die Fliegen. Wöchentlich sterben rund 30 Personen. Man beerdigt die
hautüberzogenen Knochen ohne Sarg... Die Kost besteht aus täglich 2 Scheiben
Brot mit Marmelade, selten Margarine oder auch trocken. Mittags und abends
je 3/4 Liter Wasser mit Kartoffelschnitzen und holzigen Kohlabfällen. Die
Menschen werden zu Tieren und essen alles, was man eben von anderen
kriegen kann, so auch rohe Kartoffel und Runkel, ja wir wären noch
anderer Dinge fähig zu essen wie die Gefangenen aus Russland. Der
Hungertod sitzt uns allen im Nacken, keiner weiß, wer der Nächste ist...
Wir essen aus kaputtem Essgeschirr und sind in dünnen Lumpen gekleidet,
in denen ich schon mehr gefroren habe wie einen ganzen Winter in Hagen.
Vor 5 Wochen habe ich zuletzt gebadet und ob wir in diesem Jahre noch
baden, wissen wir nicht...'
Der Aufenthalt in der Landesheilanstalt bedeutet in den Jahren 1937 bis
1945 für über 6.000 Menschen den Tod - entweder in Weilmünster, oder
nachdem sie nach Hadamar verlegt worden waren.
Das Ermittlungsverfahren gegen Personal der Landesheilanstalt Weilmünster
wurde eingestellt, die Morde gerieten in Vergessenheit. Neue Gräber
wurden über denen der 'Euthanasie'-Opfer errichtet.
Seit 1991 erinnert ein Gedenkstein auf dem Friedhofsgelände an die in
Weilmünster ermordeten Opfer der nationalsozialistischen
Krankenmordaktionen. Seit 1997 werden hier keine Toten mehr
bestattet.
Seit 2003 sind auf diesem Friedhof alle Namen der mehr als 3.100 hier
beerdigten NS-Opfer dokumentiert. Hinter jedem dieser Namen verbirgt sich
eine Biographie.
Einige dieser Biographien werden auf dem Gelände des Friedhofs
vorgestellt. Hubert T., Heinrich S., Arthur T., Paul T., Heinrich T und
Paul D., deren Krankenakten als einzige erhalten geblieben sind, stehen
hier für alle anderen ermordeten Patienten und Patientinnen der
Landesheilanstalt Weilmünster, von denen kaum mehr als Namen und
Lebensdaten erhalten sind. Die Begegnung schützt die
Opfer vor dem Vergessen, dem die Täter sie übergeben wollten." |
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Gedenkstein von 1991 |
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Inschrift:
"Wir gedenken der hilfslosen Kranken, die hier 1933-1945 Opfer des
Nationalsozialismus wurden, ihr Leiden und Tod sind uns ständige
Mahnung". |
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Blick auf den jüdischen Teil
des
Gedenkfriedhofes |
Im jüdischen Teil -
Blick über das Gräberfeld |
Das Eingangstor
mit Hinweistafeln |
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Die
Namen der jüdischen Opfer der NS-Zeit, die hier beigesetzt wurden:
"Hanna Appel - 16.04.1934-10.04.1940; Hedwig August -
05.08.1898-13.02.1940; Leopold August - 20.05.1880-16.06.1939; Dr.
Julie Bender - 23.09.1878-10.04.1940; Johanna Blum -
18.02.1990-26.04.1940; Esther Blumenfeld -
02.03.1923-12.07.1940; Recha Braun - 20.04.1886-09.05.1940;
Simon Braunschweig - 30.11.1977-07.12.1939; Charlotte Bronner -
26.10.1893-30.08.1893; Deborah Chodrow-Hager - 05.08.1907-06.04.1940;
Günter Ehrenberg - 12.07.1915-27.08.1940; Bella Elsässer -
18.10.1877-24.01.1941; Rosa Eppstein - 09.06.1870-06.01.1940; Hans
Falk - 24.08.1895-04.05.1939; Recha Fleischhauer -
14.05.1872-12.04.1940; Fredy Frankenberg - 17.07.1925-07.02.1941;
Esther Fried - 06.10.1860-24.01.1940; Berta Goldberg -
15.02.1867-07.05.1940; Theresa Goldschmidt - 23.06.1889-06.03.1940; Sally
Gordon - 24.08.1860-24.08.1937; Fanny Grumbach - 02.02.1877-31.12.1939;
Jenny Grünebaum - 26.11.1868-10.11.1938; Fritz Gundersheimer -
24.10. 1894 - 21.04.1939; Erna Heimann - 16.07.1903-06.06.1940;
Elise Heine - 10.12.1863-30.03.1940; Richard Albert Hirsch -
02.03.1909-21.04.1940; Abraham Jordan - 16.02.1907-19.02.1940; Jakob
Jordan - 14.02.1909-17.06.1940; Gottfried Josef -
10.01.1898-19.02.1938; Eugenie Kahn - 07.05.1878-21.12.1939; Irma
Kahn - 03.08.1912-25.04.1940; Selma Kahn - 01.04.1893-21.05.1940; Hanna
Katzenstein - 31.01.1924-30.07.1940; Abraham Klausner -
27.01.1922-11.04.1940; Mariam Klausner 13.05.1903-06.02.1940; Otto
Kleeblatt - 28.4.1874-13.05.1940; Joachim Köllner -
01.08.1911-29.12.1940; Eva Kühn - 24.04.1866-27.12.1939; Erna Lazar -
16.01.1902-23.04.1940; Klara Lilienfeld - 23.11.1870-26.01.1940;
Berta Lindenberger - 28.01.1885-05.04.1940; Georg Metz
11.09.1909-11.05.1940; Dora Moses 03.10.1866-16.11.1938; Alfred
Oppenheimer 17.08.1894-16.04.1940; Manfred Perel
16.12.1921-25.03.1940; Katharina Pomeranzblum -
16.11.1873-21.01.1940; Frieda Reifenberg
30.05.1901-21.04.1939; Selma Reinhardt - 29.l05.1883-14.05.1938;
Wilhelm Rose - 04.07.1901-10.04.1938; Ernestine Rosenberg -
09.07.1871-08.11.1939; Kurt Rosenblum - 25.09.1928-12.02.1940; Selma
Schaumburger - 20.09.1880-06.04.1939; Rosine Schönthal -
16.04.1863-27.09.1939; Karoline Seemann - 2.108.1859-12.04.1938;
Moritz Paul Seiferheld - 10.05.1903-14.01.1940; Frieda Stern -
08.04.1884-26.03.1940; Jakob Taub - 07.01.1924-23.10.1940; Leo
Ullmann - 08.03.1892-19.08.1940; Estella Weiss -
30.12.1872-03.05.1940; Moses Wiener - 15.07.1905-30.01.1941;
Klara Wormser -
24.09.1878-01.05.1940." |
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Nachfolgend Auswahl der
Grabsteine |
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Ältere
Grabsteine im jüdischen Friedhof |
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Älterer Grabstein |
Bella Elsässer
(1877-1941) |
Moses Wilenski
(1900-1937) |
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Selma Kahn
(1893-1940) |
Joachim Köllner
(1911-1940) |
Sarah Fleischhacker
(1872-1940) |
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Sarah Bender
(1878-1940) |
Jakob Taub
(1924-1940) |
Moritz Seiferheld
(1903-1940) |
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Sarah Eppstein
(1870-1940) |
Sarah Grumbach
(1877-1939) |
Sarah Lindenberger
(1885-1940) |
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Sarah Heine
(1862-1940) |
Simon Braunschweig
(1877-1939) |
Jakob Jordan
(1909-1940) |
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