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Zu den "Synagogen in der
Schweiz"
Winterthur (Kanton
Zürich, Schweiz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(Hinweis: aktuelle Informationen zur Israelitischen
Gemeinde Winterthur siehe über die Website der Gemeinde: www.igwinterthur.ch)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Winterthur lebten Juden bereits im Mittelalter. Erstmals
erwähnt werden Juden in der Stadt in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Vor
1270 nahm die Domkirche zu Konstanz ein Pfanddarlehen bei Juden in
Winterthur auf. Im Zusammenhang mit der Judenverfolgung in der Pestzeit
wurden die Juden von Winterthur am 18. September 1349 auf dem Brühlberg verbrannt.
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts konnten Juden wieder
zuziehen, es kam möglicherweise zur Bildung einer kleinen Gemeinde (ein
jüdischer Friedhof soll in der Nähe der Schlangenmühle angelegt worden sein).
1391 wird ein Jude sicher in der Stadt bezeugt, 1401 leben knapp
30 jüdische Personen in der Stadt, die in diesem Jahr anlässlich der
Diessenhofener Ritualmordbeschuldigung inhaftiert und am 28. oder 30. Juli 1401
verbrannt wurden.
Im Laufe des 15. Jahrhunderts waren gewöhnlich nur ein bis drei
jüdische Familien in der Stadt. Einzelne jüdische Personen sind u.a. aus
Konstanz, Schaffhausen, Wülflingen und Zürich zugezogen. Andere verzogen von
Winterthur u.a. nach Konstanz, Rheinau, Schaffhausen, Thiengen und Zürich. Die
Juden lebten überwiegend vom Geldhandel, doch lassen sich auch drei Ärzte in
der Stadt nachweisen: Lazarus, Sohn des Schmol (1470 bis 1478 als Glaser und
Arzt in Winterthur), Mosse von Winterthur (war vermutlich zeitweise
Hebräischlehrer des Reformators Huldrych Zwingli), Verse (Arzt, bis 1519 in Winterthur).
1476 werden zwei junge Juden aus Winterthur genannt, die nach Ulm zum Studium
auf der dortigen Jeschiwa fuhren.
Im 16. Jahrhundert lebten nur noch vereinzelt Juden in der Stadt. 1565
ließ sich der aus Venedig stammende Privatlehrer Aaron Levi in der Stadtkirche
Winterthur taufen.
Erst im 19. Jahrhundert war ein Zuzug jüdischer Personen in Winterthur
wiederum möglich. 1842 konnte sich der Warenhändler Hermann Bernheim
aus Lengnau im heutigen Stadtteil Töss niederlassen, der Handelsmann Jonas
Biedermann aus Gailingen im heutigen Stadtteil
Veltheim (1867 eingebürgert). In seinem Haus wurden erste
gemeinschaftliche Gottesdienste abgehalten. 1860 wurde Hermann Bernheim in
Winterthur aufgenommen. In den folgenden Jahren erfolgte ein weiterer Zuzug
jüdischer Familien aus dem Aargauer Surbtal, dem Elsass und dem süddeutschen
Raum. 1878 (Angaben im Jahrbuch
unten) beziehungsweise am 15. März 1886 konnte eine jüdische Gemeinde
gegründet werden ("Jüdische Cultusgenossenschaft Winterthur &
Veltheim"), seit 1924 "Israelitische Kultusgemeinde Winterthur".
Damals gehörten acht Männer zur Gemeinde, die Hälfte davon waren Angehörige
der Familie Niedermann.
Die Zahl der jüdischen Einwohner nahm zu in den folgenden Jahrzehnten
zu: 1916 wurden 28 jüdische Haushaltungen mit 110 Personen gezählt, 1917 133, 1919 37
Haushaltungen mit etwa 130 Personen, 1921 40 Haushaltungen mit etwa 130
Personen. Die jüdischen Familien eröffneten eine größere Zahl von
Geschäften und Handlungen in der Stadt: um 1920 gab es 22 jüdische Geschäft
im Besitz jüdischer Familien.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge beziehungsweise ein Betsaal
(s.u.) und eine Religionsschule. An jüdischen Vereinen wurden gegründet: der Wohltätigkeitsverein Chewra Chadischa (gegründet
1908: Zweck: Unterstützung an unbemittelte Kranke, rituelle Funktionen bei
Todesfällen; 1921 knapp 30 Mitglieder unter dem Präsidenten S. Guggenheim) und
der "Verein für jüdische Geschichte und Literatur"
(gegründet 1902; Zweck: Förderung der Mitglieder in der Pflege der jüdischen
Wissenschaft durch Abhaltung von Vorträgen und Anlegung einer Bibliothek) sowie
ein "Frauenverein" (gegründet 1925). Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer (Religionslehrer) angestellt, der
zugleich als Vorbeter tätig war (genannt in den Jahrbüchern als
"Beamter"; genannt werden: bis ca. 1920 A. Müller, dann Ignaz
Kurzweil, der sich auf die Ausschreibung der Stelle 1921 - siehe unten -
erfolgreich beworben hatte und viele Jahre in der Gemeinde geblieben
ist). Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden im 19. Jahrhundert noch in
Gailingen beigesetzt.
Von den in Winterthur geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen ist in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Lina Levitus (geb. 1895 in
Winterthur als Tochter von Carl Levitus und seiner Frau Therese geb. Dreifuß,
umgekommen in Auschwitz 1942).
Die "Israelitische Gemeinde Winterthur" (IGW) besteht bis
heute. Zu ihr gehören derzeit (2016) etwas mehr als 100 Personen (60
Mitglieder). Ein
eigener Gottesdienst findet regelmäßig - etwa monatlich - statt; der Betsaal der Gemeinde wurde 2011 renoviert. Seit 1998 besteht ein
eigener jüdischer Friedhof
in Winterthur. Präsident der Gemeinde war von 1969 bis 2011 Silvain
Wyler-Neuburger. Er ist seit 2011 Ehrenpräsident der Gemeinde und wurde von
zwei Co-Präsidenten abgelöst: Jules Wohlmann und Shlomo Hermon. 2011
konnte das 125-jährige Bestehen der Israelitischen Gemeinde Winterthur gefeiert
werden. Gemeinderabbiner waren im Jubiläumsjahr Dr. Kurt Nordmann und Mendel
Rosenfeld von Chabad in Zürich, Chasan (Kantor) José Ornstein.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Darstellungen der Gemeinde 1916 / 1919 / 1921
Vorstellung
der Gemeinde im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" 1916 S.
201-202: "Winterthur. In Winterthur wurde die jüdische
Kultusgenossenschaft Ende der siebziger Jahre gegründet, welche heute mit
ca. 28 Gemeindemitgliedern ca. 110 jüdische Seelen zählt. Vorstand:
Gustav Bernheim, Präsident; Isaak Guggenheim und A. Neuhaus. Beamter:
A. Müller.
Institutionen: Betsaal (Grabenstraße 35), Religionsschule,
Armenpflege (bezweckt Unterstützung an Durchreisende),
Friedhof.
Vereine: Israelitischer Bruderschaftsverein 'Chewra chadischa' (Zweck:
Unterstützung an unbemittelte Kranke, rituelle Funktionen bei
Todesfällen), Verein für jüdische Geschichte und Literatur (Zweck
Förderung der Mitglieder in der Pflege der jüdischen Wissenschaft durch
Abhaltung von Vorträgen und Anlegung einer Bibliothek, gegründet 1902
Dr. E. Biedermann)." |
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Vorstellung
der Gemeinde im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" 1919 S.
262: "Winterthur. In Winterthur wurde die jüdische
Kultusgenossenschaft im Jahre 1878 gegründet, welche heute mit ca. 37
Gemeindemitgliedern ca. 130 jüdische Seelen zählt. Vorstand:
Gustav Bernheim, Präsident; Isaak Guggenheim und A. Neuhaus. Beamter:
A. Müller.
Institutionen: Betsaal (Grabenstraße 35), Religionsschule,
Armenpflege (bezweckt Unterstützung an Durchreisende).
Vereine: Israelitischer Bruderschaftsverein 'Chewra Chadischa' (Zweck:
Unterstützung an unbemittelte Kranke, rituelle Funktionen bei
Todesfällen, gegründet 1908, 28 Mitglieder). - Verein für jüdische
Geschichte und Literatur (Zweck: Förderung der Mitglieder in der Pflege
der jüdischen Wissenschaft durch Abhaltung von Vorträgen und Anlegung
einer Bibliothek, gegründet 1902, Mitglieder ca. 30 (Präsident: A.
Neuhaus)." |
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Vorstellung
der Gemeinde im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" 1921 S.
185: "Winterthur. In Winterthur wurde die jüdische
Kultusgenossenschaft im Jahre 1878 gegründet, welche heute mit ca. 40
Gemeindemitgliedern ca. 130 jüdische Seelen zählt. Vorstand:
Gustav Bernheim, Präsident; Isaak Guggenheim und A. Neuhaus. Beamter:
J. Kurzweil.
Institutionen: Betsaal (Grabenstraße 35), Religionsschule,
Armenpflege (bezweckt Unterstützung an Durchreisende).
Vereine: Israelitischer Bruderschaftsverein 'Chewra Chadischa'
(Präsident: S. Guggenheim), Zweck: Unterstützung an unbemittelte Kranke,
rituelle Funktionen bei Todesfällen, gegründet 1908, 28 Mitglieder). -
Verein für jüdische Geschichte und Literatur (Zweck: Förderung der
Mitglieder in der Pflege der jüdischen Wissenschaft durch Abhaltung von
Vorträgen und Anlegung einer Bibliothek, gegründet 1902, Mitglieder ca.
30 (Präsident: A. Neuhaus)." |
Statistik der
jüdischen Einwohner 1917
Artikel im "Jüdischen Jahrbuch der Schweiz" von 1917 S. 220: Es
werden angegeben an jüdischen Einwohnern:
"Kanton Zürich: Zürich 5212, Winterthur
133, Bülach 24;
Baselstadt 2452;
Genf 2236;
Kanton Bern: Bern 1062, Biel 413, Delsberg 75, Burgdorf 50, Langental
32, Laufen 27, Thun 27;
Kanton Waadt: Lausanne 989, Vevey 127, Yverdon 102, Montreux 96,
Avenches 74, Nyon 64, Morges 40, Mondon 32, Cossonay
24". |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1921
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Mai 1921:
"Infolge Rücktrittes des bisherigen Beamten ist die Stelle eines
Kantors und Religionslehrers
auf 1. August neu zu besetzen. Das Einkommen beträgt Francs 3.600.-
jährlich, einige hundert Franken Nebeneinkünfte, sowie freie Wohnung.
Bewerber wollen ihre Offerten mit genauen Angaben über Lebenslauf,
Bildungsgang, Alter und Familienstand, spätestens bis 20. Mai an
unterfertigte Stelle richten.
Israelitische Kultusgemeinde Winterthur (Schweiz).
Präsident: Gustav Bernheim." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Veranstaltung des Vereins für jüdische Geschichte
und Literatur (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Oktober 1907: "Winterthur
(Schweiz), 1. Oktober (1907). Der hiesige Verein für jüdische Geschichte
und Literatur eröffnete am letzten Sonntag, 6. dieses Monats, seine
diesjährige Saison mit einem Vortrag des Herrn S. Schachnowitz -
Endingen über 'Die Gebete Israels'. Vom Gebete in der Bibel ausgehend gab
der Redner ein vollkommenes Bild vom Wesen und von der Entwicklung unserer
Gebete bis zur Gegenwart. Die Ausführungen des gewandten Redners wurden
von der gut besuchten Versammlung sehr beifällig
aufgenommen." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Dr. Biedermann wird als Bezirksrichter gewählt (1922)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. April
1922: "Zürich. In Winterthur wurde Dr. Biedermann zum
Bezirksrichter gewählt." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungsanzeige von Edith Kurzweil und Alfred van der
Horst (1935)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1935:
"Statt Karten. Edith Kurzweil - Alfred van der Horst.
Verlobte.
Winterthur Nissan 5696 Den
Haag." |
Zur Geschichte der Synagoge
Im mittelalterlichen Winterthur lässt sich keine Synagoge
oder ein Betsaal nachweisen.
Die Gemeinde des 19./20. Jahrhunderts richtete einen Betraum ein.
Längere Zeit befand er sich (vgl. Gemeindebeschreibungen oben von 1916/1921) im
Gebäude Grabenstraße (Grabenweg) 35. Der derzeit genutzte Betraum wurde 1951
bezogen und 2011 anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Gemeinde durch die
Architektin Karin Rosenberg renoviert und neu
eingeweiht. Es finden mindestens monatlich Gottesdienste statt (Stand: 2015). Am
18. August 2013 konnte eine neue Torarolle eingeweiht werden.
Adresse/Standort der Synagoge:
wird auf Anfrage an die Israelitische Gemeinde Winterthur mitgeteilt.
Kontakt zur Israelitischen Gemeinde Winterthur (IG Winterthur):
IGW, CH 8400 Winterthur Website www.igwinterthur.ch/
Email: info@winterthur.ch
Fotos
Emanuel
Biedermann, 1886 einer der
Gründer der "Jüdischen
Cultusgenossenschaft Winterthur"
(Foto: Winterthurer Bibliotheken) |
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Im Betsaal der
Israelitischen Gemeinde Winterthur
(2016; Fotos: Israelitische Gemeinde Winterthur) |
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Im Betsaal mit
Blick zum Toraschrein |
Der Toraschrein -
der Kopfteil stammt aus dem 19. Jahrhundert |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 910; III,2 S.
1659-1663. |
| Annette Brunschwig, Ruth Heinrichs und Karin Huser:
Geschichte der Juden im Kantor Zürich. Von den Anfängen bis in die heutige
Zeil Orell Füssli. Zürich 2005. |
| Peter Niederhäuser (Hg.): Das jüdische Winterthur.
Chronos. Zürich 2006. |
| ders.: 'Bis zur gegenwärtigen Stunde in da klaglos
aufgehalten'. Juden in der ehemaligen Gemeinde Töss. In: De Tössemer. Juni
2006. S. 1-3. |
Hinweis auf eine 2006 durchgeführte Ausstellung:
15.
März bis 8. Oktober 2006. Schweizer Juden – Jüdisches
Winterthur und Hörstationen zu: Jüdische Kindheit und Jugend seit 1945.
Zum Inhalt: Als "jüdische Kleingemeinde mit großer
Tradition" feierte die Israelitische Gemeinde Winterthur (IGW) vor einigen
Jahren ihren 100. Geburtstag. An dieser Charakterisierung hat sich in der
Zwischenzeit wenig geändert. In der Stadt findet sich zwar weder eine ehrwürdige
Synagoge, noch fallen auf der Strasse streng orthodoxe Juden auf. Trotzdem weist
Winterthur eine jüdische Vergangenheit auf, die weit vor die am 15. März
1886 erfolgte Gründung der ursprünglich "Cultusgenossenschaft" genannten IGW
zurückreicht. Dieser Zusammenschluss von anfänglich acht Juden stellt aber
doch einen wichtigen Meilenstein in der wechselhaften Geschichte der
Winterthurer Juden dar – einer Geschichte von Ausgrenzung und Diskriminierung,
aber auch von Emanzipation, Assimilation und kultureller Bereicherung. Das
120-Jahr-Jubiläum der IGW bietet nun die Gelegenheit, in einem breiteren Rahmen
nicht nur das praktisch unbekannte jüdische Winterthur, sondern auch Juden in
der Schweiz und in den angrenzenden Regionen näher vorzustellen. Drei einander
ergänzende Ausstellungen, eine Begleitpublikation und ein attraktives
Rahmenprogramm machen etwa auf Hausierer und Unternehmer, auf elsässische und
russische Zuwanderer, auf religiöse und säkulare Menschen, auf
Kindheitserinnerungen, auf Fragen der Identität, Ausgrenzung und Vorurteile
sowie auf ein Leben zwischen Vergangenheit und Zukunft aufmerksam.
Die gleichzeitig erscheinende Publikation
«Das jüdische Winterthur» (Chronos Verlag Zürich) ist in der Ausstellung und
im Buchhandel erhältlich. Quelle
Ausstellungsinfo als pdf-Datei.
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